Wetterexperte zu Tornado-Warnung: "Ein Sirenenalarm wäre nützlich gewesen"

Paderborn. Der Tornado hat die Paderborner am letzten Freitag kalt erwischt: Kaum jemand rechnete ernsthaft damit, dass das Gewitter, das da langsam von Westen herangrollte, so verheerende Wirkung entfalten würde. Trotz der Warnmeldungen im Vorfeld, in denen auch schon die Möglichkeit von Windhosen in NRW angedeutet wurde, wobei Ostwestfalen sowieso zuerst ans Rheinland denken. Am Ende war es wohl nur dem Starkregen unmittelbar vor dem Wirbelsturm zu verdanken, dass sich in den gefährlichsten Minuten kurz nach 17 Uhr nur die wenigsten Menschen in Paderborn noch im Freien aufhielten. Doch warum gab es eigentlich keinen Sirenenalarm, der zusätzlich hätte warnen können? Immerhin fegte der Tornado kurz vorher auch schon durch Lippstadt. "Als wir die ersten Meldungen aus Lippstadt bekamen, haben wir unsere Unwetterwarnung von 16.29 Uhr für den Kreis Paderborn von der zweithöchsten Warnstufe 3 auf die höchste Stufe 4, also ,extreme Gewitter' hochgestuft. Das war um 17.02 Uhr. Diese Warnung ging auch an die Leitstelle in Paderborn", sagt Andreas Friedrich, Tornado-Beauftragter beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Frankfurt, der selbst am Freitagnachmittag Dienst hatte und die Entwicklung der Gewitterzellen beobachtete. Er meint, ein Sirenenalarm wäre nützlich gewesen, um die Bevölkerung zu warnen und sich womöglich per Smartphone App des DWD oder einer Katastrophen-Warnapp wie Katwarn zu informieren und sofort Schutz zu suchen. Die Meldung kam offenbar zwar in Paderborn an. Dort verstand man darunter jedoch keine ausdrückliche Tornadowarnung. Lea Laven, Sprecherin der Kreisverwaltung Paderborn: "Uns lag den ganzen Tag über keine Tornadowarnung vor. Und von einem Tornado in Lippstadt wussten wir in dem Moment auch nichts." Als dann kurz nach 17 Uhr plötzlich 40 Notrufmeldungen fast gleichzeitig in der Leitstelle eintrafen, sei man von den Ereignissen schlicht überrollt worden. Lea Laven sagt: "Da ging es zuerst darum, die Rettungswagen zu organisieren und die Krankenhäuser vorzubereiten, damit diese ihr Personal bereit hielten." Um 17.15 Uhr schließlich verheerte der Wirbelsturm schon die östliche Kernstadt und zog Richtung Altenbeken ab. Ein Sirenenalarm kurz nach 17 Uhr hätte laut Warnerlass des Landes NRW von Mai 2020 von einem Einsatzleiter ausgelöst werden können; doch den gab es zu diesem frühen Zeitpunkt für diese ganz spezielle, plötzlich auftretende Katastrophenlage noch gar nicht. Der Ablauf vom Freitagnachmittag ist beim Kreis nun durchaus Anlass zur Manöverkritik. Lea Laven kündigte an, dass Landrat Christoph Rüther und Marc Hammerstein, Leiter der Kreisfeuerwehrzentrale, konkret darüber sprechen wollten, wie man in solchen plötzlich auftretenden Gefahrensituationen besser werden könne. Dazu wolle man auch in Kontakt mit dem DWD treten, um ein effektiveres Vorwarnsystem zu etablieren. Sirenen gebe es jedenfalls noch oder wieder in allen Kommunen im Kreis. Dafür seien aber im Einzelfall die Kommunen selbst zuständig. Windhosen sind keine Folge des Klimawandels Der DWD selbst ist bereits auf Landesebene mit der Verbesserung von Warnsystemen befasst. In der Folge der Flutkatastrophe an der Ahr im vergangenen Jahr würden solche Gespräche geführt, sagte DWD-Tornadobeauftragter Andreas Friedrich gegenüber der NW. Es müsse in Deutschland aber auch ganz grundsätzlich besser darüber aufgeklärt werden, wie man sich im Falle anrückender Wirbelstürme am besten verhalte. Da könne man viel von den USA lernen, in denen das Thema schon im Schulunterricht behandelt werde. Durch die Erwärmung des Klimas gebe es im Übrigen nicht grundsätzlich mehr Windhosen in Deutschland. Die Zahl liege über die letzten Jahrzehnte immer zwischen 20 und 80 pro Jahr. Andreas Friedrich: "Allerdings werden Tornados heute besser dokumentiert, zum Beispiel weil die Menschen Smartphones haben. Von vielen Windhosen über freiem Gelände bekommen wir aber nach wie vor gar nichts mit." Anhand solcher Beobachtungsdaten oder der angerichteten Schäden könne man die Ereignisse dann im Nachhinein nach ihrer Stärke klassifizieren. Friedrich: "Nach den ersten Bildern, die ich aus Paderborn gesehen habe, würde ich sagen: Das war ein Tornado der Stärke F 2, also mit Windgeschwindigkeiten zwischen 180 und 250 Kilometer pro Stunde. Welchen Weg ein Tornado genau nimmt, sei im Einzelfall schwer vorhersehbar. Andreas Friedrich: "Die Bahn wird grundsätzlich vom Zug der Gewitterwolke bestimmt, unter der er dann in einem bestimmten Korridor wie ein Kreisel hin und her eiert." Dabei spiele keine Rolle, ob darunter bebautes oder unbebautes Gebiet sei. Vorherzusagen sei in Anlehnung auf die Zugrichtung der Wolken nur ein gewisses Gefahrengebiet in kegelförmiger Ausdehnung. Entsprechend habe man am Freitag nach den Verdachtsmeldungen auf einen Tornado in Lippstadt auch gleich mehrere Kreise östlich davon in die höchste Gefahrenstufe aufgenommen. Als Folge der Klima-Erwärmung gebe es nicht mehr Tornados als früher, meint Friedrich. Allerdings würden diese dadurch stärker.

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