Hilfe für Opfer bewahrt Angeklagten vor Verurteilung wegen Totschlags

Lichtenau-Herbram. &bdquo;Was habe ich getan“, so der Entsetzensruf, mit dem Edmundas G. registrierte, dass Adomas N. infolge seines Angriffs vor ihm zusammenbrach. Der 43-Jährige hatte seinen Kollegen nach einem kurzen Wortwechsel mit einem großen Messer in den Bauch gestochen und damit lebensgefährliche Verletzungen zugefügt. Dass der litauische Bauarbeiter aufgrund der Sprachbarriere seinen Chef anrief, um mit seiner Hilfe Rettungskräfte zu alarmieren, dann Schnee zur Linderung der Schmerzen herbeischaffte und schließlich beim Abtransport des Schwerverletzten half, zahlte sich aus. Denn am Ende der Beweisaufnahme mag sich selbst Staatsanwalt Kai Uwe Waschkies nicht mehr für eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags aussprechen. &bdquo;Das war arg knapp“, resümiert der Anklagevertreter nach dreitägiger Beweisaufnahme vor dem Paderborner Schwurgericht. Vier Monate zuvor hätte der 33 Jahre alte Adomas N. um Haaresbreite sein Leben verloren, als er in einer kalten Aprilnacht zusammen mit einem Kollegen von seiner Unterkunft in Paderborn nach Lichtenau-Herbram Wald aufbrach. Der Bauarbeiter, der zu einer der zahlreichen Kolonnen gehört, die im Kreis Paderborn am Ausbau des Glasfasernetzes arbeiten, wollte stark alkoholisiert mit Edmundas G. ein klärendes Gespräch führen – möglicherweise über Stress auf der Baustelle. Vorausgegangen waren zwei Telefonate, wie sich im Verlauf der Ermittlungen ergab. Was genau dahinter steckte, vermag auch nach drei Verhandlungstagen niemand zu sagen – zumal der 33-Jährige selbst nicht allzu viel zur Klärung beitragen konnte oder wollte. Fest steht aber zum Schluss, dass sein Leben nur dank einer sechsstündigen Operation und vielen Blutkonserven gerettet werden konnte. &bdquo;Er musste davon ausgehen, dass man ihn angreifen wird“ Trotzdem ist schließlich Ankläger Waschkies davon überzeugt, dass der 43-Jährige, der weder in Deutschland noch in seiner Heimat Litauen jemals strafrechtlich auffiel, lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung zu bestrafen ist. Schließlich habe dieser seine Attacke beendet, so der Staatsanwalt. Diesem sei &bdquo;klar gewesen, dass der andere erheblich verletzt war“. Außerdem habe Edmundas G. versucht, Hilfe herbeizurufen und zum guten Schluss den Rettungskräften assistiert. Vier Jahre Gefängnis hält Waschkies für angemessen. Verteidiger Benedikt Klein indes hält es für möglich, dass sein Mandant glaubte, sich angesichts zweier stark alkoholisierter Männer, die ihn nächstens in einer Unterkunft heimsuchten, in einer Notwehrsituation befunden zu haben. &bdquo;Er musste davon ausgehen, dass man ihn angreifen wird“, sagt Klein und spricht sich für eine zweijährige Bewährungsstrafe aus. Dem folgen die Richter um den Vorsitzenden Eric Schülke zwar nicht, aber auch sie halten die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung für angezeigt. Das Gericht habe &bdquo;kein hinreichendes Tötungsmotiv“ feststellten können, sagt Schülke und weist zudem darauf hin, dass der 43-Jährige vor Zeugen zustach und danach aber versuchte, seinem Opfer Hilfe zukommen zu lassen. &bdquo;Wir haben durchgreifende Zweifel am Tötungsvorsatz“, sagt der Vorsitzende Richter und erinnert auch an die Einschätzung des psychiatrischen Gutachters, dass Edmundas G. &bdquo;Gewalt fremd“ sei. Allerdings, so die Einschätzung der Richter, könne es sein, dass der 43-Jährige, der seinerseits an diesem Abend gleichfalls einigen Alkohol zu sich genommen hatte, in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Freiheitsstrafe und Schmerzensgeld Und so finden sie schließlich zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und neun Monaten. Sie geben dem Angeklagten auf, Adomas N. ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe noch ermittelt werden muss. So ganz möchten sie aber auch den 33-Jährigen, der nach den Verletzungen erst ganz langsam wieder arbeitsfähig wird, nicht aus der Verantwortung entlassen. Adomas N. habe sich mit über 1,8 Promille mitten in der Nacht auf den Weg gemacht, um ein klärendes Gespräch zu führen, sagt Richter Schülke. &bdquo;Da begibt sich jemand bewusst in einer Situation, in der es zu Problemen kommen kann.“

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