Kreative Köche erfinden im Kreis Paderborn die Blutwurst kulinarisch neu

Hövelhof. Als die Einladung der Initiative &bdquo;Westfälisch genießen“ in der Redaktionskonferenz besprochen wurde, schrie niemand spontan &bdquo;Hurra, ich übernehme das“. Das lag allerdings nicht an den Köchen oder am Termin, sondern an dem doch sehr speziellen Produkt, um das sich alles drehen sollte: Blutwurst. Auch ich habe so mein Problem mit dieser Wurst - seit der Kindheit. Damals wurde in unserem Keller noch jedes Jahr im Winter ein Schwein geschlachtet. Ich war als Kind natürlich interessiert dabei, auch wenn ich Hausmacherwurst nie gerne gegessen habe. Man erlebte die Hausschlachtung halt hautnah mit. Und musste auch helfen. Zum einen musste ich dafür sorgen, dass immer genug Holz in dem Ofen des Schweinpotts war und zum anderen musste ich in einem großen Kessel das Schweineblut umrühren. Von einem Kindheitstrauma will ich nicht sprechen, aber Blutwurst habe ich noch nie gegessen. Bis zum Termin im Gasthof Spieker in Riege. Lesen Sie auch: Mit Produkten aus dem Paderborner Land: Westfälisches Essen für die Seele Neugierig fahre ich los, denn fünf Köche der Initiative &bdquo;Westfälisch Genießen“ wollen zeigen, wie sich das Image der Blutwurst – sie sagen &bdquo;eine oft unterschätzte Spezialität“ - wandeln lässt mit Kreativität, Wissen und handwerklichem Können. Als großer Skeptiker, der Blutwurst ebenso meidet wie Sülze oder Mett, bin ich wohl ein geeigneter Kandidat, um das zu überprüfen. Blutwurst war als Restewurst verschrien &bdquo;Es ist klar, Blutwurst polarisiert“, sagt Friedrich Wilhelm Krüger, Geschäftsführer von &bdquo;Westfälisch Genießen“, bevor es in die Küche geht, um den Köchen über die Schulter zu schauen. &bdquo;Früher bei der Hausschlachtung wurde alles verwurstet, auch das Blut. Sie war als Restewurst verschrien, darunter hat ihr Ruf gelitten. Wir möchten alte Rezepte neu erzählen und zeigen, wie gut Heimat schmeckt“, betont Krüger. Dafür nutzen die Köche die Produkte von Metzgermeister Dirk Strunz aus Rietberg. Er ist auch vor Ort und gespannt, wie sein Handwerksprodukt veredelt wird. Dabei ist schon die Herstellung vielfältig. Er stellt sieben verschiedene Sorten Blutwurst her. Vom westfälischen Möpkenbrot über die schlesische Wellwurst bis hin zur Zungenrotwurst. Diesmal wird aber die Hausmacherwurst verarbeitet. &bdquo;Das Blut wird zum Färben beigemischt und je nach Wurstsorte sind nur fünf bis acht Prozent Blut drin“, erklärt Strunz. Der geringe Blutanteil beruhigt mich schon, aber nicht weitere Zutaten wie Schwarte und Speckwürfel, denn die sind auch nie mein Ding gewesen. &bdquo;Die Hauptzutat ist aber Fleisch“, schiebt der Metzgermeister schnell hinterher, als er mein Gesicht sieht. Die Cremigkeit einer Blutwurst lasse sich mit Brühe variieren und Schwarte sorge für die Schnittfestigkeit, erklärt Strunz noch. Dann geht es in die Küche, aus der es schon lecker duftet. Eine Blutwurst-Praline überrascht Dort wird schnell, aber äußerst sorgfältig gearbeitet. Vieles haben die Köche aber schon vorbereitet. &bdquo;Alle Gerichte sind nicht mal eben so zu machen. Wir braten nicht einfach Blutwurstscheiben an und legen Bratkartoffeln dabei“, sagt der Gastgeber Franz Spieker, während er hausgemachte Ravioli gefüllt mit cremiger Blutwurst zubereitet. Diese werden mit Pfifferlingsrahm und geröstetem Rosenkohl serviert. Jörg Haskenhoff vom Landgasthof Pappelkrug aus Halle verarbeitet geräucherte Blutwurst, die aber den – wie er sagt – besonderen Knack bekommt. Sie ist ebenso wenig zu sehen wie bei den Ravioli, denn sie steckt im knusprigen Strudelteig und kommt mit Belugalinsensalat auf den Teller - mit fein geschnittener Endivie, Apfelwürfeln und einer Apfelessigvinaigrette mit Senf. &bdquo;Das Gericht hört sich derbe an, ist aber sehr fein“, so Haskenhoff. Der Bielefelder Bernhard Kampmann (Schlichte Hof) nahm sich das Traditionsgericht &bdquo;Himmel und Erde“ vor. Auf dem mit Apfel verfeinerten Püree thront eine Praline, die er mir gleich präsentiert und öffnet. Darin ist eine dunkle Wurstmasse. Ich nehme eine Hälfte und wage es, zum ersten Mal Blutwurst zu essen. Gar nicht mal so schlecht, ist mein erster Eindruck. Eigentlich sogar richtig lecker, mein zweiter. Der Geschmack und auch die Konsistenz erinnern mich an Rinderwurst aus der Pfanne. Für ein Gericht muss erst einmal ein Tortenheber geholt werden Als er mir das Gericht erklärt, staune ich und weiß nun, wie viel Arbeit in so einer Praline steckt. Die in feine Würfel geschnittene Blutwurst wird mit glasig gedünsteten Zwiebelwürfeln mit Ei, Senf, Pfeffer, Muskat, Majoran, Sahne und etwas Pankomehl zu einem Wurstbrei verarbeitet. Dieser wird eine Stunde lang kaltgestellt. Aus der Masse formt er Kugeln, paniert sie mit Pankomehl und brät sie in Fett aus. Ähnlich aufwendig sind auch die Gerichte von zwei Köchen aus dem Ruhrgebiet. Günther Overkamp aus Dortmund serviert eine gegrillte Jakobsmuschel mit angebratenen Blutwurstscheiben und Erbsenpüree mit Minze. Für Dirk Eggers aus Sprockhövel muss erst einmal ein Tortenheber besorgt werden, denn er überrascht mit einer würzigen Westfalentorte. Auf einem Mürbeteigboden kommt eine Masse aus Steckrüben, Zwiebeln, Brühe, Sahne und reichlich Blutwurst, abgerundet mit Ei und Petersilie. Ich habe nach dem Genuss der Praline meine Abneigung gegen die Blutwurst abgelegt und probiere alle Gerichte. Bei der Verkostung merke ich den Köchen an, dass sie mit Genuss und Spaß und vor allem großem Interesse die Gerichte ihrer Kollegen probieren. Auch ich bin überrascht, dass mir alles geschmeckt hat. Mein Favorit ist die geräucherte Blutwurst mit dem Belugalinsensalat. Und hätte man mir nicht vorher gesagt, dass in jedem Gericht Blutwurst drin steckt, ich hätte es wohl nicht herausgeschmeckt. Alle fünf Köche haben gezeigt, wie wandlungsfähig westfälische Küche sein kann – auch mit einer nicht unbedingt angesagten Zutat.

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