"Letzte Runde": Ein Gang durch Paderborner Kneipen vor dem zweiten Lockdown

Paderborn. &bdquo;Together we will survive!" singt Sister Sledge aus den Lautsprechern, als Simone Schneider zwei Stammgästen Weizenbiere serviert. Hier im Sputnik ist an diesem Samstagabend noch eine Handvoll von ihnen vorbeigekommen. Es ist der letzte Abend bevor alle Gastronomiebetriebe und Kultureinrichtungen pandemiebedingt für einen Monat schließen müssen. Schneider blickt diesmal gelassener auf die kommenden Wochen, als beim Lockdown im Frühjahr: &bdquo;Wir nehmen das hier schon sehr ernst. Mit der neuen Regelung können wir gut leben." Für Fixkosten haben Kneipen- und Restaurantbesitzer einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 75 Prozent der Einnahmen des vergangenen Novembers. Sorgen mache sie sich deshalb mehr um Künstlerinnen und Künstler, die besonders schwer von der Krise betroffen seien. &bdquo;Jetzt wird wieder eine Vollbremsung gemacht. Das war absehbar." Die große Gefahr sei die Gewöhnung der Menschen an den Umgang mit diesem Virus. Durch die Presse und Mail-Verteiler der Branche sei sie aber immer gut über aktuelle Hygienebestimmungen informiert gewesen und habe alle Anweisungen umgehend umgesetzt. &bdquo;Wir haben auch relativ vernünftige Gäste", merkt sie zufrieden an als sie zwei Neuankömmlinge auf die Maskenpflicht hinweist. "Was für uns kleinen Kneiper gemacht wird, das ist schon 'ne Masse" Ähnlich gelassen blickt auch Bernhard Queren auf den November. Er ist seit über 20 Jahren Eigentümer der Kneipe Bei Bernie in der Riemekestraße. &bdquo;Irgendwie muss man ja dagegen angehen", sagt der 67-Jährige. Für Kritiker der neuen Regelung für die Gastronomie bringt er angesichts der Ausgleichszahlungen nur wenig Verständnis auf: &bdquo;In keinem Land der Welt bekommen die das - nur bei uns! Was für uns kleinen Kneiper gemacht wird, das ist schon 'ne Masse. Ich finde das sehr, sehr kulant!" Ohne Fußballübertragungen sei seine Kneipe ohnehin während der Pandemie nicht voll ausgelastet. Für die Gastronomiebetriebe am Kamp könne es aufgrund hoher Mieten und dem Wegfall der Einnahmen durch Libori schwierig werden, so Queren. Als Teil der altersbedingten Risikogruppe appelliert er jedoch an die Solidarität und Mitwirkung der Gesamtbevölkerung. Es sei wichtig, die Maskenpflicht und Abstandsgebote während der Pandemie konsequent in seinem Alltag einzuhalten. &bdquo;Wir sind ein bisschen ein Land von Egoisten geworden." Ihre Stammkneipe werden seine Gäste vermissen, bringen für die Schließung aber Verständnis auf. &bdquo;Wir wollten auf jeden Fall nochmal ein Bier zusammen trinken" Anders sehen es die Gäste im Lenz. Der Verzicht auf ihre Stammkneipe sei für sie nur schwer verkraftbar. Hygienekonzepte seien hier eingehalten worden und Cluster laut einer Statistik des RKI ohnehin besonders im privaten Bereich und weniger in der Gastronomie festgestellt worden, sagen sie. Laut RKI sind die Ergebnisse der Studie jedoch auf Verzerrungen zurückzuführen, die mit der schwierigen Zurückverfolgung von Clustern im öffentlichen Raum und der geringen Datenlage begründet werden. Nur ein Viertel aller Infektionen könne zurückverfolgt werden - Tendenz sinkend. Am einfachsten gelingt dies in Wohnstätten. Lenz-Inhaber Olaf Gieseke erklärt: &bdquo;Jeder, der ein bisschen vernünftig ist und die Presse verfolgt, sieht ja was passiert." Die kommende Schließung aller Gastronomiebetriebe in Kombination mit Ausgleichszahlungen findet er deshalb fair. Einige Meter weiter befindet sich Hops Bierbar. Fast alle Tische sind hier heute besetzt. Die Musik läuft auf voller Lautstärke. &bdquo;Wir wollten auf jeden Fall nochmal ein Bier zusammen trinken", begründet eine Gruppe am Fenster ihren heutigen Besuch zusammen. Weiter hinten haben sich britische Touristen eingefunden. Es ist einer der wenigen Tische, an dem an diesem Abend der Mund-Nasen-Schutz auch am Platz getragen wird. &bdquo;Corona ist ernst. Wir gehen sehr gerne gemeinsam etwas trinken, aber es gibt Dinge, die deutlich wichtiger sind als Bier." Auch in Großbritannien wird ab der kommenden Woche ein ähnlicher Lockdown verordnet. Die Briten hoffen, dass damit rechtzeitig zu Weihnachten ein bisschen mehr Normalität möglich ist. Für ein gemeinsames Abschlussfoto wird aber auch hier ausnahmensweise die Maske abgenommen. Wegen der baldigen Sperrstunde wird Kundschaft abgewiesen Einige Fußball-Fans verweilen nach der Übertragung noch eine halbe Stunde vor Schluss nebenan im Globetrotter. Gedanken darüber, dass Kneipen bald wieder geschlossen bleiben, erzeugen bei ihnen Unverständnis: &bdquo;Wie das RKI schon richtig gesagt hat, sind Gastronomiebetriebe keine Treiber der Infektionen. Dass die Betriebe, die mitunter schon sehr gute Hygienekonzepte haben, jetzt dafür betraft werden, finde ich durchaus zweifelhaft", erklärt ein Gast. &bdquo;Warum Restaurants und Bars genau gleichbehandelt werden, kann ich auch nicht ganz nachvollziehen", ergänzt sein Sitznachbar, während am Eingang wegen der baldigen Sperrstunde bereits neue Kundschaft vom Personal abgewiesen wird. In der Akka in der Giersstraße sitzen einige Gäste um halb elf noch dicht gedrängt, andere begeben sich auf den Heimweg. Auch Tommy, der Besitzer mit den langen grauen Haaren, ist heute wieder hier. Er beklagt, dass die Politik früher auf wissenschaftliche Erkenntnisse eingehen und bereits im Sommer Maßnahmen eingreifen müssen, um eine zweite Infektionswelle und eine absehbare Überlastung der Gesundheitsämter zu verhindern. Die gesamte Kultur-, Theater- und auch Gastronomiebranche sei von den Auswirkungen der Pandemie besonders hart betroffen. &bdquo;Dass jetzt die Maßnahmen ergriffen werden müssen, ist einsichtig, aber es wird wirklich Flickschuster-mäßig gearbeitet." Er hofft auf eine Sonderregelung für seinen Betrieb, weil er die Bar erst zu Jahresbeginn übernommen hat und somit im vergangenen Jahr noch keine Umsätze vorweisen kann. An diesem Sonntag wird das Akka ein letztes Mal öffnen. Danach heißt es für ihn und viele andere Kneipenbesitzer: abwarten.

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