Corona-Pandemie verschlechtert die Lage für Obdachlose in Paderborn

Paderborn. Seit Wochen steigen die Corona-Infektionszahlen. Fast jeder kennt inzwischen jemanden, der erkrankt oder wegen des Kontaktes mit Infizierten in Quarantäne steckt. In einer sehr kleinen Gruppe hat sich das Virus offenbar noch nicht ausgebreitet. "Unter den Obdachlosen gibt es in Paderborn bis jetzt keinen einzigen nachgewiesenen Fall. So viel ich weiß, in ganz OWL nicht", sagt Joachim Veenhof, Geschäftsführer des Katholischen Vereins für Soziale Dienste (SKM). "Ein Fall ist mir auch nicht bekannt, aber ganz auszuschließen ist das nicht. Eine Infektion kann auch symptomlos vonstatten gehen", relativiert André Rusch, seit Anfang November Geschäftsführer von KIM - Soziale Arbeit. Beim SKM wird im konkreten Verdachtsfall getestet und auch bei KIM ist man in Gesprächen über Schnelltests für Mitarbeiter und Klienten. Infiziert sich ein Obdachloser, kann er die Zeit der häuslichen Quarantäne im leer stehenden Haus Pigal an der Kulturwerkstatt isoliert verbringen. Bislang ist das Gebäude, das seit Pandemie-Beginn im Frühjahr für diesen Zweck bereit steht, allerdings erst in zwei anderen Fällen zum Einsatz gekommen. Ein junger Wohnungsloser musste nach seiner Rückkehr aus Spanien zwei Wochen in Quarantäne verbringen, eine junge Frau die Wartezeit bis zu ihrem Testergebnis, bevor sie in einer stationären Hilfeeinrichtung aufgenommen wurde. Mal ein Brötchen auf die Hand statt warmes Mittagessen Die Corona-Pandemie macht das Leben für Obdachlose - und für ihre Helfer - schwieriger. Das B2 Streetwork von KIM bietet den meist Drogenabhängigen Schlafplätze und Toiletten sowie Wasch- und Desinfektionsmöglichkeiten. "Sie sind hier besser aufgehoben und geschützter", sagt André Rusch. Aber auch das B2-Café musste angesichts der Pandemie-Auflagen Öffnungszeit und Essensausgabe einschränken, verteilt jetzt mal ein Brötchen auf die Hand und ein warmes Getränk, kann aber nicht mehr so viele Bedürftige versorgen wie zuvor. "Es besteht die Gefahr, dass wir über Jahre aufgebaute Kontakte zu den Menschen verlieren", konstatiert André Rusch. Weitere Schlafplätze werden benötigt 20 Schlafplätze gibt es im B2, doch immer wieder müssen Obdachlose abgewiesen werden. Wer leer ausgeht bekommt nach Möglichkeit Schlafsack und Isomatte für die Nacht im Freien, wo es jetzt zunehmend kalt und nass wird. "Der Bedarf ist da. Wir bräuchten zehn Schlafplätze mehr", unterstreicht Rusch die Pläne seiner Vorgänger. Etwa zehn Obdachlose pro Nacht schlafen aktuell in der städtischen Übernachtungsstelle, die vom SKM betreut wird. Normalerweise ist dort Platz für 25 Leute, unter den aktuellen Corona-Bedingungen sind es aber nur 13 bis 15 Betten, weil jeder ein Doppelzimmer bewohnt. Mit Blick auf die sinkenden Außentemperaturen sowie das kursierende Corona-Virus, aber auch noch aus einem anderen Grund schaut Joachim Veenhof kritisch auf die nächsten Monate. Es gibt immer mehr Systemsprenger "Es gibt zwar seit Jahren die Tendenz, dass mehr jüngere und mehr weibliche Obdachlose kommen. Aber Corona hat das verstärkt", sagt der Sozialarbeiter. Das gelte auch für die steigende Zahl derer mit auffälligen psychischen Störungen, sogenannte Systemsprenger. Diese Gruppe sei sehr herausfordernd, halte sich nicht an Regeln in Unterkünften und schlafe aktuell draußen. "Waren es früher einer oder zwei, sind es heute heute sieben, acht." Sie bringen das Hilfesystem an die Grenzen. Seit Ausbruch der Pandemie seien Kliniken umstrukturiert, Zugänge zu Jobcentern und Gerichten eingeschränkt und verändert worden. Digitale Beratungstermine überforderten die psychisch Kranken aber ebenso wie eine regelmäßige Medikation. "Wir brauchen Lösungen für diese Menschen. Sie benötigen eine intensive Begleitung", spricht Jochen Veenhof von einer "Riesenherausforderung". Das Hilfesystem müsse an verschiedenen Stellen ausgebaut werden, auch damit weniger Menschen auf der Straße landeten. Seit Pandemie-Beginn, mutmaßt Veenhof, sei die Zahl von damals rund 50 Obdachlosen im Stadtgebiet "definitiv überproportional zur Vor-Corona-Zeit gestiegen".

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