Paderborn

Ostbeauftragter der Bundesregierung warnt in Paderborn vor Polarisierung

Für Festredner Christian Hirte gibt es jedoch auch Grund für Optimismus in den neuen Bundesländern

Zur Freude von Bürgermeister Michael Dreier (v. l.), dem CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann und dem Vorsitzenden des Bürgervereins, Rudolf Wansleben, trägt sich Christian Hirte ins Goldene Buch der Stadt ein. | © Andreas Götte

06.10.2019 | 06.10.2019, 07:30

Paderborn. Als die innerdeutsche Mauer vor 30 Jahren fiel, war Christian Hirte 13 Jahre alt. Fluchtversuche und Todesfälle waren für den heutigen "Ostbeauftragten" der Bundesrepublik Deutschland ganz nah, denn der Bauernhof seiner Großeltern war nur 50 Meter vom Grenzzaun entfernt. In einer zum Teil emotionalen Rede gab der parlamentarische Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Festveranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit des Paderborner Bürgervereins Einblicke in die ostdeutsche Seele. Er beschrieb, warum der Sozialismus nicht funktioniert und warum es auch in den gar nicht mehr so neuen Bundesländern Grund zum Optimismus gibt.

Dem Mut seiner ostdeutschen Landsleute und deren friedlicher Revolution mit der Kerze in der Hand sei es damals zu verdanken gewesen, dass damals die Mauer fiel. Das sei im Ausland mehr wahrgenommen worden als in Deutschland. Auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und die Amerikaner hätten maßgeblich dazu beigetragen, so Hirte. Er habe nie verstanden, warum der Westen die Mauer als friedensbewahrendes Element angesehen habe.

Dennoch sei der Zusammenbruch der ostdeutschen Kombinatsgesellschaft mit dem Verlust vieler Arbeitsplätze ein Realitätsschock gewesen. "Ein Arbeitsplatz war Teil der sozialen Identifikation. Der damalige soziale, ökonomische und kulturelle Schock ist mit seinen Nachwirkungen bis heute spürbar", betonte Hirte. Der Sozialismus funktioniere nicht, weil er - wie in der DDR - von einem unrealistischen Menschenbild ausgehe.

"Das ist ein gesamtdeutsches Problem"

Die Wahrnehmung vieler Ostdeutscher, dass die 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Jahre des Rückgangs gewesen seien, sei ein Grund für die Erfolge von Rechtspopulisten. Strukturschwache Region gibt es laut dem Festredner auch im Westen. "Das ist ein gesamtdeutsches Problem und eine Gefahr für das ganze Land", meinte der Gast aus Thüringen. Nach dem Auslaufen des Solidarpaktes müsse der Bund ein Gesamtpaket zur Förderung der Strukturpolitik schnüren, forderte der Redner.

Für Christian Hirte gibt es jedoch Grund für Optimismus in den neuen Bundesländern. Als Beispiele nannte er ein überdurchschnittliches Wachstum, ein positives Wanderungssaldo seit zwei Jahren und eine höhere Geburtenrate als im Westen. Als große Herausforderung im Land bezeichnete Hirte die Polarisierung in der Gesellschaft. Hier habe auch der Paderborner Bürgerverein eine Verantwortung.

Die Einheit als Flickenteppich

Für dessen Vorsitzenden Rudolf Wansleben ist die einheitliche Demokratie ein hohes Gut. Leider seien Einheit und Einigkeit beispielsweise bei so manchen Vorschriften noch ein Flickenteppich. Für Paderborns Bürgermeister Michael Dreier sind "30 Jahre Wiedervereinigung eine unglaublich lange Zeit, für die wir alle gemeinsam sehr dankbar sein können".

Nur wenn gemeinsam an einem Strang gezogen werde, könnten die bevorstehenden Aufgaben bewältigt werden. Als Beispiel nannte er die Regiopolregion Paderborn mit 800.000 Einwohnern, die zusammen mit den Regionen Erfurt und Rostock den ländlichen Raum stärkt, "damit die nachfolgende Generation eine gute Zukunft hat".