Bewegende Geschichte des Herkules aus Paderborn

Lichtenau-Herbram. Im Dorf kursierten so viele Geschichten und Anekdoten über einen hünenhaften und vor Kraft nur so strotzenden Mann, der Ende des 19. Jahrhunderts Schlachtbullen aufhalten, Wagen heben und reihenweise starke Männer auf die Bretter schicken konnte. Carl Westphalen hatte riesige Pranken und soll einer der stärksten Männer der Region gewesen sein. Das machte Eberhard Krömeke neugierig, denn Aufzeichnungen über den als Herkules des Paderborner Landes bezeichneten Kraftprotz gab es nicht. In den 1980er Jahren startete Krömeke seine Recherche und wurde nach und nach fündig - auch über einen Aufruf im Fernsehen. Der frühere und langjährige Ortsheimatpfleger sowie Ortschronist hatte so viele Informationen und Fotos sammeln können, dass er vor 20 Jahren ein Buch über den starken Westphalen herausbrachte. Der Forscherdrang nach dem berühmt gewordenen Herbramer ließ ihn dann eine kurze Zeit los. "Es haben sich immer wieder neue Informationen ergeben und inzwischen denke ich über die Herausgabe einer neu überarbeiteten und ergänzenden Dokumentation zu Carl Westphalen nach", so Krömeke. Denn die Geschichte des 1849 in Herbram geborenen Bauernsohns ist noch nicht auserzählt. Ihn interessieren noch die Umstände des frühen Todes im Jahr 1895 und auch die Krankheit, die bei Carl Westphalen damals vom Berliner Anatomieprofessor Rudolf Virchow diagnostiziert wurde. Demnach soll der etwa 1,90 Meter große Hüne, dessen Füße, Hände und Kopf unproportional größer waren, Akromegalie, ein Riesenwuchs der Extremitäten, gehabt haben. Mit seinem Daumen soll er einen Taler (etwa 4 cm Durchmesser) komplett habe abdecken können. Schon als Jugendlicher soll Carl Westphalen enorme Kräfte gehabt haben, so dass er die Lehre als Schmied in Paderborn abbrechen musste. Angeblich soll der Schmied Angst um seinen Amboss gehabt haben. Er arbeitete als Tagelöhner in Paderborn und bewies bei Schützenfesten und Libori seine Kraft in den damaligen Schaubuden - vergleichbar mit Schlüters Boxbude. Er sei kaum besiegbar gewesen und holte so fast immer die ausgelobte Prämie. Diese soll er dann mit seinen Freunden verjubelt haben und war schnell als Herkules Westphalen im Paderborner Land bekannt. Später kämpfte er auch in Aachen oder Berlin und sogar in London. 1890 nahm ihn der damals berühmte Meisterringer Eugen Sandow unter Vertrag und zusammen zeigten sie im Londoner Holborn Theatre Royal vor großem Publikum eine abendliche Kraftakrobatikshow. Er verschenkte riesige Fingerringe Die Jahre zuvor arbeitete er als Fuhrmann und Kutscher in Paderborn. Als man ab 1871 Arbeitskräfte im Ruhrgebiet suchte, zog es ihn zum Stahlwerk Hoesch. Als ungelernter Arbeiter wurde er wegen seiner enormen Körperkraft angestellt und schnell wurde er in Dortmund der &bdquo;Eisenkönig von Hoesch". Er soll freundlich und hilfsbereit gewesen sein und später große Fingerringe aus Metall verschenkt haben, die wohl nur ihm passten. "Leider gab es im Werksmuseum von Hoesch keine Aufzeichnungen von ihm, sondern auch nur die mündlichen Überlieferungen, die sich aber hartnäckig hielten", erklärt Eberhard Krömeke. 1879 zog es Carl Westphalen zurück in die Heimat. Fünf Jahre vorher heiratete er in der Pfarrkirche Iggenhausen Auguste Abshoff aus Meschede und hatte mit ihr sechs Kinder. Nach seinen Rundreisen als Kraftakrobat betrieb mit seinem Bruder Hermann ein Fuhrgeschäft an der Westermauer und arbeitete da vor allem für die Bäckerei Ostermann. 1895 starb Carl Westphalen mit nur 46 Jahren in Meschede und wurde auch dort begraben. Er litt an Tuberkulose. Nachfahrin ist von der Geschichte fasziniert Auch dank des Buches von Krömeke gerät die Geschichte des wohl berühmtesten Herbramers nicht in Vergessenheit. Seit 20 Jahren erinnert auch eine Stele neben dem früheren Hof der Westphalens an den starken Mann. Ein bronzener Originalabguss aus dem Jahr 1890 seiner rechten Hand zeigt eindrucksvoll die Größe. Dieses kleine Denkmal besucht jüngst eine Ur-Urenkelin. Michaela Meier aus Pforzheim hatte den Stammbaum von ihrer Mutter erhalten und sei fasziniert gewesen von ihrem Vorfahren. Bei einem Treffen mit Eberhard Krömeke tauchte sie noch tiefer in die Familienhistorie ein und will nun noch einmal mit ihrer ganzen Familie vorbeikommen.

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