Die Partei - was wollen die Satiriker im Paderborner Stadtrat erreichen?

Paderborn. Sie verkörpern den größten Überraschungserfolg bei den letzten Kommunalwahlen: Mit Kevin Dierkes (23) und Pierre Schelper (30) sitzen erstmals auch zwei Vertreter der Satire-Partei "Die Partei" im Paderborner Stadtrat. Sie bekam 1.485 Stimmen, das entspricht 2,67 Prozent. Bisher fielen die Neulinge in den ersten beiden Sitzungen lediglich dadurch auf, dass sie statt an Wasser oder Kaffee zwischendurch an Bierflaschen nuckelten. Das passe doch gut zum Tagungsort, dem Schützenhof, sagen sie. Und dass das Konzept noch ausbaufähig sei. So denke man aktuell passend zur Jahreszeit über Glühwein in Thermosflaschen nach. Nehmen die Zwei - beide sind Informatiker, der eine studiert noch, der andere arbeitet in einer öffentlichen Einrichtung - die Ratsarbeit womöglich also gar nicht wichtig und bestätigen damit das Vorurteil, das viele von der Satirepartei pflegen? "Doch, doch, wir nehmen Politik schon ernst", sagt Pierre Schelper, der auch Vorsitzender des Paderborner Kreisverbandes ist. Er legt Wert auf die Feststellung, dass man die Demokratie nicht verhöhnen wolle und sagt: "Wenn normale Politik immer satirischer wird, müssen wir um so politischer werden." Wortreiche, aber im Grunde doch substanzlose Vorträge anderer Ratsvertreter ordnet Schelper in die Rubrik Realsatire ein und folgert daraus: "Die Satire sollten andere lieber uns, den Fachleuten dafür, überlassen." Leitstern ist Satiriker Martin Sonneborn Die selbst ernannten Fachleute für Satire wiederum setzen bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit zielgruppengerecht aufs Internet und orientieren sich am Leitstern Martin Sonneborn. Der machte sich als Chefsatiriker der Zeitschrift Titanic zwischen 2000 und 2005 einen Namen und treibt nun schon seit 2014 im Europaparlament seine hintersinnigen Späße. Die Titanic bezeichnen Scheper und Dierkes, der Fraktionsvorsitzender im Rat ist, als ihr Parteiorgan. Die Partei sei streng basisdemokratisch, aber führungsorientiert. So wie in dieser Selbst-Charakterisierung ist es das Spiel mit den scheinbar unvereinbaren Gegensätzen, die sich als Worthülsen entpuppen, das man immer wieder auf die Spitze treibt. Sie sind die Narren, die dem selbstverliebten Politikbetrieb von Wichtigtuern den Spiegel vorhalten. Überrascht vom Erfolg "Momentan sind wir kommunalpolitisch noch in der Orientierungsphase", gibt Kevin Dierkes zu. Im Grunde sei man vom großen Wahlerfolg im ganzen Land überrascht (im benachbarten Schlangen erreichte die Liste der Partei sogar mehr als 13 Prozent und stellt jetzt einen stellvertretenden Bürgermeister). Entsprechend seien die Wahlkampfkosten mit 95 Cent pro Wählerstimme in Paderborn überschaubar gewesen. Beide Neulinge bezeichnen sich aber als nicht ganz unvorbereitet auf die nun bevorstehende im Grunde mühsame kommunalpolitische Arbeit. Dennoch haben sie ziemlichen Respekt vor den vermutlich 400 Seiten Haushaltsentwurf für das nächste Jahr, die sie in Kürze durchackern dürfen. Dazu kommen regelmäßig die dicken Unterlagen für die drei Ratsausschüsse Haushalt und Finanzen, Bauen und Planung sowie Umwelt und Klima. Schelper sagt denn auch: "Wie lange diese Orientierungsphase dauert und welche Themen sich dann zum Beispiel für eigene Anträge heraus kristallisieren, müssen wir mal sehen." Vertreter der extremen Mitte Es wird sich also erst noch zeigen, wie man Kommunalpolitik aus der luftigen Perspektive von Satirikern betreiben kann. Was ist überhaupt, wenn Satiriker sich konkret für oder gegen etwas so Profanes wie einen neuen Bebauungsplan entscheiden müssen? Wofür stehen die beiden wirklich? "Wir vertreten die extreme Mitte", antwortet Pierre Schelper mit einer seiner rätselhaften Pointen und spielt damit darauf an, dass in der jungen Partei frühere Sympathisanten oder auch enttäuschte Mitglieder fast aller anderen Parteien vertreten seien. Man werde sich auf jeden Fall an humanistischen Grundsätzen orientieren, an Kosten und Nutzen für konkrete Gruppen, man verstehe sich durchaus als Vertreter des Volkes, fügt Schelper auf Nachfrage dann doch konkret werdend hinzu. Wobei die Wählerschaft in Paderborn wohl eher aus jungen Leuten bestanden habe. Insofern bleibe abzuwarten, wie zum Beispiel die junge Bewegung der Fridays for Future auf die Zusammenarbeit von Grünen mit der CDU auf die Dauer reagiere. Schelper: "Viele Progressive sind jedenfalls jetzt schon eher enttäuscht."

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