Paderborn

Als Kriegsgegner vor dem Rathaus in Paderborn zelteten

1991: Die Reaktionen auf den zweiten Golfkrieg bestimmten wochenlang die Nachrichten

24.10.2016 | 24.10.2016, 15:00

Paderborn. Die Erwähnung des Zweiten Golfkriegs in der Vorwochenkolumne über das Minensuchboot Paderborn hat einen NW-Leser nach den Paderborner Reaktionen auf den Waffengang des Jahres 1991 fragen lassen.

Nachdem die Koalitionsstreitkräfte unter der Führung der Vereinigten Staaten den Luftkrieg gegen den Irak in den Morgenstunden des 17. Januar begonnen hatten, demonstrierten nur wenig später auch an der Pader die Menschen auf der Straße. An diesem Donnerstag versammelten sich spontan mehr als 2.000 Bürgerinnen und Bürger auf dem Westerntor, das daraufhin von der Polizei für den Verkehr gesperrt wurde. In der Nacht zum Freitag wärmten sich die Demonstranten an mehreren Lagerfeuern, ehe die Hauptkreuzung im Lauf des Freitags nach konstruktiven Gesprächen zwischen dem Theologen Eugen Drewermann, Polizeidirektor Franz-Josef Meyer und Bürgermeister Willi Lüke wieder freigegeben werden konnte.

Die von vielerlei gesellschaftlichen Gruppen getragene Mahnwache wurde an diesem Freitag vor das Rathaus verlegt. Das Friedenscamp mit einigen Zelten und einem zum Büro umfunktionierten Bauwagen bestimmte in den folgenden Wochen das kommunalpolitische Geschehen und beschäftigte sogar die Gerichte. Denn nachdem Oberkreisdirektor Werner Henke für den 4. Februar eine teilweise Zwangsräumung des Camps angekündigt hatte, stellten sich an diesem Montag mehr als 700 Bürger demonstrativ vor das Camp. Die Polizei zog wieder ab.

Schließlich wurde das Verwaltungsgericht in Minden angerufen. Nach einem Ortstermin erreichte Richter Jürgen Diekmann Mitte Februar einen Kompromiss. Die Zelte wurden umgruppiert; der Bauwagen sollte auf den Franz-Stock-Platz verbracht werden. Das unbeleuchtete Areal war dem Aktionskreis Golfkrieg jedoch zu unsicher. Da sprang Marktkirchpfarrer Wilhelm Jürgens in die Bresche und bot den Marienplatz als Standort an. Die Kriegsgegner bedankten sich mit einem Beatles-Zitat: "When I find myself in times of trouble, Mother Mary comes to me . . . "

Am 2. März verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Rahmenbedingungen eines Waffenstillstands am Golf. Zwei Tage später ging die Mahnwache, die von insgesamt 50 Gruppen aus fast allen Teilen der Paderborner Gesellschaft getragen worden war, mit einem ökumenischen Gottesdienst zu Ende. Auf dem Rathausplatz wurde ein Apfelbaum gepflanzt. Der musste am Tag darauf aber in den Bürgerpark an der Borchener Straße umziehen.