Was die Paderborner verlieren, landet irgendwann im Fundbüro

Paderborn. Ich habe ein Handy gefunden. Einsam und allein lag es auf dem Asphalt, Display nach unten. Wahrscheinlich fallen Smartphones wie Butterbrote immer auf die Marmeladenseite. Das Glas hat einige Sprünge. Aber das Gerät leuchtet in Regenbogenfarben auf, als ich auf den An-Knopf drücke. Ich soll neun Punkte zum richtigen Muster verbinden, um es zu entsperren. Klappt nicht. Ich poste einen Beitrag in sozialen Netzwerken. In den ersten Stunden kontrolliere ich ständig, ob sich jemand gemeldet hat, der sein Smartphone vermisst. Aber bis auf ein paar Likes tut sich nichts. Einige Tage vergehen. Das Handy schaut mich zunehmend vorwurfsvoll von meiner Schreibtischplatte an. Okay, ich bringe dich ins Fundbüro. Hans-Rainer Pohlmann ist bei der Stadt Paderborn zuständig für Fundsachen. Eben war die Polizei da und hat ein paar abgegeben. Ein mysteriöses Objekt in einem großen Papierkuvert, eine graue Handtasche und einen Feuerlöscher. Letzteren hätten die Beamten auf einer Verkehrsinsel entdeckt. Ein Feuerlöscher ist keine typische, aber doch eine Fundsache. Das ist nach Definition "alles, ab einem Wert von zehn Euro", wie Pohlmann erklärt. Das Fundstück bekommt eine Karteiakte Der Fachmann nimmt mein Fundhandy in seine Kartei auf. Zuerst baut er es auseinander, weil unter dem Akku wichtige Informationen verborgen sind. "Auf dem Gerät steht der Modellname nicht drauf", sagt er und googelt eine Zahlen- und Buchstabenfolge. Mein Fund ist ein Samsung Grand Prime. Am Computer trägt er Fundort, Fundstück, eine Beschreibung des Geräts in ein Formular ein. "Einen Eigentumserwerb wollen Sie wahrscheinlich nicht geltend machen?", fragt er mich. Wie jeder Finder hätte ich das Recht, meine Fundsache nach Ablauf einer sechs-Monats-Frist zu behalten. Ausnahmen von dieser Regel: Schlüssel oder Dokumente. Nein, ich möchte das Handy nicht haben. Mehr als 800 Fundsachen im Jahr Finderlohn brauche ich auch keinen. Fünf Prozent könnte ich nämlich verlangen. Manchmal weigert sich ein Besitzer zu zahlen. "Das ist dann eine privatrechtliche Angelegenheit", sagt Pohlmann. Er verpackt mein Fundhandy in einer Plastiktüte als wäre es ein Beweismittel und klebt einen Sticker mit Fundnummer und Datum der Frist drauf. Mein Fundphone ist Fundsache Nummer 412 im Jahr 2019. 2018 hat Hans-Rainer Pohlmann 851 Fundstücke in das System eingepflegt. Vor allem Schlüssel, Portemonnaies und Handys. Manchmal finden aber auch Kuriositäten den Weg in sein Büro. Zum Beispiel ein Surfbrett. "Das war auch ein richtig schönes." Oder ein kompletter Weihnachtseinkauf, den ein Paderborner bezahlt, aber im Laden vergessen hat. Oder sage und schreibe 17 Autoreifen inklusive Felgen. Das klingt für mich eher nach illegaler Entsorgung. "Ich behaupte mal, niemand verliert 17 Autoreifen", lautet Pohlmanns Kommentar. Sachen, die ohne Probleme zuzuordnen sind, weil ein Name drauf steht oder der Ausweis beiliegt, gelangen dagegen gar nicht erst in die Statistik. "Viele denken: Das gibt sowieso keiner ab" Das Samsung-Gerät, das ich gefunden habe, wandert in eine gelbe Kiste. Darin liegen bereits dutzende Smartphones. "Die Chance, dass Ihr Handy abgeholt wird, ist gering", sagt Pohlmann. Zum Beweis zeigt er mir eine Box, in der noch viel mehr Geräte lagern. Manche sehen brandneu und hochwertig aus. Diese Exemplare warteten schon länger als sechs Monate auf ihre Besitzer, sagt Pohlmann. Was passiert mit all dem, was nicht abgeholt wird? Unterschiedlich. Gute Fahrräder würden beim Fahrradtag in Schloß Neuhaus versteigert, Drahtesel, die nicht ganz so in Schuss seien, würden an karitative Einrichtungen abgegeben. Genau wie Kleidung. Schmuck würde verkauft. Das meiste andere wandert irgendwann in den Abfall. Pohlmann schätzt, dass nur fünf Prozent der Fundsachen den Weg zurück zu ihrem Verlierer finden. "Ich vermute, viele denken: Das gibt sowieso keiner ab." Bei Handys komme noch hinzu, dass viele Leute nicht lange auf das Gerät verzichten wollten. Statt ein paar Tage zu warten, ob es im Fundbüro abgegeben wird, kauften die Leute lieber direkt ein neues. Auch die Finder wollen die Telefone nach Fristablauf selten haben. Weil die Daten vorher bereinigt werden müssen. Das erledigt eine externe Firma für die Stadt. Das kostet 50 Euro, die der Finder bezahlen muss. Vielen ist es das nicht wert.

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