Eltern von Neugeborenen abgewiesen: Kinderärzte im Kreis Höxter am Limit

Kreis Höxter. Völlig hilflose Neugeborene und ihre Eltern sind auf eine gute Begleitung und Versorgung durch einen Kinderarzt angewiesen. Doch immer öfter werden im Kreis Höxter junge Eltern an den Praxistüren abgewiesen. Die Praxen sind überfüllt, die Kinderärzte am Limit. Wie dramatisch die Lage ist, wird beim Blick auf den Versorgungsgrad deutlich. Der beträgt nur 71,4 Prozent. Heißt es braucht mehr als zwei Kinderärzte zusätzlich, um überhaupt eine angemessene Versorgung zwischen Nieheim, Höxter und Beverungen zu erreichen. Die &bdquo;Neue Westfälische“ hat mit Planern der Kassenärztlichen Vereinigung und mit einem Kinderarzt im Kreis Höxter über die schwierige Situation und über mögliche Lösungswege gesprochen. Große Not, eine Praxis im Kreis Höxter zu finden &bdquo;Eltern von Neugeborenen haben inzwischen große Not, einen Kinderarzt zu finden“, bestätigt der Bad Driburger Kinderarzt Gerd Broer. Eltern kommen teils von weit her, um ihr Kind medizinisch betreuen zu lassen. Während sie früher angerufen hätten, stünden sie heute immer öfter in der Praxis. Das Abweisen verzweifelter Eltern falle schwer. &bdquo;Wir wollen natürlich auch keinesfalls ein Kind unversorgt lassen“, schildert der Mediziner den schwierigen Spagat. &bdquo;Es muss aber auch irgendwie zu schaffen sein. Leider sind 24 Stunden am Tag das Limit“, sagt Broer. Die Kinderärzte im Kreis Höxter versuchen, sich die Bereiche etwas aufzuteilen. Als Arzt in Bad Driburg bekomme seine Praxis aber auch viele Anfragen aus Paderborn, wo die Lage noch verzweifelter als im Kreis Höxter sei, obwohl rein statistisch die Versorgungsquote wesentlich höher liegt. Versorgungsgrad im Kreis Höxter bei nur 71 Prozent Laut Daniel Müller, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) sind im Kreis Höxter derzeit sechs Kinderärzte in Vollzeit tätig. Der Versorgungsgrad liegt somit bei 71,4 Prozent. &bdquo;Es bestehen weitere Niederlassungsmöglichkeiten“, fasst der Sprecher die Situation zusammen. 8,30 Kinderärzte würden im Kreis Höxter einem Versorgungsgrad von 100 Prozent entsprechen. 2,3 Stellen könnten also noch besetzt werden, dann wäre der Versorgungsgrad auf dem Soll-Stand. &bdquo;Allerdings macht sich auch bei den Kinderärzten der Nachwuchsmangel immer deutlicher bemerkbar. Nicht die Bedarfsplanung ist daher das Problem, sondern der fehlende Nachwuchs“, betont der Fachmann. Kaum Aussicht auf Besserung im Kreis Höxter Der Bad Driburger Kinderarzt Gerd Broer glaubt mit Blick auf die Entwicklung auch nicht, dass die Lage sich in absehbarer Zeit bessern wird und sich neue Kinderärzte im Kreis Höxter niederlassen werden – im Gegenteil. Passend dazu: Hausarztmangel: Medizinische Versorgung im Kreis Höxter vor dem Kollaps Die Gründe sind die gleichen wie bei der Hausarzt-Krise im Kreis Höxter. Es ist für Ärzte nicht mehr attraktiv, eine eigene Praxis mit allen wirtschaftlichen und bürokratischen Herausforderungen zu eröffnen oder zu übernehmen. Broer weist zudem darauf hin, dass der überwiegende Teil der Mediziner, die eine Pädiatrie-Facharztausbildung machen, weiblich ist. Mehr als 70 Prozent. Die haben oft auch eine Familiengründung im Blick- und brauchen oft nicht eine ganze Stelle. Da sind Stellen in Gesundheitsämtern oder Instituten oft reizvoller. Lesen Sie auch: Neues Ärztezentrum lockt Mediziner nach Marienmünster Ob künftig medizinische