Lebensretter Smartphone: Paderborner Notfall-Helfer liefern Liveübertragung

Kreis Paderborn. Wenn es im Rettungsdienst um Leben und Tod geht, zählt nur eine Währung: Geschwindigkeit. Im Kreis Paderborn sorgen immer mehr digitale Abläufe dafür, dass die Fachkräfte von Leitstelle, Rettungsdienst und Feuerwehr möglichst schnell und gut vorbereitet zu Patienten oder an Brandorte kommen. Neueste Errungenschaft der Leitstelle: eine Software, die über Handys der Ersthelfer Livebilder von Unglücksstellen liefert. &bdquo;Wie wichtig Tempo ist, haben wir am Unwettersamstag Mitte Juni und beim Tornado 2022 gesehen“, sagt Landrat Christoph Rüther (CDU) beim Besuch der Leitstelle in Ahden, wo aus dem Paderborner Land alle Anrufe bei der &bdquo;112“ ankommen. Zwischen 19 Uhr und 1 Uhr nachts gingen dort am 14. Juni rund 2.000 Telefonate ein, an normalen Tagen sind es 500 in 24 Stunden. Ereignisse wie dieses, so Rüther, machten die Bedeutung der digitalen Rettungskette deutlich. Daten können flott erfasst und bis zur Aufnahme im Krankenhaus weitergegeben werden. Das Team von Stephan Reckhaus, Kreisbrandmeister und Chef des Amts für Bevölkerungsschutz bei der Kreisverwaltung, will an möglichst vielen Stellen Innovationen für mehr Sicherheit nutzen. Deshalb kommt nicht nur die neue autonome Drohne für Erkundungsflüge zum Einsatz, sondern seit Jahresbeginn auch &bdquo;Emergency Eye“ (engl. Notfallauge), die Software eines Herstellers aus Grevenbroich. Ersthelfer werden zu Kameraleuten Die Idee hinter dem System ist so simpel wie genial. Geht etwa der Notruf eines Zeugen oder einer Angehörigen ein, und die Lage ist für die Mitarbeiter der Leitstelle nicht eindeutig, kann das Smartphone der Anrufer zur Videokamera des Leitstellenteams werden. &bdquo;Wir benötigen dafür aber die Mitarbeit der Anrufer, wir können uns nicht ungefragt auf ein Gerät aufschalten“, erklärt Jens Janzen, der Chef der Leitstelle. Geht es zum Beispiel um die Beschreibung einer Unfallstelle, sendet die Leitstelle dann eine SMS an den Anrufer, der darin einen Link anklicken muss. Danach stellt das System die Verbindung zum Handy her und Anrufer oder Anruferin können eine Liveübertragung an die Retter übermitteln. Zusatzfunktionen des helfenden Auges Wenn die Leitstelle im Bild auf etwas hinweisen möchten, lassen sich auch Bereiche markieren oder die Ersthelfer können Anweisungen entgegen nehmen. &bdquo;Das kann im Fall eines medizinischen Notfalls sinnvoll sein, wenn man sich etwa die Medikamente von Patienten zeigen lässt“, berichtet Janzen aus der Praxis. Die Mitarbeiter können auch Fotos auslösen und diese an Kollegen im Einsatz vor Ort versenden. Genutzt werden kann das Programm auch als Dolmetscher. &bdquo;Man kann in der Landessprache schreiben und es wird für die jeweils andere Seite übersetzt“, zeigt Janzen. Diese Option werde gebraucht, wenn ausländische Lkw-Fahrer beispielsweise von der A44 aus anrufen. Lesen Sie auch: Deutschlandweit einzigartig: Drohne fliegt in Paderborn der Feuerwehr voraus Wo es noch hakt Mehrmals pro Woche werde das System mittlerweile eingesetzt. Es gibt allerdings zwei Haken: An der Unglücksstelle muss Mobilfunkempfang gegeben sein und Handynutzer müssen Kamera- und Standortfreigaben im verwendeten Smartphone-Browser aktiviert haben. Erst dadurch wird die digitale Echtzeitunterstützung für die Leitstelle möglich. Wo die Aktivierung der Freigaben erledigt wird, ist abhängig vom Smartphone. Die Kosten Deutschlandweit sei &bdquo;Emergency Eye“ erst &bdquo;bei wenigen Leitstellen“ im Einsatz, wissen Reckhaus und Janzen. Paderborn ist also einer der Vorreiter. Das Investment für die Softwarelizenz belastet den Kreishaushalt dabei nicht übermäßig. Aktuell seien jährlich etwa 6.000 Euro zu zahlen, heißt es. Neueste Zahlen der Paderborner Leitstelle In der Kreisleitstelle wurden im Vorjahr 64.150 Notrufe registriert. Daraus entstanden 97.680 Einsatzfahrten für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Oberste Prämisse im Reckhaus-Team ist es, möglichst zügig Zeit beim Patienten oder an einer Brandstelle verbringen zu können. Die digitale Informationssammlung hilft dabei. Auch interessant: Mehr als 3.000 Feuerwehrleute stehen im Kreis Paderborn zur Hilfe bereit 112-Anrufe mit Digital-Vorteil Schon länger digitalisiert ist in Paderborn die sofortige Übertragung von exakten Standortdaten aller Anrufer bei der 112. Seit 2024 seien mittlerweile auch alle anderen Leitstellen in Deutschland an dieses System angeschlossen, sagt Janzen. So können Einsatzkräfte schon aufbrechen, wenn das Telefonat noch läuft. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Kreis Paderborn (@kreis_paderborn) Auto-Notruf überträgt Daten Ähnlich ist es bei Autos, die seit 2018 zugelassen worden sind. Sie übermitteln per automatischem &bdquo;eCall“ im Fall eines Unfalls dank eingebauter SIM-Karte ebenfalls exakte Standortdaten und können Retter schnell zum richtigen Ort lotsen. Übertragen werden auch die Zahl der Insassen, die Fahrzeugposition und der Fahrzeugtyp. Das Automodell kann für Retter bedeutend sein, wenn mit schwerem Gerät gearbeitet werden muss. So ist es bei E-Autos wichtig, zu wissen, wo das Hochvoltsystem zu trennen ist. Ein eCall kann auch manuell ausgelöst werden, wenn Autofahrer eine Notlage sehen. Dann wird umgehend die zuständige Leitstelle angerufen, selbst wenn gerade kein Handy im Auto ist. Wenn Uhr oder Handy alarmieren Fehlalarme mit Auto-eCalls seien &bdquo;sehr selten“, sagt Leitstellenchef Janzen. Anders verhält es sich mit ausgelösten Alarmen per Smartwatch oder Handy: &bdquo;Manchmal rücken wir aus und finden nur ein Smartphone, das jemand beim Abfahren auf dem Autodach verloren hatte.“ Dennoch habe die Technik ihre Berechtigung: &bdquo;Wir haben auf diesem Weg auch schon einem Waldarbeiter helfen können, der sich ins Bein geschnitten hatte. Dank der exakten Standortangabe konnten wir ihn im Wald finden.“ Nachrichten direkt aufs Handy: Hier gelangen Sie zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn

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