Freispruch: Erpressung eines Baptisten-Geistlichen ist nicht nachweisbar

Paderborn/Anröchte. In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten, lautet der wohl wichtigste Grundsatz der Rechtsprechung. Nur wenn Richter von der Schuld eines Angeklagten überzeugt sind, wenn sie nicht den Funken eines Zweifels haben, dürfen sie ihn verurteilen und bestrafen. Bei den Vorwürfen gegen das Brüderpaar, das im Verdacht stand, den Pastor der Anröchter Baptistengemeinde um rund 15.000 Euro erpresst zu haben, hatte die 1. Große Strafkammer des Landgerichts solche Zweifel. Die Richter sprachen den 28-jährigen Sascha S. (alle Namen geändert) und seinen drei Jahre älteren Bruder David S. frei. "Das ist eine folgerichtige Entscheidung", sagt die Vorsitzende Tabea Rustemeyer zu Beginn ihrer Urteilsbegründung, in der sie Rückschau hält auf die umfangreiche Beweisaufnahme. In deren Mittelpunkt hatte die Vernehmung des 50-jährigen Pastors gestanden. Nur auf seiner Aussage, die er Ende September bei der Polizei erstattet hatte, beruhe die Anklage der Staatsanwaltschaft, stellt die Richterin klar. Und deshalb müsse das Gericht ganz besonders genau hinschauen. Denn "die Angeklagten müssen nicht ihre Unschuld beweisen". Lange Vorgeschichte um verstorbenen Vater Und so lässt Rustemeyer nochmals die Vergangenheit Revue passieren, blickt zurück ins Jahr 2000, in dem der Vater der Brüder als Kassierer der Anröchter Glaubensgemeinschaft in den Verdacht der Untreue geriet und ausgeschlossen wurde aus dem Kreis der Gläubigen. Erst 17 Jahre später habe sich seine Unschuld herausgestellt, sagt sie, um dann das Streben seiner Söhne zu schildern, den Ruf des mittlerweile verstorbenen Vaters wiederherzustellen in der weltweit miteinander verknüpften und miteinander kommunizierenden Baptistengemeinschaft. Viele Versprechungen auf allen Ebenen, aber vor allem vom Anröchter Pastor habe es gegeben, aber nichts sei passiert. "Die Auseinandersetzung zwischen den Brüdern und der Anröchter Baptistengemeinde schwellte noch", sagt sie. Und so hätten die Angeklagten den 50-Jährigen an zwei Tagen im September zum Gespräch gebeten. Dass Sascha und David S. diesen dann um mehr als 15.000 Euro erpressten, indem sie ihm, seiner Frau und seinem jüngsten Kind Gewalt androhten, "diese zweifelsfreie Überzeugung haben wir nicht gefunden", sagt Tabea Rustemeyer. Zu viele Widersprüche, zu viele Zweifel habe das Gericht festgestellt. Rätseln um Hintergründe der Anzeige Genauso hatte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zuvor argumentiert und gleichfalls für einen Freispruch plädiert. Die Aussage des Pastors sei nicht so beschaffen, dass eine Täterschaft der Brüder zweifelsfrei festgestellt werden könne, sagte Staatsanwältin Bender, bevor sich die Verteidiger Constantin Kirschbaum und Hagen Seipel nicht nur diesem Antrag anschlossen, sondern auch über die Hintergründe des Falles nachdachten. Sie vermuten, dass ihre Mandanten durch das Verfahren eingeschüchtert werden sollten, um letztlich doch noch die öffentliche und damit weltweite Rehabilitierung ihres Vaters zu verhindern. Schließlich könnte dann möglicherweise der Pastor nicht nur in Misskredit geraten, sondern auch noch seines Amtes verlustig gehen, wie vielleicht noch andere Würdenträger dieser Glaubensgemeinschaft. "Ich hoffe, dass Sie jetzt Ruhe finden", gibt die Vorsitzende Richterin den Brüdern schließlich mit auf den Weg. Sehr gut möglich, dass sich die beiden diese besonders zu Herzen nehmen, liegt doch eine belastende Zeit hinter ihnen - während David S. die Untersuchungshaft schon nach zwei Wochen verlassen durfte, musste sein jüngerer Bruder sechseinhalb Monate auf seine Freiheit verzichten.

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