Paderborner Händler vertreibt medizinisches Cannabis in ganz Deutschland

Paderborn. Seit etwa dreieinhalb Jahren ist es Ärzten in Deutschland erlaubt, Cannabis auf Rezept zu verschreiben. Es soll helfen, etwa bei chronischen Schmerzen oder Appetitlosigkeit und Erbrechen. Ein Unternehmen aus Paderborn hat sich in dieser Zeit nach eigenen Angaben zu einem der größten Händler mit medizinischem Cannabis in Deutschland entwickelt. Gegründet wurde 420 Pharma 2018. Inzwischen hat das Unternehmen 16 Mitarbeiter. Geschäftsführer Thomas Schatton sagt, er sei eigentlich IT-Unternehmer gewesen. Als Cannabis auf Rezept erlaubt wurde, sei ihm klar gewesen, dass sich für diesen Bereich ein Markt entwickeln würde. Angefangen habe 420 Pharma dann damit, Produkte aus den Niederlanden zu vertreiben. "Aber so konnten wir nicht wachsen, wir wollten eine eigene Marke", sagt Schatton. Deshalb wurde ein internationales Lieferabkommen mit einem kanadischen Hersteller vereinbart. 1,2 Tonnen medizinisches Cannabis sollen allein 2021 importiert werden. Seit September vertreibt 420 Pharma eine eigene Cannabismarke. Die neuen Produkte zeichneten sich dadurch aus, dass sie keiner Bestrahlung unterzogen würden - das böten in Deutschland nur wenige Händler an. "Unser Anspruch besteht darin, die pharmazeutisch höchsten Qualitätsstandards konsequent einzuhalten", sagt Schatton. Drei Mal wird das Cannabis geprüft Drei Mal werde das Cannabis bis zum Verkauf geprüft: Das erste Mal in Kanada, dann würden Stichproben der Charge an ein Labor in Deutschland geschickt. An sterilen Laborarbeitsplätzen werde das Cannabis am Standort in Paderborn sortiert, gereinigt und endverpackt. In vakuumierten Aluminiumbeuteln in verschiedenen Größen wird es an Apotheken in ganz Deutschland verschickt. Zuvor würden auch davon noch einmal Stichproben auf Reinheit, THC-Gehalt und Qualität untersucht. Mit dem Cannabis, das man beim Dealer an der Straßenecke kaufen könne, habe das nichts gemeinsam. "100 Prozent der Straßenware würde bei unseren Prüfungen durchfallen", sagt Schatton. Der Markt für medizinisches Cannabis wird streng reguliert und kontrolliert. Informationen zu den Produkten dürfen beispielsweise nicht einfach auf der Homepage beworben werden, sondern nur an Fachpersonal wie Ärzte und Apotheker weiter gegeben werden. Schatton: "Das ist auch richtig so, denn unsere Produkte sind Arzneimittel und kein Freizeitvergnügen." Besondere Sicherheitsvorkehrungen gelten deshalb auch im Unternehmen selbst. Das Cannabis wird in einem großen Tresor gelagert, jede Tür ist mit Alarmanlagen gesichert, jeder Raum wird videoüberwacht. "Einmal hatten wir einen Fehlalarm - innerhalb einer Minute war die Polizei vor Ort", sagt Schatton. Viele Ärzte sind noch skeptisch Dass die Nachfrage nach medizinischem Cannabis steigt, belegen Zahlen der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Demnach ist die Zahl von Cannabis-Verordnungen für gesetzlich Krankenversicherte im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um 56 Prozent auf mehr als 210.000 gestiegen. Dennoch sind viele Ärzte nach Schattons Erfahrungen noch verunsichert. "Viele sind medizinischem Cannabis gegenüber sehr offen, viele aber auch skeptisch", sagt er. Seit März 2017 erlaubt eine Gesetzesänderung die Verschreibung. Eine konkrete Indikation schreibt das Gesetz allerdings nicht vor, was bei vielen Medizinern für Verunsicherung sorge. Die Techniker Krankenkasse hat 2019 die Studienlage analysiert und kommt zu dem Ergebnis, dass etwa chronische Schmerzen, Spastizität bei Multipler Sklerose, Epilepsie, Übelkeit und Erbrechen nach einer Chemotherapie und Appetitsteigerung bei HIV/Aids denkbare Anwendungsbereiche für eine Therapie sein könnten. Cannabis kann oral eingenommen oder inhaliert werden. Der Vorteil beim Verdampfen: Es entstehen keine potenziell schädlichen Stoffe wie beim Rauchen. Aus diesem Grund vertreibt 420 Pharma bereits Vaporizer. Demnächst soll ein neues Modell die Marktzulassung bekommen, das eine genaue Dosierung messen könne, weil dies nach Schattons Erfahrung bisher noch eine Schwierigkeit für Ärzte darstelle.

Meistgelesen