In Wewelsburg dienen Barackenwände jetzt als Zeitzeugen

Büren-Wewelsburg. Diese Räume haben viel Leid gesehen. Menschen, die entweder dem Tode geweiht, ausgebeutet oder von 1941 bis 1945 fern der Heimat festgehalten wurden. Bei manchen kam alles zusammen im KZ Niederhagen in Wewelsburg. Die Häftlingsküche auf dem Gelände, 1941 gebaut, diente ab 1943 als Umsiedlungslager und nach dem Krieg als Flüchtlingsunterkunft. Menschen zwangsweise hier untergebracht. Bis 2016 nutzte sie die Stadt dann für Sozialwohnungen, sogar eine Liebesarbeiterin bot hier ihre Dienste an. Jetzt ist die Baracke vom Kreis historisch restauriert worden und steht ab Samstag kostenlos für Besucher offen. Die Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg, Kirsten John-Stucke, spricht von einem &bdquo;Meilenstein". Es ist die letzte erhaltene von 17 Baracken des ehemaligen Konzentrationslagers direkt neben dem zur Gedenkstätte umgestalteten Appellplatz. Lange schlummerte ihr historischer Wert im Verborgenen, doch dann gibt es diesen einen Tag im Jahr 2016. Es ist der Fund einer Kritzelei in polnischer Sprache, der die eigentlich geplanten Umbauarbeiten für die Wewelsburger Feuerwehr zum Erliegen bringt: &bdquo;Es lebe das Königreich Polen" steht dort zu lesen. Weitere Worte müssen noch entziffert werden. &bdquo;Als diese Schrift eines Insassen, die von 1943 oder 1945 stammt, entdeckt wurde, haben die Denkmalpfleger einen Baustopp verfügt", erinnert sich Historikerin John-Stucke. Von nun an kommt viel in Bewegung. Der Kreis kauft der Stadt den Gebäudekomplex ab, die Wewelsburger Wehr bekommt für 1,1 Millionen Euro ein komplett neues Gerätehaus in der Nachbarschaft und der Kreis saniert die Baracke für 400.000 Euro. Nebenan sollen noch das Kreiskulturamt und der Bücherbus einziehen. "...so eingreifen, dass man die Arbeiten nicht sieht" Ab Samstag, 10. Juli, können sich Besucher bis Ende September von 14 bis 18 Uhr einen eigenen Eindruck vom Gebäude und dessen Geschichte machen. Dass historische Elemente wie Steinböden, Holzwände, Tapeten oder jahrzehntealte Brandflecken freigelegt und aufgearbeitet wurden, ist den Architekten Marcel Zorn und Carolin Heising aus dem Delbrücker Büro Gröne zu verdanken. &bdquo;Wir mussten so eingreifen, dass man die Arbeiten eigentlich nicht sieht", sagt Gröne über die entdeckten Böden aus der Zeit der Nazis, über Wände, die von Flüchtlingen in den 50ern oder den späteren Bewohnern zeitgemäß verschönert wurden. Wo das Kreis-Budget nicht mehr hergab, sicherten die Restauratoren entsprechende Stellen mit Japanpapier. So könnten sie zukünftig noch bearbeitet werden. Neu im Gebäude ist eine Zentralheizung. Sie wurde laut John-Stucke eingebaut, um Schimmel zu verhindern. Eine energetische Sanierung von Wänden und Dächern fiel aus, um die historische Substanz so wenig wie möglich zu verändern. Architekt Zorn berichtet, dass es Pläne gab, auf das bestehende Dach eine neue Konstruktion zu setzen. Doch die Denkmalbehörde in Münster legte ihr Veto ein. Die rund 20 Meter lange Behausung soll für all das stehen, was ihre Bewohner erleben und erleiden mussten. Landrat Christoph Rüther und Bürens Bürgermeister Burkhard Schwuchow (beide CDU) sind froh über die Restaurierung. &bdquo;Es wird etwas erhalten, das landes- und bundesweit Bedeutung hat", sagt der Bürgermeister. &bdquo;Wir sind dankbar, das Gebäude authentisch zeigen zu können. Die Besucher können im Inneren die Geschichte auf sich wirken lassen", verspricht der Landrat. Von den 400.000 Euro Umbaukosten hat der Kreis 80 Prozent getragen, der Rest stammt aus Fördermitteln. Laut Rüther und John-Stucke ist 2023 die Eröffnung einer Ausstellung in der Baracke geplant, möglicherweise soll zuvor der Keller mit seinen Gewölben zugänglich gemacht werden. Weshalb der Erhalt von Gebäuden aus der NS-Zeit immer wichtiger wird, sagt die Museumsleiterin: &bdquo;Bis zuletzt haben Zeitzeugen von ihren Erfahrungen berichtet und uns dazu ermahnt, dass sich diese Geschichte nicht wiederholen darf. Jetzt wo fast alle gestorben sind, erzählen Bauten aus der Vergangenheit. Trotz Digitalisierung ist es für uns Menschen wichtig, Orte selbst zu erfahren." Im KZ Niederhagen sind laut Historikern 1.285 Menschen gestorben.

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