Paderborner Suchtmediziner: So wirkt Kokain im Gehirn

Herr Magerkurth, Sie sind seit 1997 Leiter der Abteilung für Suchtmedizin an der LWL-Klinik in Paderborn. Was hat Sie so lange in diesem Bereich gehalten? Tilmann Magerkurth: Menschen helfen, denn das war der Grund meines Medizinstudiums. In der Suchtmedizin erfährt man von den individuellen Beweggründen. Dann arbeitet man gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten daran, da wieder rauszukommen. Da kann man einerseits sehr hilfreich sein, andererseits muss man lernen, dass nicht jedem Menschen geholfen werden kann. Es gehört dazu, dass Menschen sich entscheiden dürfen und können, weiter Drogen zu konsumieren. Hat der Konsum von Kokain in den vergangenen Jahren Ihrer Erfahrung nach zugenommen? Ja. Wir sehen, dass bei den Menschen, die wir behandeln, der Kokainkonsum zunimmt. Wie fühlen sich Konsumentinnen und Konsumenten, die gekokst haben? Kokain ist aktivierend. Es macht wach, also im Gegensatz zu anderen Substanzen wie Heroin oder Cannabis. Die Wirkung hängt aber auch mit der Konsumart zusammen. Intravenös wirkt die Substanz viel schneller und viel stärker. Konsumenten haben durch Kokain zudem eine andere Realitätswahrnehmung. Sie fühlen sich leistungsfähiger. Es kann auch dazu kommen, dass sie aggressiv werden. Das ist aber bei Alkohol nicht anders, das muss man dazu sagen. Wie wirkt Kokain im Gehirn? Kokain setzt Botenstoffe im Gehirn frei. Das sind beispielsweise Serotonin und Dopamin, die in der Regel für positive Emotionen sorgen. Diese freigesetzten Botenstoffe sind im Gehirn aber nur begrenzt vorhanden. Wenn viele auf einen Schlag freigesetzt werden, dann fehlen sie später und müssen nachproduziert werden. Doch es gibt ein Problem, das nicht durch neuronale Prozesse erklärbar ist: Wer so einen euphorischen Zustand hatte, dem kommt die normale Realität öde und leer vor. Das ist mit Blick auf Abhängigkeit ein ganz wesentliches Problem. Das heißt, es ist nicht alles nur mit Biologie erklärbar. Manches ist ein psychischer Effekt. Alle Artikel hier: Kokainschwemme: Unser Fokus auf den Kreis Paderborn Macht Kokain körperlich abhängig? Ein Kokainentzug ist vergleichsweise harmlos, denn er macht wenig oder keine extremen körperlichen Symptome. Es hängt stark davon ab, wie häufig konsumiert wird. Dennoch besteht bei Kokain eine große Suchtgefahr. Nur weil es keinen schweren körperlichen Entzug gibt, bedeutet es nicht, dass es leicht ist, darauf zu verzichten. Das nennt man dann die psychische Abhängigkeit. Die ist beim Kokain sicherlich ausgeprägter als bei anderen Substanzen. Kokain wird auch als Partydroge konsumiert. Ist das aus Ihrer Sicht eine gefährliche Entwicklung? Jede Substanz, die in größerer Menge zur Verfügung steht, birgt immer das Risiko, dass es mehr Abhängige gibt. Und dass es mehr Menschen gibt, die darunter andere psychische Erkrankungen entwickeln. Zudem liegt ein Risiko darin, dass das Einstiegsalter sinkt, wenn die Verfügbarkeit höher ist. Und wir wissen über Substanzen, die auf das Hirn wirken: Je später man damit anfängt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man es irgendwie kontrollieren kann. Je früher man damit anfängt, desto größer ist das Risiko für die weitere Entwicklung, für die Entwicklung psychiatrischer Erkrankung und auch für die Entwicklung von Suchterkrankungen. Verursacht Kokain langfristige körperliche Folgen? Der Blutdruck steigt, die Gefäße verengen sich. Es gibt ein sehr hohes und relevantes Risiko für Herzinfarkte. Diese Belastung des Herzkreislaufsystems sorgt auch für langfristige Folgen, wie man sie vom Bluthochdruck kennt. Ein wichtiger gesundheitlicher Faktor ist auch, womit das Kokain gestreckt wurde. Welche Hilfsangebote gibt es für Konsumenten in der Paderborner LWL-Klinik? Wir haben eine Suchtambulanz mit Sprechstunden, wo man sich zunächst allgemein beraten lassen kann. Bei einer Kokainabhängigkeit, genauso wie bei anderen Abhängigkeiten, können Betroffene zudem eine Reha machen. Die bieten wir hier nicht an, aber wir unterstützen bei der Antragstellung. Mehr aus der Reihe: &bdquo;Kokain und Rotwein“: Manager aus dem Kreis Paderborn spricht über seinen Konsum Gibt es in Paderborn die Möglichkeit, einen Entzug zu machen? Ja. In der Entzugsbehandlung stellen wir innerhalb von zwei, drei Wochen eine Abstinenz sicher. Wenn möglich, vermitteln wir nahtlos in eine weitere Behandlung. Als LWL-Klinik bieten wir also den ambulanten Teil an, einen stationären Entzug und eine Vermittlung in die Reha. Danach ist bei uns eine weitere ambulante Begleitung möglich. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Quarks (@quarks.de) Nach zwei oder drei Wochen ist der Entzug dann abgeschlossen? Das ist die Zeit für den körperlichen Entzug. Die meisten unserer Patienten sind von mehreren Substanzen abhängig und beispielsweise Heroin macht stark körperlich abhängig, auch Alkohol. Es gibt aber auch das psychische Verlangen und das lässt sich in drei Wochen nicht beseitigen. Wie viele Menschen entscheiden sich in Paderborn für einen stationären Drogenentzug? Das sind 400 bis 500 pro Jahr. Das klassische Klientel unserer Drogenentzugstation besteht aus Menschen, die von mehreren Substanzen abhängig sind. Und davon werden es eben immer mehr, die auch Kokain konsumieren – sicherlich jeder Zweite. Die meisten unserer Patienten kommen hier aus der Region. Auch interessant: Zwei Paderborner über ihren Kokain-Konsum: &bdquo;Ein Albtraum, aus dem ich aufwachen möchte“ Gibt es genug Plätze oder ist eine Warteliste nötig? Ja, wir haben eine Warteliste. Es gibt weniger Plätze als Nachfrage. Manche Patienten müssen zwei Wochen warten, manchmal auch vier Wochen. Wenn jemand akut zu uns kommt, dann wird gemeinsam entschieden, ob es sich um einen psychiatrischen Notfall handelt. Worauf kommt es Ihrer Erfahrung nach im Entzug und in der Behandlung an? Das kann nicht verallgemeinert werden. Das ist genauso individuell wie jede andere Erkrankung auch. Mir ist wichtig, am Anfang zusammen mit dem Klienten rauszufinden: Warum braucht er die Substanz? Warum ist ihm die Kontrolle entglitten? Dann wird daran gearbeitet. Ich kann nicht mit einer vorgefassten Haltung auf Patienten zugehen. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

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