Cannabis zu Genusszwecken: Zwischen Skepsis und Befürwortung

Paderborn. Eine der im jüngst unterzeichneten Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen besonderen Neuerungen ist die Ankündigung der Freigabe von Cannabis zu "Genusszwecken für Erwachsene". Bis die entsprechenden gesetzlichen Regelungen überhaupt spruchreif sind, wird es wohl noch ein wenig dauern. Verschiedene Interessengruppen habe ihre Positionen schon deutlich gemacht, so begrüßen die Vertreter der Legalisierungsbewegung die Ankündigung, während vonseiten der Sicherheitsbehörden weiterhin warnende Beurteilungen erfolgen. Einer der politischen Vorkämpfer für die Legalisierung von Cannabis ist der ehemalige Paderborner SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert. Er begrüßt den entsprechenden Passus der Regierungsvereinbarung. "Es wird der gesellschaftlichen Realität gerecht, denn der Konsum findet statt", so Blienert, der anfügt, dass es wichtig sei diesen in einen kontrollierten Bereich überzuleiten. Schätzungen zufolge beläuft sich das jährliche Umsatzvolumen auf dem Schwarzmarkt auf bis zu acht Milliarden Euro. Von einem legalen Markt könne der Staat in Form von Steuereinnahmen profitieren und die Polizeibehörden entlasten. Für das anstehende Gesetzgebungsverfahren hofft Blienert darauf, dass dafür die Expertise von Vertretern aus den Bereichen Produktion, Medizin und der Sicherheitsbehörden gleichermaßen eingeholt werde. "Als Blaupause für die Gestaltung könnten zusätzlich zwei alte Anträge für ein Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen genutzt werden", führt er Vorstöße aus der Vergangenheit auf. Aufmerksam verfolgt Thomas Schatton die Entwicklungen. Er ist Geschäftsführer von Four20-Pharma, das Paderborner Unternehmen ist Großhändler für medizinisches Cannabis. Besonders die Schmerztherapie ist eines der Anwendungsgebiete im medizinischen Bereich und seit dem Jahr 2017 ist Cannabis auf Rezept erlaubt. Man könne sich vorstellen, auch den Genussbereich als Geschäftsfeld zu erschließen, so Schatton. Cannabis bei mehr als der Hälfte der Drogendelikte Auf Ablehnung stößt die geplante Legalisierung bei NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der illegale Markt werde nicht verschwinden, sondern sogar noch größer werden. Auch die Polizeigewerkschaften zeigen sich skeptisch. Warnend wird auf das Beispiel der Niederlande verwiesen, wo der Konsum zwar seit langem geduldet wird, der Cannabisanbau jedoch nicht legal ist. So laufe die Versorgung der Coffeeshops rein über illegale Kanäle der Organisierten Kriminalität. Außerdem wird auf die Probleme hinsichtlich des Jugendschutzes, Gefahren im Straßenverkehr und die Suchtproblematik verwiesen. In den vergangenen Jahren gab es bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Kreis Paderborn in Zusammenhang mit Cannabis ein leicht schwankendes Niveau, das bestätigt die Kreispolizei. Wurden im Jahr 2018 noch 538 Fälle registriert, waren es im Folgejahr 431 und im Jahr 2020 gab es einen leichten Anstieg auf 450 Fälle. "Bei Drogendelikten handelt es sich um sogenannte Kontrolldelikte", schränkt Pressesprecher Michael Biermann ein. Werde vermehrt ermittelt und Kontrollen durchgeführt, fielen entsprechend mehr Fälle auf und es ergäben sich zudem Folgeermittlungen. Grundsätzlich machten Cannabis-Fälle mehr als die Hälfte der festgestellten Betäubungsmittelverstöße aus. Individuelle und volkswirtschaftliche Schäden Auch im Straßenverkehr steigen die Fälle von "Drogen am Steuer", was auch für Fahrrad oder E-Scooter gilt. Allerdings werde dieser Bereich nicht trennscharf nach Art der konsumierten Rauschmittel unterschieden. Von 186 festgestellten Verstößen im Jahr 2018 und 215 Fällen im Jahr darauf stellte die Polizei im vergangenen Jahr 290 Fälle fest. Hier spiele die Häufigkeit der Maßnahmen ebenfalls eine Rolle, etwa durch Schwerpunktkontrollen, gibt Biermann zu bedenken. Zudem werde die Fortbildung der Beamten hinsichtlich des Erkennens von Drogenkonsum immer weiter verbessert und die Qualität der technischen Kontrollmethoden sei gestiegen. Er sei wie wohl viele seiner Kollegen zwiegespalten, sagt Tilmann Magerkurth, Chefarzt der Suchttherapie der Paderborner LWL-Klinik. Die guten Argumente für eine Cannabis-Legalisierung, insbesondere der Entlastung der Strafverfolgung, der Entkriminalisierung sowie eines kontrollierten Anbaus und reine Substanzen, könnten jedoch nicht alleine stehen. Gerade als Suchtmediziner sehe er, "wie viele Probleme uns in Deutschland schon ein legales Rauschmittel, nämlich Alkohol, macht." In Anbetracht der individuellen und volkswirtschaftlichen Schäden, die durch missbräuchlichen und abhängigen Alkoholkonsum in der Gesellschaft angerichtet würden, könne man eigentlich nicht wünschen, dass ein weiteres Suchtmittel mehr oder weniger frei verfügbar sei. Die Entscheidung, ob die Gesellschaft dies tragen wolle, werde aber an anderer Stelle getroffen.

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