Paderborn

Paderborner erlebt Autokorso-Premiere im Sommer 1990

Fußball-WM: Nach den Siegen der deutschen Mannschaft wird auch fahrend mächtig gefeiert

Leser fragen, die NW erklärt. | © NW

16.10.2017 | 16.10.2017, 15:23

Paderborn. Die an dieser Stelle zuletzt behandelte Busen-Affäre war nicht der einzige Aufreger im Paderborner Sommer des Jahres 1990. Vielmehr gebar die Fußball-Weltmeisterschaft in Italien ein Phänomen, das zuvor nicht beobachtet worden war: Nach den Siegen der deutschen Mannschaft formierte sich ein Autokorso. Der wurde auf dem Weg der Elf von Franz Beckenbauer bis ins Finale in Rom von Mal zu Mal länger.

Den Feiernden boten sich vor nunmehr 27 Jahren nicht nur der Reiz des Neuen, sondern auch attraktivere Routen als heute. Damals stand an der Paderbrücke zwischen Mühlenstraße und Kisau noch keine Schranke. Und auch der Poller am Land- und Amtsgericht existierte noch nicht. So musste nicht nur längs über den Ring, sondern konnte mitten durch die Innenstadt gefahren werden. Davon war besonders das St.-Vincenz-Krankenhaus betroffen. "Auch dort, vor den Zimmern der Schwerkranken und Frischoperierten ging der Tumult der tobenden Fans mit unveränderter Lautstärke weiter", heißt es in einem Bericht in der Neuen Westfälischen vom 6. Juli 1990. Schließlich musste die Polizei mit mehr als einem Dutzend Streifen- und Zivilwagen die Kasseler Straße sperren, um wenigstens den unmittelbaren Eingangsbereich des Krankenhauses zu beruhigen.

In dieses wurde in der besagten Nacht im Anschluss an den deutschen Halbfinalsieg über England (5:4 nach Elfmeterschießen) aber auch mancher Paderborner noch verletzt eingeliefert. Weil die britischen Kommandeure es versäumt hatten, eine Ausgangssperre zu verhängen, kühlten einige Soldaten aus den Paderborner Kasernen an den deutschen Fans ihr Mütchen.

So wurde in der Giersstraße ein Citroen 2CV gestoppt, aus dessen Rolldach eine deutsche Fahne lugte. Die Soldaten aus der Panzerkaserne zerrten die Insassen durch das Schiebedach ins Freie, schlugen diese krankenhausreif und verwandelten die Ente mit einem Baseballschläger in einen Schrotthaufen. Der war für den Autokorso vier Abende später nach dem Finalsieg über Argentinien nicht mehr zu gebrauchen.