Paderborn Uni Paderborn plant zweites Gründerzentrum auf ehemaligen Kasernen-Gelände

Paderborn. Töpfe gibt es seit Anbeginn der menschlichen Zivilisation. Und trotzdem hat Florian Unruhe das praktische Kochwerkzeug gerade noch einmal neu erfunden - für die Nutzung auf Induktionsherden in einer klimafreundlichen Energiesparvariante. Er sagt: "Damit geht beim Kochen kaum noch Wärme verloren und das Essen bleibt stundenlang warm." Sein Isotopf ist innen aus Edelstahl und außen aus Biokunststoff. Inzwischen kann man die ersten Exemplare über die Webseite seines Start-up "Relity" sogar kaufen. Und ein großer ostwestfälischer Küchengerätehersteller ist interessiert. Der neue Topf könnte also ein Hit werden - den umweltbewussten Zeitgeist trifft er sowieso. Florian Unruhe, der an der Universität Paderborn Elektrotechnik studiert hat, musste eine Weile tüfteln bis der richtige Materialmix für die Isolierschicht gefunden war. Nötig war dazu ein spezieller 3-D-Drucker. Den baute er sich selbst. Versuch und Irrtum - die klassische Vorgehensweise von Forschern und Erfindern. Schneller zu einem vorzeigbaren Prototypen gekommen wäre der angehende Jungunternehmer, wenn die technischen Voraussetzungen dafür schon dort vorhanden gewesen wären, wo Unruhe auch sein Büro hat und wo ihm bei seiner Existenzgründung geholfen wird: Im Start-up-Zentrum Garage 33 im Paderborner Technologiepark. Doch genau dieses Manko, dass nämlich Prototypen vor Ort nicht oder nur schwer herstellbar sind, ist für Paderborner Existenzgründer bald kein Hemmnis mehr. Sie sollen ihren Makers Space bekommen. So heißen solche Versuchsstände in der Start-up-Szene. Wie steigert man die Lust aufs Gründen? Die Idee dahinter hängt mit der gezielten Förderung von Existenzgründungen an sich zusammen. Die Lust auf die Umsetzung eigener Ideen im eigenen Unternehmen gilt als eine der Triebfedern ökonomischen Wachstums. Gerade im stark von der IT-Branche geprägten Paderborn. Doch wie steigert man die Lust aufs Gründen? An der Universität Paderborn gibt es dazu konkrete Vorstellungen. Und einen Masterplan, der zu einer der großen Herausforderungen passt, denen sich die Stadt Paderborn gerade gegenüber sieht: Nämlich der zivilen Nachnutzung der riesigen, über das ganze Stadtgebiet verteilten Flächen, die bis vor Kurzem den britischen Truppen vorbehalten waren. Für ihr neues Start-up-Zentrum hat sich die Universität Paderborn nämlich rund einen Hektar der insgesamt über 80 Hektar großen Fläche der ehemaligen Barker-Kaserne im Osten der Kernstadt gesichert. Sie liegt verkehrsgünstig direkt am vierspurigen Berliner Ring. Bereits Ende nächsten Jahres soll es nach den Plänen der Uni, die selbst Bauherrin ist, fertig sein. Zuschüsse in Höhe von rund 20 Millionen Euro sind zugesagt. "Regionale 2022" heißt das Zauberwort, das unter der Überschrift &bdquo;Das neue UrbanLand" Fördermittel des Landes aus Mitteln des Europäischen Strukturfonds EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) in Richtung Ostwestfalen-Lippe lenkt. Wie teuer das Projekt insgesamt wird und wie viele Eigenmittel der Uni hineinfließen, ist derzeit nach Angaben der Universität noch nicht vollständig klar - noch laufe das Ausschreibungsverfahren. Kooperation mit Hochschulen der Region Das geplante Start-up-Zentrum unter dem abstrakt klingenden Namen Akzelerator OWL, also Beschleuniger, ist als Ausbau der Garage 33 gedacht. Diese stößt im Technologiepark auf insgesamt 2.500 Quadratmetern in inzwischen schon zwei Gebäuden bereits nach vier Jahren an ihre Grenzen und wird komplett an den Berliner Ring umziehen. Die Einrichtung gehört zum Technologietransfer- und Existenzgründungscenter der Universität. Gründergeist soll von dort nicht nur über die Hörsäle der nahen Uni in die Köpfe möglichst vieler Studierender fließen. Vielmehr wird Jungunternehmern gezielt mit Expertise und finanzieller Förderung unter die Arme gegriffen, damit sie ihre Ideen am Markt verwirklichen können und dann auf eigenen Füßen stehen. "In den vier Jahren haben die Startups der Garage 33 rund 300 Arbeitsplätze geschaffen. Derzeit betreuen wir 54 Teams, davon 25 vor Ort", sagt Sebastian Vogt, Wirtschaftswissenschaftler und TecUP-Geschäftsführer. Als Honorarprofessor für Entrepreneurship an der Fachhochschule Bielefeld zählt er auch auf Kontakte in die Region für das Akzelerator-Projekt. Eingebunden wird neben der FH Bielefeld auch die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Ihre jeweiligen Start-up-Schwerpunkte sollten sich ergänzen, sagt Vogt, und somit die Gründungsregion in enger Kooperation mit der Wirtschaft ins Licht rücken. Johannes Schnurr, Sprecher der Universität Paderborn sagt: "Wir zeigen damit, dass Wissenschaft mitten in der Gesellschaft steht und einen starken Beitrag für uns alle leistet." Werkstätten für fünf Bereiche "Vom Akzelerator erwarten wir nun einen weiteren Schub", sagt Vogt. Ziel seien 100 erfolgreiche Start-ups nach fünf Jahren - und 20.000 Studierende, die konkret mit Wissen übers Existenzgründen versorgt sind. Dazu soll es auf 7.000 Quadratmetern, also fast dem Dreifachen der Fläche der Garage 33 heute, nicht nur jede Menge Platz für die Startup-Teams geben, sondern eben auch eine rund 1.000 Quadratmeter große Versuchshalle, den Makers Space. Vogt: "Dort soll es Werkstätten in den Bereichen Elektrotechnik, Holzverarbeitung, Schweißen, 3-D-Druck und für den Bereich IOT geben, also alles, was unter das ,Internet der Dinge' fällt." Derzeit laufe auch die Suche nach fachkundigem Personal für die Maschinen in den Werkstätten. Insgesamt plant man bei der Garage 33 mit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Akzelerator OWL. Worauf sich aber nicht nur Vogt, sondern auch die Teams der Garage momentan am meisten freuen, ist der Austausch unter einem Dach. "Man profitiert enorm, wenn man für Fragen nur ein paar Türen weiter gehen muss", berichtet Florian Unruhe. Und einen zentralen Kaffeeautomaten als informellen Treffpunkt. Schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie hatten viele Teams wegen eines Wasserrohrbruchs im Gebäude ihre Arbeit ins Homeoffice verlegen müssen, so dass der spontane Austausch nun schon eine ganze Weile fehlt. Grundsätzlich habe wegen der Pandemie jedoch noch kein Start-up-Team aufgeben müssen, berichtet Sebastian Vogt - auch weil Förderzeiträume verlängert worden seien. Einige hätten es zweifellos schwerer, andere profitierten jedoch auch von der stärkeren Nachfrage vor allem nach ihren Digitalisierungsideen.

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