Wie der Eklat um eine Leiche zum Stadtgespräch wird

Delbrück/Hövelhof. Zehn Wochen nach dem Tod eines Mannes aus Ostenland ist dessen Urne noch immer nicht bestattet. Seit zehn Wochen schwelt ein erbitterter Streit zwischen der Witwe und einem Hövelhofer Bestattungsunternehmen. Schwere Vorwürfe gegen den Betrieb haben sich schriftlich sowie per Internet und Kurznachrichten in der Region verbreitet. In Ostenland und Hövelhof erreichen Vorhaltungen und Gerüchte auch die Neue Westfälische seit Wochen als Tuschel-Thema. Mechthild Böckmann, die Lebensgefährtin des Toten, findet keine Ruhe mehr, die Bestatterfamilie sieht ihre Existenz davonschwimmen. Die Polizei ermittelt. Die NW hat mit beiden beteiligten Parteien sowie mit Beobachtern gesprochen. Diverse Schriftstücke sind der Grund, weshalb es die Vorgänge um den Umgang mit einer Leiche überhaupt in die Öffentlichkeit geschafft haben. Whatsapp-Nachrichten, Briefe und Fotos kursieren. Zuletzt werden kopierte Textseiten sogar in Hövelhofer Geschäften zum Mitnehmen ausgelegt. Darin schildert Mechthild Böckmann, wie sie sich vom Bestatter hintergangen fühlt und erhebt schwere Vorwürfe, ohne den Betrieb namentlich zu nennen. Die Schriften seien nur für ihren Anwalt und Freunde gewesen, sie habe sie nie per Facebook verteilt oder gedruckt auslegen lassen, versichert die 57-Jährige. Das müssten andere getan haben. Die Gerüchteküche kocht immer heftiger, von einem Friedhofsverbot für das Unternehmen ist sogar die Rede, die Gemeinde widerspricht jedoch auf NW-Anfrage. Böckmann ist im Gespräch hellwach, aber der Stress ist ihr anzumerken. Sie mache nachts oft kein Auge zu. Sie lässt kein gutes Wort am Bestatter, fühlt sich hinters Licht geführt und betrogen. Dabei kannten sich ihr Partner und der Beerdigungs-Unternehmer von der Jagd. Ihm wirft sie nun vor, den Leichnam ihres Mannes unwürdig behandelt zu haben. So ziemlich der schlimmste Vorwurf, dem sich ein Betrieb in dieser Branche ausgesetzt sehen kann. Es geht darum, wie der Tote hygienisch versorgt wurde, wann der Leichnam auf dem Weg ins Krematorium war und um einen Rosenkranz – im Kern geht es aber um Vertrauen. Berichte gehen auseinander Die Unternehmerfamilie ist seit 19 Jahren in der Branche, begleitete zuletzt monatlich mehrere Beerdigungen. Seit gut zwei Monaten sind die Anfragen extrem eingebrochen, sagt der Chef. Er möchte nicht genannt oder fotografiert werden. Aus Sorge ums Geschäft. &bdquo;Wir werden im Ort jetzt schon gemieden", sieht seine Frau das Resultat einer &bdquo;Hetzkampagne". Per Telefon habe es drei Morddrohungen gegeben. Dabei hätten sie sich &bdquo;nichts zu Schulden kommen lassen". Mit Überzeugung sagt ihr Mann: &bdquo;Wir haben nichts zu verbergen." Sie schildern im Gespräch den Ablauf der Absprachen mit Böckmann. Die Lebensgefährtin des Toten sei von Beginn an sehr aufgebracht gewesen. Doch zunächst sei alles so gelaufen wie ausgemacht. Bis Böckmann plötzlich den Toten noch einmal sehen wollte, als dieser schon Richtung Krematorium Diemelstadt unterwegs war. An dieser Stelle eskaliert der Streit – und die Berichte beider Seiten gehen deutlich auseinander. Mechthild Böckmann sagt, sie habe nach einem Telefonat mit der Frau des Bestatters Verdacht geschöpft, dass ihr Lebensgefährte nicht im richtigen Sarg