Waldfriedhof wird 100 Jahre alt: Ein Stück Schloß Neuhäuser Geschichte

Paderborn-Schloß Neuhaus. Bei einem Rundgang mit Michael Pavlicic wird schnell klar: Der Waldfriedhof in Schloß Neuhaus liegt dem Ortsheimatpfleger sehr am Herzen. Es sei ein ganz besonderer Ort mit bewegter Geschichte. Der Waldfriedhof ist am 2. November 100 Jahre alt geworden. Grund genug, um sich die Geschichte dieses besonderen Ortes im Paderborner Stadtteil Schloß Neuhaus vor Augen zu führen. Pavlicic ist Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen. Er hält im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des Friedhofs eine Festrede. Der Rundgang über den ältesten Teil des Friedhofs mit Pavlicic startet bei der Friedhofskapelle. Sie ist bereits 1919 eingeweiht worden, weiß er. Die Kapelle wurde ursprünglich auch als Kriegergedächtniskapelle erbaut, erkennbar an den Motiven der Bleiglasfenster. Sie ist die einzige Kapelle im Fachwerkstil der Stadt Paderborn. Dass es den Waldfriedhof gibt, verdankt Schloß Neuhaus dem Kaufmann und Stadtrat Josef Temme (1862-1929). "Mit was für einer Leidenschaft er da dran gegangen ist", sagt Pavlicic anerkennend. Von Beginn an sei es das Ziel Temmes gewesen, den Friedhof auch als Parkanlage und Naherholungsgebiet aufzubauen. Temme habe auch Gegenwind für sein Projekt erhalten. Pavlicic nennt in diesem Zusammenhang den Domkapitular Pfarrer Hermann Joseph Wurm, der einen kirchlichen und keinen kommunalen Friedhof wollte. Doch letztendlich konnte Temme sich durchsetzen. 80 Gedenkkreuze und Steine Eines seiner Hauptanliegen sei der Ehrenhain gewesen. Rund 80 Gedenkkreuze und Steine erinnern an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges. Ein weiteres Gräberfeld für die Gefallenen im Zweiten Weltkrieg gibt es seit 1958. Bevor die Besucherinnen und Besucher zum Ehrenhain kommen, sehen sie zwei Weltkugeln aus Stein. Sie sollen den Weltenbrand symbolisieren, verursacht durch die Kriege. Um diese Weltkugeln ranken sich Mythen: "Es hieß mal, dass in dem Stein ein Hohlraum ist, in dem Briefe der gefallenen Soldaten liegen", berichtet Pavlicic. Ob das wirklich stimmt, sei unklar. Was beim Rundgang auch auffällt: Es gibt viele Flächen für Urnenbestattungen. "Teilweise sind sie anonym, teilweise nicht. Auf jeden Fall werden sie immer stärker nachgefragt. Das hat sich in den vergangenen Jahren völlig verändert", berichtet Pavlicic. Mit Blick über verschiedene Gräber sagt der 65-jährige Ortsheimatpfleger: "Es ist schade, dass die Grabpflege mehr und mehr einen anderen Stellenwert erhält." Doch er könne an dieser gesellschaftlichen Entwicklung nichts ändern. Bevor der Gedenkstein von Josef Temme fotografiert wird, wischt Pavlicic einige Blätter vom Stein. "Ohne den Idealismus von Temme gäbe es diesen Ort nicht", sagt er. Unermüdlich habe Temme Geld gesammelt und erbettelt, um seine Vorstellungen umzusetzen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Waldfriedhofs ist der Kreuzweg. Die Holzreliefs der Stationen wurden 1920 in St. Ulrich von dem Tiroler Franz Martiner gefertigt. Es sind vier Doppelstationen und sechs Einzelstationen. Die Entwürfe für die gemauerten Stationen hatte Regierungsbaumeister Rubarth aus Godesberg angefertigt und die Stationen wurden in Schloß Neuhaus vom Bauunternehmer Siemen gebaut. Typisch für den Waldfriedhof ist der relativ dichte Bestand an Kiefern, die diesem Friedhof auch den Namen gab. Heute hat der Friedhof eine Gesamtgröße von 83.000 Quadratmetern mit 4.437 Gräbern. Auf dem Waldfriedhof finden jährlich circa 180 Beisetzungen statt.

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