Designerdrogen Legal Highs: "Die Menschen werden zu Versuchskaninchen"

Paderborn. Sie kommen in knallig bunten Tütchen daher, auf denen Cartoons und Fantasiewesen abgedruckt sind. Mit lässig wirkenden Bezeichnungen wie "Scooby Snax", "Bonzai" oder "K2" locken sie potenzielle Kunden. Neue psychoaktive Substanzen (NPS), besser bekannt als "Legal Highs", sind synthetisch hergestellte Designerdrogen, die meist als Pulver oder Kristalle in Umlauf gebracht werden. In ihrer täglichen Arbeit werden Valentina Beckin und Kerstin Kriebel immer wieder mit dem Konsum der vermeintlich neuen Drogen konfrontiert. "Das Problem gibt es nicht seit gestern. Die Problematik ist nur vielseitiger geworden", sagt Beckin, die in der Suchtprävention beim Caritasverband Paderborn tätig ist. Bereits Anfang der 2000er seien die ersten Präparate auf den Markt gekommen, berichtet Beckin. Eine der ersten Substanzen sei Spice gewesen, eine synthetische Mischung, die wie Cannabis wirken soll. Anzahl der Substanzen steigt kontinuierlich "Wir wussten wenig über die Nebenwirkungen. Schließlich ist kein Beipackzettel dabei", sagt Beckin. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl neuer psychoaktiver Substanzen. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht geht von mehr als 670 Substanzen aus. Die Tendenz steigt. Laut einer Broschüre der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen werden die Präparate häufig in Laboren im östlichen Ausland "völlig unreguliert" hergestellt. Von dort werden sie über das Internet oder das Darknet verkauft. "Im Online-Zeitalter ist es leicht, sich das zu bestellen", erklärt Kerstin Kriebel, die bei Lobby arbeitet. Die Anlaufstelle der Caritas bietet Informationen und Unterstützung für Kinder und Jugendliche in Konfliktsituationen. Gerade bei Jugendlichen herrsche häufig ein geringes Risikobewusstsein, was die sogenannten "Legal Highs" anbelangt. Bezeichnung "Legal Highs" ist irreführend Mittlerweile ist die Wirkung der neuen Designerdrogen nicht mehr auf cannabisähnliche Effekte begrenzt. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen unterscheidet darüber hinaus zwischen Stimulanzien, Enaktogenen, Halluzinogenen, Dissoziativa und Sedativa, die je nach Inhaltsstoffen unterschiedliche, gar konträre Wirkungen entfalten können. "Die Menschen werden zu Versuchskaninchen", sagt Beckin. Neben der leichten Verfügbarkeit und der lustig anmutenden Aufmachung liegt der Konsum unter Jugendlichen möglicherweise auch in der irreführenden Bezeichnung begründet. Denn legal sind die "Legal Highs" nicht mehr. In den vergangenen Jahren haben die Produzenten immer wieder versucht, durch die Herstellung neuer Moleküle das Betäubungsmittelgesetz zu umgehen. Denn was dort nicht gelistet war, galt als legal. Um dem entgegenzuwirken, hat das Bundesgesundheitsministerium ein Gesetz auf den Weg gebracht, das ganze Stoffgruppen verbietet. Im November 2016 ist das sperrig betitelte Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz in Kraft getreten. "Das Katz-und-Maus-Spiel ist damit beendet", sagt Valentina Beckin. Jede Woche eine neue Substanz Doch das hindert die Hersteller nicht daran, ihre Ware auf den Markt zu bringen. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass jede Woche eine neue Substanz entwickelt wird. Die Designerdrogen beschäftigen damit auch weiterhin die Polizei. "Keiner weiß, was man da zu sich nimmt. Die Risiken des Konsums sind nicht absehbar", sagt der Paderborner Polizeisprecher Michael Biermann. Für die Polizei seien die Designerdrogen ein Dunkelfeld, statistische Zahlen über den Konsum und der Verbreitung der Stoffe im Kreis Paderborn gibt es nicht. Das bestätigt Tilmann Magerkurth, Chefarzt der Abteilung Suchtmedizin der LWL-Klinik Paderborn. "Eine besondere Schwierigkeit ist dabei, dass der Substanzkonsum schwer nachweisbar ist, weil für viele Substanzen einfache Testverfahren fehlen", erklärt Magerkurth. Menschen, die NPS konsumierten, würden indes selten wegen des Konsums in Behandlung kommen, sondern eher aufgrund anderer psychischer Erkrankungen. Psychotische Episoden können resultieren "Wenn psychische Erkrankungen auftreten, sind dies zumeist durch den Konsum bedingte psychotische Episoden mit beispielsweise Halluzinationen oder einem Verfolgungswahn", sagt Magerkurth. Häufig würden diese nach ein paar Tagen wieder abklingen, bei einigen Patienten könnten die Symptome jedoch in einer Schizophrenie münden. Laut einem Lagebericht des BKA kommt es immer wieder zu Todesfällen in Verbindung mit NPS. Im Jahr 2018 gab es deutschlandweit sieben Tote durch den Konsum von "Legal Highs". Zuletzt sorgte im November vergangenen Jahres ein Fall in Eschweiler für Aufsehen, bei dem NPS möglicherweise zu drei Todesfällen führten. Der Polizei Aachen zufolge steht der Verdacht, dass diese Stoffe über Internetbestellungen unter anderem in den Kreis Paderborn gelangt sein könnten. Damit es erst gar nicht zur Bestellung kommt, sind Valentina Beckin und Kerstin Kriebel vom Caritasverband präventiv aktiv. Es gehe um die "nüchterne Informationsvermittlung", das Aufzeigen der möglichen Nebenwirkungen - psychisch und körperlich. Kriebel ist viel in Schulklassen unterwegs und versucht aufzuklären. Valentina Beckin verweist auf die Komplexität der Thematik. "Bei den Gründen für den Konsum steckt ja etwas dahinter. Menschen konsumieren nicht aus Doofheit", sagt sie. Häufig seien persönliche Schwierigkeiten ausschlaggebend. Dieser Hintergrund werde gemeinsam erarbeitet. Der pädagogische Zeigefinger werde dabei allerdings ausgeklammert. Die "Legal Highs" - sie werden die beiden weiterhin beschäftigen.

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