Interview mit Lichtenaus Bürgermeisterin: „Der Wahlkampf fällt nicht flach“

Frau Dülfer, 2020 traten vier Kandidaten für das Bürgermeisteramt an. Dann gab es die Stichwahl, die Sie deutlich gegen den CDU-Kandidaten Josef Eich gewannen. Diesmal sind Sie die einzige Bürgermeisterkandidatin. Der Wahlkampf in Lichtenau fällt also flach? Ute Dülfer: Nein, der fällt nicht flach. Ich bin jetzt schon unterwegs und lade in jedem Ort die Bürgerinnen und Bürger zu einem Feierabendgetränk und Gesprächen ein. Mal am Dorfplatz, am Dorfgemeinschaftshaus oder am Sportplatz. Das habe ich über Instagram und Crossiety bekanntgemacht und auch mit Plakaten in den jeweiligen Ortschaften. Ist es nicht ein komisches Gefühl, dass man eigentlich schon sicher wiedergewählt wird? Auf der einen Seite freut es mich sehr, denn es bedeutet ja auch, dass die Fraktionen mit meiner Arbeit und der Zusammenarbeit mit mir zufrieden waren. Ich kann das nur zurückgeben – die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen war gut. Ich höre aber auch von einigen Bürgerinnen und Bürgern, dass gar kein Wahlkampf ist. Für mich ist es jetzt ein bisschen einfacher, das stimmt natürlich, dennoch sind am 14. September Kommunalwahlen. Bis zur Wahl möchte ich den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit geben, mit mir ins Gespräch zu kommen und über die bisher umgesetzten Projekte und über zukünftige Projekte für unsere 15 Orte zu diskutieren. Lesen Sie auch: Lichtenau hat eine Bürgermeisterin, die anpacken kann In einem Leserbrief von Eberhard Krömeke aus Herbram bekamen Sie viel Lob, andererseits kritisierte er auch die anderen Parteien, dass sie keinen Kandidaten stellen, man keine wirklich Wahl habe und dass die Demokratie dadurch bedroht sei. Ja, den Leserbrief habe ich auch gelesen. Aber Demokratie war ja im Vorfeld da, es hätten sich ja Kandidaten aufstellen lassen können. Genau das wollte Herr Krömeke meiner Meinung nach damit ausdrücken. Sie sind parteilos, wurden 2020 aber von der SPD und der FDP unterstützt und bei der Stichwahl auch von den Grünen. Diesmal bekommen Sie wieder Unterstützung von den drei Parteien und sogar von der CDU. Wie haben Sie es geschafft, alle Parteien hinter sich zu vereinen? Das lag daran, dass wir in der Legislaturperiode wirklich sehr gut zusammengearbeitet haben und die Fraktionen gespürt haben, dass ich einen guten Rückhalt von den Bürgerinnen und Bürgern bekomme. Die Bürgerinnen und Bürger in Lichtenau können nicht zwischen Kandidaten entscheiden, sondern nur ein Ja oder Nein bei Ihnen ankreuzen. Eine echte Wahl sieht anders aus. Hätten Sie sich lieber einen oder mehrere Konkurrenten gewünscht? Ich glaube, einen Konkurrenten hätte ich nicht schlecht gefunden – auch für die Wähler, damit sie eine demokratische Entscheidung haben. Aber diese hat – wie eben gesagt – für mich schon vorher stattgefunden. Die aktuelle Situation ist auch gut, weil man im Hintergrund weiß, dass man von allen Fraktionen unterstützt wird, beziehungsweise eine erneute Kandidatur befürwortet wird. Eine neue Partei gibt es auch in Lichtenau und die wird Sie nicht unterstützen. Die neu gegründete Wählergemeinschaft WEVO kritisiert vor allem die Windkraftplanung und die aus ihrer Sicht &bdquo;nicht transparente Informationspolitik“ aus dem Rathaus. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um? Für mich ist es nicht ganz nachvollziehbar, dass wir keine transparente Politik gerade im Windenergiebereich geführt haben. Wir haben die Bürgerinnen und Bürger wirklich extrem mitgenommen – allein schon durch unsere zwei Infoabende für die frühzeitige Beteiligung, die gar nicht nötig gewesen wären. Die haben wir extra angeboten, um den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen, Stellungnahmen abzugeben, zu hinterfragen und sich zu informieren. Auf unserer Internetseite haben wir einen kompletten Bereich dem Thema Windenergie gewidmet, um alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch haben viele