Paderborn

Erwin Grosches Gedanken: Es wird Herbst

Der Kabarettist, Autor und Kleinkünstler schreibt in seiner Kolumne über seine Gedanken zum Herbst.

Macht sich Gedanken: Erwin Grosche.
| © Harald Morsch

01.08.2020 | 01.08.2020, 15:12

Heute stand der Pflaumenkuchen von Hans-Josef Mertensmeyer vor der Haustür. Wie plötzlich der Herbst gekommen ist. „Libori nimmt das Licht", sagte Herr Weyher immer. Und tatsächlich ist nach Libori die Luft raus aus dem Jahr. Das Korn ist gemäht, die Blumen lassen ihre Köpfe hängen und sogar die Bremsen sind verschwunden.

Im Grunde hat sich in der Liboriwoche schon entschieden, ob wir als Großstadt wachsen werden oder nicht. Der Trend geht zum Zweitschlafzimmer. Die Möbelhäuser machen auf, die Erdbeeren machen zu. Erst gestern sagte mir noch eine Frau auf einem Parkplatz in Marienloh, dass ihre Erdbeere abgebaut wird.

Da gab es auch in den letzten Tagen nicht mehr viel zu kaufen. Ein paar Brombeeren, ein paar Himbeeren und zwei Schälchen Erdbeeren standen vor ihr.

"Sollten Brombeeren nicht Brummbären heißen?"

„Wäre es nicht lustig, wenn die Brombeeren Brummbären heißen würden?", fragte ich die Frau. Sie verdrehte die Augen, was wegen ihres Mundnasenschutzes besonders auffiel. Ich wollte ihr noch sagen, dass es verwirrend ist, wenn man in einer Erdbeere sitzt und Himbeeren verkauft. Man sollte eher in der Frucht sitzen, die man am meisten auf Lager hat.

Man findet kein strahlenderes Blau als im Himmelslicht des Herbstes. Wie sehnsüchtig man in die Welt schaut und durch die letzten Hitzetage schwebt.

Gestern fand ich einen Flyer der SPD in meinem Briefkasten. Sie stellten dort ihren Bürgermeisterkandidaten vor. Ich wusste gar nicht, dass Martin Pantke in Deggendorf/Bayern geboren wurde. Ist Deggendorf nicht bekannt wegen seiner vielen Knödelsorten? Ich saß mal neben ihm im Rathaus und wir waren froh, dass wir bei der Kulturnadelverleihung nicht mittanzen mussten. Alle anderen wurden zum Rednerpult gezogen und mussten sich gehen lassen, nur Martin Pantke und ich blieben verschont. Seitdem halte ich mich gerne in seiner Nähe auf.

"Jetzt ich mich erstmal auf den Pflaumenkuchen"

Ich muss dieses Jahr aufpassen, dass ich im Herbst nicht so traurig werde. Vielleicht sammle ich Kastanien, mit denen ich Giraffen baue, die immer umfallen.

Jetzt freue ich mich erstmal auf den Pflaumenkuchen, der mit lieben Grüßen vor meiner Tür stand. Ich glaube, dass wir so alles Unglück überstehen können. Verschenken wir selbst gemachte Marmeladen, Wandbilder aus Herbstblättern und bringen kleine Ständchen.

Hans-Josef Mertensmeyer ist mein Vorbild. Ich wundere mich immer, dass dieser großartige Künstler auch noch so einen leckeren Pflaumenkuchen backen kann. Wir würden doch ausflippen, wenn Bäcker Hermisch auch bald eine Kunstausstellung im Stadtmuseum hätte. Aber warum nicht? Nahmen nicht die Windbeutel den verpackten Reichstag von Christo vorweg?

„Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los . . . " Ach, wie ging das Gedicht noch mal weiter? Es wird Herbst.