Haben Angeklagte aus dem Kreis Paderborn Pädophile gejagt?

Büren. Schenkt man Ansgar S. (Namen geändert) Glauben, so ist er – möglicherweise mit Abstrichen – auf der Anklagebank eines Gerichts fehl am Platz. Der 31-Jährige will nämlich im Dienst einer höheren Sache unterwegs gewesen sein, als er im Mai der Polizei ins Netz ging. Er will Jagd auf Pädophile gemacht haben und das so, wie es der Polizei nicht erlaubt ist: mit gefakten Accounts, die Männern vorgaukelten, sie würden Kontakt zu sehr jungen Mädchen knüpfen – mit Aussicht auf Sex. Wie berichtet, soll sich Ansgar S. auf dem Messenger-Kanal &bdquo;Telegram“ als das Mädchen &bdquo;Sofie“ ausgegeben haben, das erst in wenigen Wochen das 14. Lebensjahr vollenden würde. Der 31-jährige Bürener soll so vier Männer in eine Falle gelockt haben, indem er bei persönlichen Treffen dann damit drohte, diese öffentlich als Pädophile zu outen. Sein Schweigen ließ sich Ansgar S., der bei drei Taten von seinem alten Kumpel Bert F. unterstützt wurde, laut Anklage bezahlen. Ein Delbrücker soll sogar insgesamt 11.600 Euro berappt haben, einem anderen sollen sein Mobiltelefon sowie seine Armbanduhr abgenommen worden sein. Keine finanziellen Absichten des Initiators Ansgar S., der zuletzt in Büren lebte, weist im Grunde jede kriminelle Absicht von sich. &bdquo;Es ging meinem Mandanten nie um finanzielle Interessen“, sagt sein Verteidiger Hagen Seipel. Der 31-Jährige habe Pädophile aufdecken und von weiteren Taten abhalten wollen. Deshalb habe dieser beim Messenger-Dienst Telegram gefakte Accounts angelegt, um sich dort als sehr junges, nicht einmal 14 Jahre altes Mädchen auszugeben, so Seipel. Tatsächlich hätten Männer darauf reagiert. Diese hätten sogenannte Dickpics, also Penis-Bilder, geschickt, führt Verteidiger Hagen Seipel im Namen seines Mandanten aus. Um später die Chatpartner identifizieren zu können, habe sich der 31-Jährige dann gezielt Porträts schicken lassen. Wenn es tatsächlich zu Verabredungen kam, hätten diese Kondome und Gleitmittel mitgebracht, einige hätten sogar Kabelbinder und Panzerband bei sich gehabt. Einer der Männer, von denen in der Anklage die Rede ist, ist laut Ansgar S. sogar mehrfach seinen Fake-Accounts auf den Leim gegangen und habe ihm bei einem Treffen 1.000 Euro &bdquo;aufgedrängt“. Davon wiederum sei Bert F. &bdquo;ganz angetan“ gewesen. Den 27-Jährigen hatte der Bürener Ende April zumindest in groben Zügen in sein Treiben eingeweiht. Mutmaßliche Pädophile sollten Abreibung verpasst bekommen Er habe zahlreiche Nichten und Neffen, erklärt Bert F. vor Gericht, und so habe sein Kumpel bei ihm einen &bdquo;wunden Punkt getroffen“. Mutmaßlich Pädophilen eine &bdquo;Abreibung zu verpassen“ war demnach ganz in seinem Sinne. Und dass dabei anscheinend auch noch Geld zu machen war, galt ihm als &bdquo;willkommener Nebeneffekt“, wie Bert F.s Verteidiger Jan-Christian Hochmann ausführt. Die 10.000 Euro, die der Delbrücker laut Anklage gezahlt haben soll, will aber keiner der beiden Angeklagten erhalten haben. &bdquo;Es ging um den Schutz junger Mädchen“, sagt Verteidiger Seipel. Und so hat er an diesem zweiten Prozesstag kurz nach Beginn der Verhandlung Staatsanwältin Ulbricht mehrere Anzeigen übergeben. Sie betreffen die Männer, von denen in der Anklage als Geschädigte die Rede ist. &bdquo;Verabredung zu schwerem sexuellen Kindesmissbrauch“ und &bdquo;Vorbereitung sexuellen Missbrauchs von Kindern“ nennt er als mögliche Straftatbestände. Ausgangslage könnte für Prozess problematisch werden Für das Gericht könnte das eine schwere Bürde sein. Denn möglicherweise steht damit den Männern das Recht zu, eine Aussage zu verweigern – wenn die Gefahr besteht, dass sie sich durch die Schilderung der Geschehnisse selbst belasten könnten. Die Verhandlung wird am Montag, 11. Dezember, fortgesetzt. Die Kammer um die Vorsitzende Richterin Anne Zacharias hat schon weitere Termine für Januar in den Kalender eingetragen.

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