Pläne sorgen für Wirbel: Windunternehmen will in die Ratspolitik

Paderborn. Für gewöhnlich sind Umbesetzungen von Stadtratsgremien eine eher lahme Sache. Doch manchmal steckt in ihnen auch Zündstoff. Für Wirbel sorgt, dass das Fraktionsbündnis FBI Freie Wähler/Volt gleich vier Mitarbeiter des Paderborner Unternehmens Westfalenwind als sachkundige Bürger in verschiedene Ausschüsse schicken möchte. Ratsmitglied Verani Kartum möchte für Volt neben Westfalenwind-Geschäftsführer Johannes Lackmann noch Daniel Saage und Sonya Harrison entsenden, Hartmut Hüttemann hat für die FBI Jan Lackmann, Sohn von Johannes Lackmann, auf dem Plan. "Diese Nummer setzt Vielem die Krone auf", sagt der CDU-Fraktionvorsitzende Markus Mertens - auch wenn es rechtlich in Ordnung sein mag. "Es ist ein echter Hammer, dass sich FBI und Volt trotz völlig verschiedener Meinungen zusammentun und sich mit vier Mitarbeitern eines großen regionalen Windkraftunternehmens verstärken. Zumal mit dem Flächennutzungsplan und der daraus resultierenden Windkraftplanung aktuell ein sehr wichtiger Punkt auf der Agenda stehe. "Die Personen Kartum und Hüttemann sind für mich ab sofort nur noch Hampelmänner, die von einem Unternehmen gesteuert werden", sagt Mertens. &bdquo;Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist moralisch richtig" Maximal irritiert ist die SPD. &bdquo;Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist moralisch richtig", sagt Fraktionschef Franz-Josef Henze. &bdquo;Auch wenn sie dort kein Stimmrecht besitzen, so sind sie doch im Zugriff auf öffentliche und nichtöffentliche Unterlagen." Das habe &bdquo;mehr als ein Geschmäckle". Es handele sich bei Windkraftthemen schließlich um einen kommunalpolitisch sehr stark diskutierten Bereich mit einer großen Lobby auf beiden Seiten. Die SPD-Fraktion appelliert an die neue Fraktion und die vorgeschlagenen Kandidaten, ihren Plan noch einmal zu überdenken. Sonst werde der Windkraft ein Bärendienst erwiesen. "Grundsätzlich wird man das nicht ablehnen können", sagt Grünen-Fraktionssprecherin Petra Tebbe. "Aber es erstaunt schon, dass es mehrere Akteure aus einem Unternehmen sind." Johannes Lackmann war selbst viele Jahre für die Grünen aktiv, bis er aus der Partei austrat. "Mir geht es um die Sache, Personen sind mir vollkommen egal" Westfalenwind-Geschäftsführer Johannes Lackmann ist für den Ausschuss für Umwelt, Klima und Mobilität sowie den Bezirksausschuss Schloß Neuhaus/Sande vorgesehen, Jan Lackmann (Geschäftsführer Planung) soll in den Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen, Konversion. Auf der Liste für den Wasserwerke-Aufsichtsrat steht Daniel Saage (Geschäftsführer Photovoltaik) und Sonja Harrison (Verbandsarbeit und Kommunikation) ist für Ausschuss für Märkte und Feuerwehr sowie die Arbeitsgruppe Rettungsdienst und Leitstelle eingeplant. Kartum und Hüttemann sehen keine Interessenskonflikte. Dass am Ende vier Westfalenwind-Akteure in die Ratsgremien entsandt werden sollen, sei allen Beteiligten vor 14 Tagen bei der Fraktionssitzung bewusst geworden. Johannes Lackmann sei schon im Wahlkampf für Volt präsent gewesen, sagt Kartum. Doch als Harrison und Saage in die Partei eintraten, habe er noch nichts von ihrem Arbeitgeber gewusst. Da man nicht an der Macht sei, sähe er keinen Interessenskonflikt. "Die anderen Parteien sollen erstmal abwarten und ihre eigenen Besetzungen im