Sommerinterview mit Hövelhofs Bürgermeister: "In diesem Ort pulsiert das Leben"

Herr Berens, Sie sind seit fast 20 Jahren Bürgermeister in Hövelhof und haben in dieser Zeit viel erlebt. Waren die von der Pandemie und nun auch vom Ukrainekrieg geprägten letzten Jahre die schwierigsten in Ihrer Amtszeit? Wir hatten in den letzten 20 Jahren viele Herausforderungen zu meistern. Es gab die Finanzkrise, 2015 die Flüchtlingskrise, aber die Coronazeit war schon die merkwürdigste in der gesamten Amtszeit. Es war surreal, die Menschen wurden teilweise der Freiheit beraubt. Viele hatten Sorgen und Ängste und haben sich sehr stark an den Bürgermeister und den Krisenstabsarzt Dr. Georg Schneider gewandt und um Rat gefragt. Sie haben auch viel Vertrauen in mich gesetzt, dass wir auch gut durch diese Zeit kamen. Da man aber den persönlichen Kontakt zu den Menschen, zu den Vereinen, zur Gesellschaft nicht haben konnte, war es sicherlich die schwierigste Zeit. Bei Flüchtlingsaufgaben, das kenne ich noch von meiner Zeit bei der Stadt Paderborn, weiß man, was auf einen zukommt. Man weiß, dass es schwierig ist, die Menschen unterzubringen. Das kann man aber lösen. Die Coronageschichte war natürlich absurd für uns alle und natürlich unbekannt. Man hatte Sorge um die Gesundheit, das Leben und der Entzug der Freiheit war die größte Herausforderung. Die Finanzen der Gemeinde sehen aktuell gut aus. Vor allem die Gewerbesteuereinnahmen sind erneut auf Rekordkurs. Was macht Hövelhof so attraktiv für Unternehmen? Wir haben hier in Hövelhof schon seit vielen Jahren ein sehr investitionsfreudiges Klima. Den Unternehmen wird der rote Teppich ausgerollt. Von Seiten der Gemeinde versuchen wir alles, damit sie sich hier etablieren können. Zudem haben wir ein gutes Zusammenspiel der Unternehmen, sie helfen sich gegenseitig und ergänzen sich. Die Standortlage direkt an der A33, zwischen den beiden Autobahnauffahrten, zwischen den beiden Oberzentren Bielefeld und Paderborn ist ideal. Von hier aus kann man durchaus sehr gut wirtschaftlich agieren. Nicht nur deutschlandweit, sondern auch weltweit. Wie stehen die Chancen auf Erweiterung von Gewerbeflächen? Wir kämpfen mit der Bezirksregierung seit 2009 um weitere Gewerbeflächen. Leider sind die Aussichten nicht sehr groß, weil in der Bezirksregierung und teilweise auch in der Landesregierung ein anderes Denken herrscht. Für uns ist es vollkommen unverständlich, dass man einer prosperierenden Kommune, dort wo die Wirtschaft wirklich aus allen Nähten platzt, keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten mehr gibt. Wir werden uns aber weiter gegen das wirtschaftsfeindliche Handeln der Bezirksregierung wehren. Uns sind leider auch im neuen Regionalplan keinerlei Flächen zugestanden worden. Nur die unsäglichen interkommunalen Gewerbegebiete und das ist aus unserer Sicht der vollkommen falsche Ansatz. Auch Windkraft kann Geld in eine Stadt bringen. Wie sehen da die Planungen aus, werden bald neue Windriesen auf Hövelhofer Gebiet stehen? Voraussichtlich nein. Wir haben ein neues Gutachten vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz bekommen. Das sieht in Hövelhof kaum noch Potenzialflächen vor. Wir haben eine starke Streubebauung und durch die Abstandsregelung wird es in Hövelhof unwahrscheinlich erscheinen, große Flächen auszuweisen. Ist das eher positiv oder negativ für die Gemeinde? Sehr positiv. Ich bin dafür, dass man Windkraftzonen konzentrieren sollte und nicht die ganze Landschaft in Deutschland damit verschandeln sollte. Jede Kommune soll ihren Beitrag zur Volkswirtschaft leisten, unser Beitrag ist eine starke, produzierende Wirtschaft. Windkrafträder sollten an anderer Stelle zur Volkswirtschaft und Energieversorgung beitragen. Bauland ist überall gefragt. Was kann die Gemeinde noch anbieten? Wir sind gerade erst zu einer der dynamischten Kommunen in NRW erklärt worden. Das liegt auch daran, dass hier eine starke Wohnbaunachfrage herrscht, aber auch ein starkes Wohnbauangebot geschaffen worden ist. Der neue Regionalplan sieht 28 Hektar vor, die wir in den nächsten 15 Jahren ausweisen dürfen. Das werden wir auch sukzessive tun. Wir werden jetzt Portemeiers Kreuz mit 40 neuen Bauplätzen erschließen. Weitere Bauplätze haben wir in Riege bereits erworben und auch in Espeln werden wir zusätzliches Bauland schaffen. Wir wollen