Scheidender Bauern-Sprecher: „Landwirte im Kreis haben eine Zukunft“

Kreis Paderborn. Er ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine der prägenden Figuren der Landwirtschaft im Kreis Paderborn: Johannes Giesguth (66) aus Haaren gibt nach 24 Jahren sein Amt als Kreislandwirt ab. Am Donnerstag, 22. Oktober, wird bekannt, wer bei der Nachfolgewahl für die so genannte Kreisstelle die meisten Stimmen erhält. Das Gremium wählt intern den Giesguth-Nachfolger dann am 12. November. Kurz vor Ende seiner Amtszeit sagt Giesguth, wie es um die Bauern im Kreis Paderborn steht. Herr Giesguth, ist die Funktion eines Kreislandwirts heute noch wichtig?Johannes Giesguth: Es ist ein Ehrenamt mit viel Erfahrung aus der Praxis. Entscheidungen habe ich immer nach meinen persönlichen Einschätzungen getroffen und wünsche meinen Nachfolgern, dass sie das ebenfalls schaffen und sich nicht allzu sehr leiten lassen. Wichtig ist die Rolle, um unseren Berufsstand nach außen zu vertreten und auch, um dem Kreis Paderborn in der nordrhein-westfälischen Landwirtschaft eine Stimme zu geben. Zudem ist es wichtig, in die Landwirtschaft hinein zu vermitteln. Wie steht die Landwirtschaft des Kreises im Vergleich zu anderen Regionen in NRW da?Giesguth: Wir haben eine Vielfalt zu bieten. Zum einen die Produktion von Nahrungsmitteln in einer Qualität, wie es sie noch nie gab. Zudem leben wir in einer wunderschönen Region, deren Kulturlandschaften von den Landwirten gepflegt werden. Die Hälfte des Kreisgebiets ist landwirtschaftliche Fläche. Und zusätzlich sorgen Bauern für erneuerbare Energien durch Windkraft, Photovoltaik und Biomasse. Im Landesvergleich können wir uns sehr gut sehen lassen. Die Tierhaltung spielt im Kreis eine wichtige Rolle. Ist sie zukunftsfähig?Giesguth: Viele Bauern haben sich in den letzten Jahren fit gemacht für die Tierhaltung und damit ihre Zukunft gesichert. Es gäbe weniger Höfe, wenn sich nicht viele für diesen Weg entschieden hätten. Dennoch hat es auch hier ein Höfesterben gegeben.Giesguth: Ja, leider. Mit jedem Hof stirbt Vielfalt. Es gehen Gesichter und Institutionen verloren. Auch das führt schleichend zu einer Entfremdung zwischen Bauern und Verbrauchern, die uns heute zu schaffen macht. Als ich 1996 das Amt angetreten habe, gab es im Kreis 3.200 Betriebe, heute sind es noch etwa 1.500. Wie hat sich das auf die landwirtschaftliche Fläche ausgewirkt?Giesguth: Sie ist nur etwas kleiner geworden, aber die Nachfrage nach Fläche ist derzeit enorm. Weil sie für Bauvorhaben und als Ausgleichsfläche benötigt wird. Ich bin mir nicht sicher, ob man den Ausgleich so weiter fortführen muss. Bauernproteste haben vor der Pandemie viele ihrer Berufskollegen auf die Straße gebracht. Warum sind viele Landwirte sauer?Giesguth: Es frustriert, dass manche so wenig Verständnis und Wertschätzung für das haben, was wir mit unserer Arbeit leisten. Woher kommt das Ihrer Meinung nach?Giesguth: Es spielt eine Rolle, dass der Berufsstand immer kleiner wird. Nach dem Krieg war rund ein Drittel der Deutschen in der Landwirtschaft beschäftigt, heute noch 1,5 Prozent. Obwohl die Wirtschaftskraft der Landwirtschaft immens ist, wird die Bedeutung oft nicht gesehen. Wenn im Supermarkt die Produkte immer billiger sind, schwindet damit die Wertschätzung für unsere Arbeit. Sauer sind viele Bauern auch auf die Politik...Giesguth: Früher hatten politische Beschlüsse eine längere Gültigkeit. Heute wird oft über Nacht vieles über Bord geworfen. Immer wieder kommen neue Vorschriften. Bis 2013 galt ein Programm, wie Ställe modernisiert werden konnten. Genau diese Ställe sind bald schon nicht mehr gesetzeskonform. Das trifft die Tierhalter besonders hart. All diese Vorschriften lassen Bauern resignieren. Lohnt sich die Landwirtschaft im Kreis Paderborn noch?Giesguth: Wenn es sich nicht mehr lohnt, sieht man das am Höfesterben. Dennoch bin ich der Ansicht, dass wir eine Zukunft haben. Es gibt so viele Sparten wie Direktvermarktung, den Anbau von Saisongemüse, Ackerbau oder Viehzucht. Viele Kollegen sind innovativ. Wenn die Weltbevölkerung ernährt werden soll, muss die Produktion dort gesteigert werden, wo das Klima es zulässt. Zu dieser Zone zählen wir auch. Ich hoffe, dass die Bauern nicht den Mut verlieren, pfiffig bleiben und um ihre Betriebe kämpfen. Ich hoffe, dass diese Gesellschaft es nicht schafft, den Landwirten allen Mut zu nehmen. Funktionieren denn bald nur noch große Höfe?Giesguth: Der Strukturwandel wird weitergehen. Aber Größe ist nicht unbedingt die Rettung. Erstmal geht es um die Qualität der Produkte, dann kommt die Größe. Doch sie bedeutet auch größeres Risiko. Im Kreis Paderborn machen bäuerliche Familienbetriebe noch die Mehrheit aus – und sie haben die Krisen am besten überstanden. Wie können Landwirte in Zukunft besser für sich werben?Giesguth: Man muss zuhören und sachlich diskutieren. Das gilt für viele Teile der Gesellschaft und damit auch für die Landwirtschaft. Welche Aufgaben kommen auf Ihre Nachfolger zu?Giesguth: Wichtig ist, die Landwirtschaft in allen Belangen zu vertreten. Dazu gehört auch, Institutionen in der Region zu halten. Die Außenstelle der Kammer und die Ausbildung im Gregor-Mendel-Berufskolleg müssen als &bdquo;Grünes Zentrum" in Paderborn bleiben. Zudem müssen wir weiter viel informieren. Aber man darf sich als Landwirt auch nicht verkaufen.

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