Versorgungszentren, in denen Ärzte angestellt sind und vor allem von bürokratischen Lasten befreit sind, eine Alternative sein könnten, müsse sich erst zeigen. &bdquo;Sie können zumindest den Druck des Selbstständigwerdens abnehmen“, sagt Broer. In den Kommunen werden medizinische Versorgungszentren derzeit viel diskutiert. Wirklich umgesetzt hat diese Idee bisher nur Marienmünster. Viel zusätzliche Arbeit für Kinderärzte Wie Daniel Müller ergänzt, komme speziell bei den Kinderärzten erschwerend hinzu, dass ihre Leistungen immer stärker angefragt werden &bdquo;Mit Blick auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen beispielsweise kommt es zu vermehrter Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen aufgrund gesunkener Gesundheitsbildung in der Bevölkerung.“ Zudem habe die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen in den letzten Jahren stark zugenommen. Auch nehme etwa das Erstellen von Gutachten bei den Ärztinnen und Ärzten immer mehr Zeit in Anspruch. Kinderarzt Gerd Broer verweist auf noch ganz andere Entwicklungen. So versorgen die Kinderärzte auch viele Flüchtlingskinder. Da machen allein die Sprachbarrieren die Behandlungen aufwendiger und anspruchsvoller. Broer greift dann beispielsweise auf Online-Übersetzungsprogramme zurück. Da müsse man manchmal drei oder viermal nachfragen. &bdquo;Da kommt auch manchmal der größte Blödsinn bei raus“, schildert Broer die &bdquo;kleinen“ täglichen Hürden. Immer mehr verhaltensauffällige Kinder Was zudem zeitaufwendiger werde, sei die Versorgung des Einzelnen. &bdquo;Es gibt immer mehr verhaltensauffällige Kinder. Der Bereich der Sozialpädiatrie hat drastisch zugenommen“, sagt Broer. Problematisch sei zudem, dass es nur einen Kinder- und Jugendpsychiater im Kreis Höxter gebe – in Warburg. &bdquo;Die Versorgung der psychisch auffälligen Kinder wird zunehmend schwieriger. Und die kommen natürlich zunächst zu ihrem Kinderarzt.“ Problematisch ist die Lage nicht nur im Kreis Höxter, betont Broer, bei dem sich auch viele Eltern aus dem Kreis Paderborn melden. Den Eindruck bestätigt Ulrich Polenz, Chef der KVWL im Hochstift, obgleich der Nachbarkreis mit Blick auf die Versorgungsquote von 110,4 Prozent besser aufgestellt ist, als der Kreis Höxter. Mangel auch im Nachbarkreis Paderborn &bdquo;Mittlerweile haben wir einen Mangel“, sagt Polenz. Ursächlich sei vor allem der gestiegene Bedarf an kinderärztlichen Leitungen durch Geflüchtetenfamilien, Zuzüge und Neugeborene. Als Beispiele nennt der Mediziner Masernimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen, die viel Zeit beanspruchten. Hinzu käme eine starke Zunahme der Infektionserkrankungen. Passend dazu: Paderborner Kinderärzte am Limit: Was Eltern jetzt wissen müssen Müller ergänzt, dass die Ärzte mittlerweile einen großen Teil ihrer Arbeitszeit nicht mehr mit Patientenkontakten verbringen könnten. &bdquo;Statistisch muss jede Praxis pro Jahr 60 Arbeitstage für Bürokratie aufwenden. So ist immer weniger Zeit für die Patientenversorgung da“, sagt er. Die Praxen der Niedergelassenen erstickten in Bürokratie, würden finanziell unzureichend ausgestattet und mit nicht ausgereiften Digitalisierungspflichten gelähmt. Müller: &bdquo;Die KVWL fordert daher einen grundlegenden Kurswechsel der Politik, damit der ambulante Sektor gestärkt wird und die Niederlassung nicht weiter an Attraktivität verliert.“

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