allerdings ein gemäßigtes Wachstum, damit die gesamte Infrastruktur nachwachsen kann und der Ort auch weiterhin seinen Charme behält. Wie würden Sie jemanden, der in den Kreis Paderborn ziehen will, Ihre Gemeinde schmackhaft machen? Warum sollte er in Hövelhof bauen oder wohnen? Hier kann man leben und arbeiten im Grünen. Wir haben viel Wald und Wiesenflächen, wir haben die wunderbare Sennelandschaft, die auch zur Naherholung dient. Wir haben die Arbeitsplätze direkt vor Ort. Wir haben einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Vereinen, die sich in Hövelhof stark einbringen. Wir haben eine Riesendynamik, die man auch spürt, wenn man in diesen Ort hereinkommt. Wir haben noch starken Einzelhandel, eine gute ärztliche Versorgung, viele Einkaufsmöglichkeiten im Bereich Lebensmittel, die ihres Gleichen suchen. In diesem Ort pulsiert das Leben. Aktuell wird heiß im Kreis Paderborn um einen möglichen Nationalpark Egge gestritten. Auch Hövelhof als Anrainer der Senne könnte davon profitieren. Vor allem touristisch. Wie stehen Sie zu einem Nationalpark? Wir sind gegen die Ausweisung eines Nationalparks. Die gesamte Region ist eine Kulturlandschaft. Eine Landschaft, die von Menschen Hand geschaffen worden ist. Aber auch eine Region, die sich durch wirtschaftliches Wachstum in den letzten Jahren ausgezeichnet hat. All das, was man dort plant, dient nur dem Zweck, dass man ein Auge auf die Senne geworfen hat. Für einen Nationalpark Senne benötigt man auch Flächen drumherum, die man der reinen Natur überlassen kann. Wir haben uns schon vor 20 Jahren sehr stark dagegen gewehrt, dass unsere heimische Senne in die Hände von Landesbeamten und Ökologen kommt. Die Senne ist von unseren Vorfahren geschaffen worden und sie soll so bleiben, wie sie jetzt besteht. Sie soll naturbelassen werden, aber nicht das Etikett Nationalpark bekommen und nicht zu einer Fläche verkommen, die nicht mehr gepflegt wird. Sowohl die Senne und auch die Egge müssen gepflegt werden – auch in der Zukunft. Die Menschen in dieser Region haben das Recht darauf, dass sie sich landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und jagdlich, aber insbesondere auch wirtschaftlich weiter entwickeln können. Da bedarf es keiner Ökologen und Ideologen aus Düsseldorf. Nahwärme ist auch ein großes Thema. Wie viel kann man damit in Hövelhof erreichen? Wird der ganze Ort angeschlossen? Wir sind der Zeit ganz gut voraus gewesen. Wir haben schon seit einiger Zeit eine Nahwärmeversorgung für die Industrie durch private Anbieter. Wir haben uns jetzt auch als Ankerkunde betätigt, in dem wir unser Schulzentrum und unser Hallenbad an die Nahwärmeversorgung anschließen. Dafür werden aktuell die Leitungen gelegt, da werden wir sukzessive dann die Wohnbebauung auch in ganz Hövelhof mit anbinden. Wir überlegen auch, ob wir uns als Gemeinde der Nahwärme GmbH anschließen. Durch eine Beteiligung können wir auch mehr Einfluss gewinnen für die zukünftige Nahwärmeversorgung. Der neue kommunale Wärmeplan wird aktuell aufgestellt und er wird uns nochmal aufzeigen, wo es weitere Potenziale für ganz Hövelhof gibt. Das geht nicht von heute auf morgen, das wird noch in den nächsten 15 bis 20 Jahren ein Dauerthema sein. Gibt es noch Pläne für eine Ortsumgehung? Wir haben unsere Pläne beim Land NRW platziert und mehrfach dafür Anträge gestellt, weil wir dringend eine westliche Ortsumgehung benötigen. Unsere Ortsdurchfahrt ist in den Spitzenzeiten absolut verstopft. Leider ist die politische Meinung der Landesregierung, dass man keine zusätzlichen Straßen bauen möchte, sondern eher einen Rückbau der Straßen vorsieht. In absehbarer Zeit rechnen wir nicht damit, dass unsere Planung in den Landesverkehrsplan aufgenommen wird. Die Realschule und Hauptschule sind sehr beliebt. Ist der Schulstandort in der Konstellation gesichert? Zu Beginn der 2010er Jahre gab es ja die Tendenz, das bestehende, gut funktionierende Schulsystem zu zerschlagen. Viele Kommunen haben das getan. Wir haben damals dagegen gesteuert und an unserem Schulsystem festgehalten. Das hat sich jetzt ausgezahlt. Unsere Realschule erlebt einen Riesenboom. Wir gehen jetzt in die Fünfzügigkeit. Wir bekommen auch viele Schüler von den Nachbarkommunen, weil die Eltern sagen, dieses System mit dem Halbtagsbetrieb, mit der unmittelbaren Nähe auch zu den Betrieben, und der