Neue Kinderärzte dürfen sich im Kreis Paderborn nicht niederlassen

Kreis Paderborn. Wer im Kreis Paderborn auf der Suche nach einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin ist, hat gute Chancen – zumindest nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Demnach gibt es hier keinen Mangel an Kinderärzten, ganz im Gegenteil: Die Region ist sogar überversorgt. Die Mediziner selbst sehen das nicht so eindeutig und kritisieren vor allem die Grundlage, auf deren Basis diese Einschätzung erfolgt. Im Kreis Paderborn gibt es 20,75 Kinderärzte, umgerechnet auf Vollzeitstellen. Das entspricht nach Angaben der KVWL einem Versorgungsgrad von 110,1 Prozent. Paderborn hätte dementsprechend mehr als genug Kinderärzte und es dürfen sich auch keine neuen niederlassen. Diese Angabe basiert auf der sogenannten Bedarfsplanung. Die entsprechende Richtlinie wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen erlassen. Sie legt auf Kreisebene fest, für wie viele Kinder ein Arzt zuständig sein soll. Und an dieser Richtlinie gibt es viel Kritik. &bdquo;Der Begriff Überversorgung ist politisch definiert und nicht durch die tatsächliche Arbeitsbelastung“, sagt Michael Achenbach, Sprecher des Bundesverbandes für Kinder und Jugendärzte für Westfalen-Lippe. Die Grundlage für die Bedarfsplanung ist in den Neunzigern gelegt worden und seiner Meinung nach veraltet: &bdquo;Seitdem ist die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen dramatisch gestiegen. Pro Kind ist deutlich mehr zu tun.“ Ohnehin sei insgesamt schwer nachzuvollziehen, wie konkrete Zahlen als Vorgabe zustande kommen. 2.862 Kinder pro Arzt als Richtlinie Knapp 54.608 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben im Kreis Paderborn (Stand: 31. Dezember 2020). Nachgerechnet kommen also 2.631 mögliche Patienten auf einen Arzt. Laut der Bedarfsplanung geht man hier sogar von 2.862 Kindern pro Mediziner aus. Zum Vergleich: In Bielefeld soll sich an 2.043 Kindern pro Arzt orientiert werden. Daniela Seibel, Kinderärztin aus Salzkotten, empfindet die Vorgabe von knapp 2.900 Kindern pro Arzt als zu hoch. Sie hat aber trotzdem das Gefühl, dass der Kreis im Moment ganz gut ausgestattet ist: &bdquo;Wir haben viel zu tun im Moment, gerade wegen Corona. Das ist alles aufwändiger, zum Beispiel die PCR-Tests nach positiven Schnelltests, aber momentan haben wir den Eindruck, das ist alles gut zu schaffen.“ Aufnahmestopp in einigen Praxen Auch Steffen Dugué, Kinderarzt aus Delbrück, sieht diese Zahl kritisch.: &bdquo;Selbst wenn davon jedes zweite Kind einmal im Quartal zum Arzt geht, ist das schon zu viel.“ Er arbeitet seit einem dreiviertel Jahr im Kreis und hat nicht den Eindruck, dass hier eine Überversorgung vorliegt: &bdquo;Mein bisheriges Gefühl sagt mir, dass es eigentlich immer noch zu wenige Kinderärzte gibt.“ Das merkt er zum Beispiel daran, dass er in seiner Praxis viele Anfragen für neue Patienten bekommt – auch aus der Stadt Paderborn. Die muss er dann ablehnen, damit er genügend Kapazitäten für die Kinder in seinem Zuständigkeitsbereich hat. Er hört von vielen Eltern, dass sie keinen Kinderarzt finden und niemand mehr aufgenommen wird. &bdquo;Neugeborene werden oft noch angenommen, bei zugezogenen Kindern ist es schon schwieriger.“ Bei vielen Praxen ist es auch nicht einfach, überhaupt jemanden ans Telefon zu bekommen. Oft gibt es automatische Durchsagen, die auf die hohe Anzahl an Anrufen hinweisen und um Verständnis bitten. Kreisweite Planung für Kinderärzte nicht sinnvoll Die Bedarfsplanung wurde 2019 geändert. Laut KVWL wurde unter anderem die Anzahl an Kindern pro Arzt, an der sich orientiert werden soll, herabgesetzt. Für Michael Achenbach aber nicht genug. Ein weiterer Kritikpunkt wurde bei der Änderung nicht berücksichtigt: Die Bedarfsplanung für Kinderärzte findet auf Kreisebene statt. Damit werden sie Fachärzten gleichgesetzt und nicht Hausärzten.&bdquo;Ein Facharzt kann auch mal weiter weg sein. Da ist ein größeres Planungsgebiet nachvollziehbar. Aber wir leisten eine Vor-Ort-Versorgung“, sagt Michael Achenbach. Dem stimmt auch Steffen Dugué zu: &bdquo;Wir sind die Hausärzte von Kindern und nicht Fachärzte. Vor allem Säuglinge sind häufig krank. Dann erstmal 30 Kilometer fahren zu müssen ist nicht sinnvoll.“

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