Blick haben", sagt Kartum. "Mir geht es immer um die Sache, Personen sind mir vollkommen egal." "Es ist unmöglich, die Interessen zu trennen" "Um Jan Lackmann habe ich schon seit Langem gebuhlt", sagt Hüttemann. Das sei unabhängig von Volt gelaufen. "Ich bin froh, dass die Lackmänner dabei sind, denn das ist hoher Sachverstand." Und in Fällen von Befangenheit dürften die ohnehin nicht abstimmen. Johannes Lackmann sei früher bei den Grünen gewesen und Jan Lackmann bei der FDP, da sei es kein Thema gewesen und jetzt werden Interessenskonflikte gesehen, so Hüttemann. "Das disqualifiziert Volt und FBI", sagt Hans-Hermann Juergens, Sprecher der Dahler Windinitiative. Besonders kritisch sei, dass es derzeit um den Flächennutzungsplan gehe, da sehe er einen direkten Zusammenhang. Juergens: "Es ist unmöglich, dass die Familie Lackmann öffentliche Interessen von Firmeninteressen trennt." "Wir sehen beim Flächennutzungsplan keinen Nachholbedarf" Politisches Engagement werde bei Westfalenwind, solange es sich im Spektrum der demokratischen Mitte befinde, aktiv gefördert, erklärte Johannes Lackmann auf Anfrage. Anhand der Besetzung der Ausschüsse lasse "sich zudem erkennen, dass es nicht darum geht, nur energiepolitische Themen zu bespielen, sondern allgemein gesellschaftspolitische Fragestellungen zu adressieren". &bdquo;Ich bin seit fast 30 Jahren Mitglied der Paderborner Feuerwehr, habe viele Jahre lang zu Libori auf der Bühne gestanden und bin mit vielen Akteuren dort gut vernetzt. Dieses Wissen will ich konstruktiv in den Ausschuss einbringen", erläutert Sonya Harrison ihr Engagement. &bdquo;Mit Blick auf die Windkraft haben wir schon mehrfach in der Vergangenheit betont, dass wir den Flächennutzungsplan der Stadt für ausreichend halten und keinen Nachholbedarf sehen", sagt Johannes Lackmann. Den gäbe es dafür aber in der Klimapolitik der Stadt Paderborn an vielen anderen Stellen. Insbesondere bei den Themen nachhaltige Wärmeversorgung und Verkehr brauche es dringend zukunftsfähige Konzepte. Die Rechtslage &bdquo;Der Bürgermeister äußert sich zur Personalpolitik der Fraktionen nicht", erklärt Katharina Multhaupt von der Stadt Paderborn auf Anfrage zu den Vorschlägen von FBI/Volt.Grundsätzlich können zu Ausschussmitgliedern neben Ratsmitgliedern auch sachkundige Bürger bestellt werden. Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein, in Paderborn wohnen und dürfen in ihrer Person keine sogenannte Inkompatibilität begründen. Etwa darf ein städtischer Mitarbeiter nicht dem Rat angehören, so Multhaupt. Die Berücksichtigung sachkundiger Bürger schaffe die Möglichkeit, &bdquo;in den Ausschüssen Erfahrung und Sachverstand von Bürgern zu nutzen, die kein Ratsmandat innehaben". Im Rahmen ihrer Ausschusstätigkeit sind sachkundige Bürger und Ratsmitglieder gleichberechtigt, sie sind entweder stimmberechtigt oder nur beratend tätig. Bei der Bildung der Ausschüsse und ihrer Besetzung sind je nach Größe des Ausschusses alle Fraktionen oder nur ein Teil mit Ratsmitgliedern und/oder sachkundigen Bürgern stimmberechtigt vertreten. Die nicht stimmberechtigt vertretenen Fraktionen haben das Recht, ein beratendes Mitglied (Ratsmitglied oder sachkundiger Bürger) zu entsenden.Sachkundige Bürger haben Zugriff auf alle Informationen ihres Ausschusses, sind aber auch zur Verschwiegenheit verpflichtet.

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