transportiert werde. Sie berichtet, ein Telefonat habe zudem ergeben, dass das Krematorium nichts vom Leichnam wusste. Zum Showdown kommt es dann im Büro des Bestatters: &bdquo;Wo ist die Leiche jetzt?", ruft sie. Ein Streit bricht aus, bei dem neben der Unternehmerfamilie auch Böckmann, ihre Tochter und ein Bruder des Toten sowie ein hinzugerufener Polizeibeamter dabei sind. Nach Darstellung der Witwe ergab ein weiteres Telefonat vor Ort, dass dem Sammelleichenwagen des Krematoriums &bdquo;zwischen Hövelhof und Rietberg eine Leiche zugeführt wurde". Sie vermutet, der Bestatter habe ihren Partner hastig noch auf die Reise schicken wollen, um Versäumnisse zu vertuschen. Ihre Darstellung endet so, dass der Wagen des Krematoriums nach Hövelhof zurückkehrt, die Familie den Sarg mit einem Friedhofsgärtner eigenhändig Richtung Friedhofskapelle trägt, dort ein neuer Bestatter dazukommt und feststellt, dass der Sarg unverschlossen war. Böckmann behauptet, der Arm ihres Lebensgefährten habe unter seinem Rücken gelegen und der Körper sei vom Bestatter nicht fachmännisch behandelt worden. Familie trägt den Sarg die Straße entlang Die Bestatter-Familie lässt das nicht auf sich sitzen. Der Tote sei entsprechend der Corona-Regeln versorgt und der Sarg vom Krematorium ordnungsgemäß abgeholt worden. Doch dann habe die Einrichtung die Annahme verweigert, weil die Angehörige dort &bdquo;massive Drohungen" ausgesprochen habe. Deshalb sei der Wagen zurückgekommen und die Familie sei unter großen Emotionen mitsamt des Toten in seinem Sarg in Richtung Friedhofskapelle davongegangen. Über eine Anschuldigung, sie hätten zuvor den Rosenkranz des Toten gestohlen, können die Unternehmer nur den Kopf schütteln. &bdquo;Wir hatten vergessen, ihn beizulegen und haben ihn Frau Böckmann später zurückgegeben", sagt der Chef. Dass Kleidung oder der Arm eines Verstorbenen beim Transport verrutschen, könne passieren, sagen sie. Mittlerweile ist der Streit ein Fall für die Polizei. Das Unternehmen hat die Witwe wegen fahrlässiger Körperverletzung angezeigt, weil sie sie in der Corona-Hochphase angespuckt haben soll. Zudem haben sie wegen der telefonischen Morddrohungen Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Die Witwe stellte ihrerseits einen Strafantrag gegen den Bestatter wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Der Paderborner Polizeisprecher Michael Biermann bestätigt, dass die polizeilichen Ermittlungen derzeit noch laufen. Im Anschluss würden die Akten für das weitere Vorgehen dann an die Staatsanwaltschaft übergeben. Peter Voss hat einen solchen Fall auch noch nicht erlebt. Der Paderborner ist Vorsitzender der Bestatter im Kreisverband Paderborn/Höxter. Er teilt mit: &bdquo;Um mir selbst ein Bild zu machen, habe ich mit beiden Parteien ausführlich gesprochen. Jeder erzählt das Geschehene aus seiner Sicht. Jedoch stimmen die Schilderungen nicht überein. Welche Version nun stimmt, kann ich als Außenstehender auch nicht beurteilen. In jedem Fall hat das zu einer sehr bedauerlichen Situation geführt." Um diese aufzulösen, wird es wohl weitere Ermittlungen und möglicherweise einen Gerichtsprozess benötigen. Die Urnenbeisetzung des gestorbenen Ostenländers ist für den 25. Juli geplant.

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