individuellen Förderung eines jeden Kindes, ist genau das Richtige. Wir werden jetzt Millionen investieren müssen für den Weiterbau der Realschule. Und unsere Hauptschule hat ebenfalls ihre Daseinsberechtigung, weil sie noch individueller, gerade diejenigen fördert, die Unterstützung benötigen. Vielleicht weil sie auch gerade erst in unser Land gekommen sind und unserer Sprache noch nicht mächtig sind. Wir sind fest davon überzeugt, dass unser Schulsystem auch in den nächsten Jahrzehnten eine Zukunft haben wird. In Hövelhof startet der bekannte Emsradweg. Ist die Infrastruktur an Radwegen ausreichend oder müsste man auch im Sinne der Mobilitätswende da noch nachbessern? Hövelhof war immer eine sehr Radfahrer freundliche Kommune, das liegt natürlich auch an unserer Topografie. Die Fernradwege sind ein zusätzlicher Baustein, um den Menschen von außerhalb Hövelhof zu zeigen. Aber durch den gewachsenen Verkehr haben es Radfahrer nicht immer einfach. Hier möchten wir in den nächsten Jahren durch den Bau weiterer Radwege nachsteuern. Wir sind gerade dabei ein Radverkehrskonzept aufzustellen, was sich auch ein wenig an dem Konzept des Kreises orientiert. Das Hallenbad ist in privater Trägerschaft. Sehen Sie darin Chancen oder auch Risiken? Da sehe ich fast ausschließlich nur Chancen. Es wird ein Hallenbad der Bürger sein. Ein Hallenbad, das mit den Ideen der Gesellschaft gebaut wird. Es wird jetzt auch günstiger gebaut, wir als Kommune hätten wahrscheinlich 16 Millionen Euro investieren müssen, jetzt wird es für 10 Millionen gebaut. Auch im laufenden Betrieb wird es als GmbH mit dem Anwerben von Spenden und dem ehrenamtlichen Engagement sicherlich einfacher sein, als wenn es mit kommunaler oder staatlicher Hand betrieben würde. Im Ortskern ist schon viel passiert, auch im Bereich des Jagdschlosses. Was muss sich für einen attraktiven Standort noch ändern? Hövelhof ist im letzten Jahrhundert sehr schnell gewachsen. Früher war im Ortskern gar nichts, plötzlich überrollte sich alles. Das haben wir in den letzten Jahren versucht, ein wenig zu ordnen. Wir werden an dem Konzept sicher noch weiterarbeiten müssen. Da ist die Bahnhofstraße, die zu erneuern ist. Ebenso die Allee Richtung Senne. Dann sollte unser Ortskernkonzept abgeschlossen sein, wir können nicht von heute auf morgen einen ganzen Ort umkrempeln. Sie sind ja nicht nur Bürgermeister, sondern auch in diversen Aufsichtsräten und Vereinen aktiv. Was machen Sie in Ihrer knapp bemessenen Freizeit? Ich mache gerne Musik und spiele mit den Siene Puttkers oder allein zu Hause. Ich versuche mich, mit ein wenig Tennis fit zu halten. Wir haben seit einem Jahr auch einen kleinen Enkelsohn, mit dem man natürlich auch versucht, so viel Zeit wie möglich zu verbringen. Wie können Sie nach langen Arbeitstagen abschalten? Mit Musik, die spielt bei mir eine ganz große Rolle.Ich fahre auch gerne mit dem Rad durch unsere Sennelandschaft und tausche mich natürlich auch gerne in der Familie aus. Welche Musik hören Sie? Ich höre auch klassische Musik, aber überwiegend höre ich Irish Folk oder Rock. Ich bin großer Fan von Bruce Springsteen. Ich war erst bei einem Livekonzert von ihm in Dublin. Wie und wo verbringen Sie gerne Ihren Urlaub? Am liebsten in Irland. Ich liebe einfach die irische Mentalität, die Landschaft, die Musik, auch ein Glas Guinness in einem Pub. Die Iren sind manchmal etwas gelassener, etwas optimistischer als wir. Aus den Gesprächen kann man immer etwas mitnehmen. Wie ist denn die große Liebe zu Irland entstanden? Damals durch Konzertbesuche bei den Dubliners. Seit meinem ersten Besuch 1991 auf der Insel bin ich von Irland gefangen und mehrfach im Jahr dort. Wir laden seit Jahren auch irische Musiker nach Hövelhof ein. Unser Irish-Folk-Festival ist eins der größten in der Region geworden. Schon seit 2004 sind Sie Bürgermeister. 2025 sind die nächsten Kommunalwahlen. Werden Sie erneut kandidieren? Endgültig darüber entscheiden werden wir im nächsten Jahr. Das muss mit der Familie, mit politischen Freunden abgeklärt werden. Wichtig ist aber auch, das Ohr an der Bevölkerung zu haben – bin ich noch der Richtige für diesen Ort? Aber mir macht die Aufgabe als Bürgermeister auch weiterhin sehr, sehr viel Spaß und ich kann mir durchaus vorstellen, nochmal eine Runde dranzuhängen.

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