Sitzungen zur Positivplanung im öffentlichen Bereich stattgefunden. Ich finde, wir sind wirklich transparent damit umgegangen. Ich nehme das aber nicht als Kritik an, sondern als Hinweis, um zu schauen, wo wir noch mehr Transparenz schaffen können. Fünf Jahre sind Sie nun schon Bürgermeisterin in Lichtenau. Wie lange hat es gedauert, bis Sie voll drin waren in diesem neuen Job und den bürokratischen Dschungel durchblickt haben? Als ich angefangen habe, war Corona – das war auf der einen Seite schwierig und herausfordernd, aber auf der anderen Seite war es recht gut, um anzukommen. Es hat natürlich eine gewisse Zeit gedauert, aber dann fühlte ich mich in meinem Amt als Bürgermeisterin angekommen. Daher würde ich mich sehr freuen, wenn ich noch weitere Jahre das Amt der Bürgermeisterin ausüben darf. Anscheinend haben Sie am neuen Job Gefallen gefunden, sonst hätten Sie sich trotz der vielen Arbeitsstunden nicht erneut zur Wahl gestellt. Was lieben Sie am Bürgermeisterinnenamt? Dass ich meine Heimat beziehungsweise mein Umfeld mitgestalten kann, um es liebenswert, lebenswert und zukunftsfähig zu gestalten. Sehr schön ist auch, dass ich viel mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt komme. Noch dazu habe ich hier in der Verwaltung und im Verwaltungsvorstand ein starkes Team und so gute Mitarbeitende um mich herum, dass mir die gemeinsame Arbeit wirklich Spaß macht. Natürlich gibt es auch Situationen, die man sich nicht unbedingt wünscht. Zum Beispiel geht es mal bei Bürgerversammlungen etwas härter zur Sache. Aber letztendlich ist das alles zusammen das, was ich an meinem Amt liebe. Was von Ihren eigenen Ideen konnten Sie als Bürgermeisterin in Ihrer Amtszeit auch realisieren? Die Zusammenarbeit und das Einbinden von Jugendlichen liegt mir sehr am Herzen. Der Jugendtreff ist jetzt erstmalig, neben der altbekannten Adresse in Lichtenau, auch im Altenautal zu Hause. Als Vorbereitung zum Jugendparlament haben wir einige Workshops angeboten und sind mit den Jugendlichen nach Brüssel gefahren. Die Realschule bietet passend dazu einen Kurs an, in dem man die Jugendleiter-Karte für ehrenamtliche Tätigkeiten in der Jugendarbeit erwerben kann. Eine Vorstufe für intensivere Zusammenarbeit der Jugendlichen in der politischen Arbeit. Ein erstes Projekt, welches von den Jugendlichen gewünscht wurde, ist der Bike-Park in Lichtenau. Dieser ist vorwiegend mit ehrenamtlicher Arbeit eines ortsansässigen Unternehmens, Unterstützung der Bürger- und Energiestiftung sowie den Stadtwerken kurz vor Fertigstellung. Ein Wunsch von mir und von Bürgerinnen und Bürgern, einen Wochenmarkt mit regionalen Produkten in Lichtenau zu etablieren, wurde leider nach einer Probezeit von knapp zwei Jahren aufgrund von fehlenden Besuchern nicht fortgeführt. Für die Gewerbetreibenden haben wir Unternehmertreffen etabliert, um das Netzwerk untereinander zu stärken. Daraus entstanden ist die erste Veranstaltung in der Realschule &bdquo;Schüler meets Azubi“, die im Dezember stattfinden wird. Ein weiterer Meilenstein für Lichtenau ist das Projekt &bdquo;Schlafender Riese“. Es ist uns gelungen, zusammen mit Westfalen Weser eine Förderung für die Produktion von grünem Wasserstoff zu bekommen. Das Projekt ist bereits angelaufen. Wir gehen derzeit von einer Fertigstellung Ende 2027 aus. Beim ÖPNV ist es uns gelungen, durch den Einsatz des Holibri die Anbindungen bedarfsgerechter und attraktiver auszustatten. Die Ladesäulen-Infrastruktur konnte für E-Autos und E-Bikes verbessert werden. So können wir neuerdings eine Schnell-Ladesäule direkt vorm Rathaus anbieten, eine weitere Ladesäule in Atteln und diverse E-Ladestationen für E-Bikes in fast allen Orten. Lesen Sie auch: Wasserstoff-Zukunft für OWL wird im Kreis Paderborn gemacht Was haben Sie sich noch für die neue Amtszeit vorgenommen? Die Infrastruktur soll bedarfsgerecht modernisiert und ausgebaut werden, insbesondere im Bildungsbereich, einschließlich des Neubaus der Grundschule Kilian. Die Beteiligung der Jugendlichen an ihren Themen soll durch einfache, zugängliche Angebote gestärkt werden, um daraus weitere Potenziale zu entwickeln. Mit dem Projekt &bdquo;Schlafender Riese“ und der Produktion von grünem Wasserstoff soll ein grünes Gewerbegebiet entstehen, das die Gewerbeansiedlung fördert und eine weitere Säule für die Gewerbesteuereinnahmen schafft. Dabei stehen Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Mittelpunkt. Unsere Auszeichnung als Energiestadt soll berücksichtigt werden, und es sollen Projekte in den Bereichen Tourismus und Kultur entstehen, die unsere Stadt zukunftsfähig, liebens- und lebenswert machen. Im Bereich der Windenergie ist es mir ein Anliegen, dass wir nach unseren Positivplanungen vorerst genügend Flächen zur Verfügung gestellt haben und wir beim Repowern mehr Einflussmöglichkeiten bekommen – dafür setze ich mich ein. Unsere ehrenamtlich Tätigen verdienen höchste Anerkennung, egal ob in Vereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr. Diese möchte ich weiterhin verlässlich unterstützen und gemeinsam mit ihnen zukunftsfähige und anforderungsgerechte Projekte umsetzen. Die Stärkung des Tourismus war auch immer ein Thema. Genau, das wollen wir durch die Ansiedlung eines Hotels hinbekommen. Wir sind keine Region, in der man eine Woche Urlaub macht. Aber für einen Kurzurlaub ist Lichtenau und Umgebung perfekt. Zusammen mit dem Zweckverband Naturpark Teutoburger Wald/Eggegebirge haben wir schon viele touristische Projekte umgesetzt, die unsere Region auch überregional interessant macht, dies werden wir in Zukunft weiterhin angehen. Lichtenau bietet so viel, es lohnt sich, unsere Energiestadt zu besuchen und sich unsere Tätigkeiten rund um die erneuerbaren Energien anzuschauen – zum Beispiel auf unserer Energietour. Das Unternehmen Enercon wird sein Schulungszentrum in Lichtenau ausbauen. Wie wichtig ist das für die Energiestadt und was für positive Nebeneffekte erhoffen Sie sich daraus? Das ist sehr wichtig für uns. Durch das erweiterte Schulungszentrum erhoffen wir uns, ein Hotel in Lichtenau zu etablieren. Meine Hoffnung ist, dass wir durch das Schulungszentrum von Enercon und weitere Gewerbe bei uns im Stadtgebiet eine ausreichende Auslastung in der Woche hinbekommen. An den Wochenenden sollte eine Auslastung durch unsere vielfältigen touristischen Angebote sowie durch kulturelle Angebote, unter anderem auch im Kloster Dalheim, möglich sein. Wir werden versuchen, durch die Erweiterung des Schulungszentrums Fachkräfte nach Lichtenau zu holen. All das sind noch dazu weitere Aspekte für eine Stärkung und Ausweitung unserer Gastronomie. Lesen Sie auch: Lichtenau im Aufwind: Anlagenhersteller Enercon baut Schulungszentrum aus Die Stadtkasse ist schon länger eher leer als gut gefüllt. Wie wollen Sie die Finanzlage in der Energiestadt mittelfristig wieder ins Lot bringen? Reicht es, nur auf die erneuerbaren Energien zu setzen? Mit der Positivplanung haben wir die Hoffnung, dass einige der neuen Windenergieanlagen an die Stadt oder Stadtwerke abgegeben werden, so dass die Erlöse aus der Windenergie auch in die Stadtkasse fließen. Auch die finanziellen Beteiligungen aus dem EEG werden uns eine Stütze sein. Durch den &bdquo;Schlafenden Riesen“ wollen wir ein grünes Gewerbegebiet entwickeln. Mittel- beziehungsweise langfristig erhoffen wir uns dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle für unsere Gewerbesteuer, die Anziehung weiterer Fachkräfte und bestenfalls auch eine Steigerung bei den Einwohnerzahlen. Gibt es denn noch genug Gewerbeflächen, die die Stadt anbieten kann? Eine Erweiterung unserer Gewerbeflächen haben wir tatsächlich schon beim Kreis und auch bei der Bezirksregierung angedeutet, allerdings müssen wir für die Umsetzung noch weitere, gemeinsame Gespräche mit beiden Partnern führen. Beide Partner haben für diese Idee jedoch ihre Hilfe und Unterstützung angeboten. Wo ein Wille ist, ist in der Regel auch ein Weg.

Meistgelesen