Ein Dorf im Kreis Paderborn geht digital voran

Borchen-Etteln. Deutschland muss sich digital besser aufstellen und hinkt vielen Länder Europas hinterher – das wird schon ewig gepredigt, aber erst in der Coronakrise wurde allen bewusst, dass da wirklich noch sehr viel Luft nach oben ist. Ein Dorf in der Gemeinde Borchen hatte da aber schon vielen Einiges voraus. Etteln ist schon vor sieben Jahren angetreten, die Potenziale der Digitalisierung auch für Menschen, die in einem Dorf leben, zu erschließen. Nun ist der 1.850-Einwohner-Ort schon so gut digital aufgestellt, dass er die besten Voraussetzungen hat, Smart-City-Konzepte von der Stadt- auf die Dorfebene zu übertragen. &bdquo;Wir haben es geschafft, dass etwas verstaubte Image Ettelns aufzupolieren“, sagt Ortsvorsteher Ulrich Ahle. 2021 wurde mit der Erstellung einer Digitalisierungsstrategie begonnen, die kürzlich durch den Rat der Gemeinde einstimmig verabschiedet wurde. In der IT-Welt bewegt sich der 59-jährige Ulrich Ahle schon seit Jahren, unter anderem war er Leiter bei der Paderborner Firma Atos und nun ist er Geschäftsführer der Fiware Foundation in Berlin. Nebenbei findet er aber immer noch genug Zeit, in seinem Heimatdorf etwas anzuschieben und Ideen nicht nur zu entwickeln, sondern sie auch zur Realität werden zu lassen. &bdquo;Es ist sicherlich ein großer Vorteil, dass ich beruflich in diesem Bereich unterwegs bin und mich mit Förderprojekten sehr gut auskenne“, sagt Ahle. Doch alleine schaffe er das nicht, betont er: &bdquo;In Etteln gibt es schon immer ein traditionell stark ausgeprägtes Ehrenamt. Alles vereinsübergreifend.“ Auch im Ausbau der Digitalisierung packt die Dorfgemeinschaft mit an. Das beste Beispiel: als in Eigenleistung 47 Haushalte und landwirtschaftliche Betriebe ans Glasfasernetz angeschlossen wurden, halfen rund 60 Menschen mit und verlegten 30 Kilometer Glasfaser und erbrachten 3.400 Stunden. Nun verfügt in Etteln &bdquo;jede Milchkanne“, wie es Ahle salopp formuliert, über einen schnellen Internetanschluss. Weiße Flecken kennt man in Etteln nicht. Das sei einmalig im Kreis Paderborn und war der Grundstein, dass weitere digitale Angebote auch überall ankommen. Aber der Anfang sei nicht einfach gewesen, erinnert sich der Ortsvorsteher. Gerade Ältere musste man erst von den Vorzügen der Digitalisierung überzeugen. Das gelang: so kann dank des Glasfaseranschlusses nun die älteste Dorfbewohnerin mit 97 Jahren – mit Hilfe ihres Sohnes – über ein Tablett wieder Zeitung lesen, weil sie dort die Schrift größer machen kann. Ein anderer Bürger, der weit außerhalb wohnt und die Zeitung erst nachmittags per Postzustellung bekam, kann nun das E-Paper schon früh morgens lesen, nennt Ahle nur zwei Beispiele. 800 Buchungen für Ettcar Auch das E-Dorfauto &bdquo;Ettcar“ kommt bestens an. Der Siebensitzer ist mit dem Internet verbunden, kann über eine App gebucht und geöffnet werden und steht den Bürgern kostenlos zur Verfügung. Auch das sei einmalig im Kreis Paderborn. 800 Buchungen und 45.000 Kilometer Laufleistung nach gut zwei Jahren seien ein Beleg für die Akzeptanz dieses Autos in der Bevölkerung. Nun gibt es auch ein E-Lastenfahrrad, &bdquo;Ett-Cargo“ genannt, das genauso gebucht werden kann. Auch die Dorf-App &bdquo;Crossiety“ laufe in Etteln bestens. Gut 760 Bürger nutzen diese digitale Kommunikationsplattform und informieren sich darüber, was im und rund ums Dorf los ist. Es wurde auch an die gedacht, die kein Smartphone oder Tablett haben. Auf einem großen Bildschirm im Schaufenster der lokalen Bäckerei können im digitalen Schaukasten ausgewählte Nachrichten und Termine aus der Dorf-App gelesen werden. Digitale Lösungen sollen zusammearbeiten Noch können diese digitalen Lösungen aber noch nicht zusammenarbeiten. Das Problem haben laut Ahle auch größere Städte. Das soll nun mit lizenzkostenfreien Softwarekomponenten und Datenstandards für die Digitalisierung von der Firma Fireware geändert werden. Im ersten Handlungsfeld der Ettelner Digitalisierungsstrategie werde eine Lösung, die für eine Großstadt entstanden ist, auf die Anforderungen eines Dorfes transformiert, erklärt Ahle. Später werden intelligente Lösungen auch aus der Landwirtschaft, der Mobilität oder der Energiewirtschaft auf der Plattform integriert. Zum Ende des Projektes soll die Basis für eine Datenökonomie geschaffen sein. "Wir machen das, um Lebensqualität der Menschen zu erhöhen" Man ist in Etteln noch lange nicht am Ende der Digitalisierung angelangt. &bdquo;Die Technologie entwickelt sich immer weiter, ein Ende ist nicht absehbar. Wir machen das aber nicht um der Digitalisierung Willen, sondern um die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen“, sagt der 59-Jährige. So liege bereits eine Förderung vor für ein digitales Hochwasserwarnsystem, das in Etteln für ein geplantes neues Baugebiet eingesetzt werden soll, vor. Auch an die Energiewende wurde gedacht und ein Förderantrag für eine Agri-Photovoltaikanlage ist bereits gestellt. Um die ohnehin schon hohe Akzeptanz in der Bevölkerung noch zu erhöhen, gibt es Digitalpaten, die Senioren in die digitale Welt einführen. Jugendliche sollen Morgenmacher werden Zudem sollen Jugendliche und junge Erwachsene als so genannte Morgenmacher an das Ehrenamt herangeführt werden, um die Zukunft zu planen. &bdquo;Alles läuft bei uns ehrenamtlich“, betont Ahle noch einmal. Aber eine hauptamtliche Stelle, die bei dieser Digitalisierungsstrategie hilft, wird es ab dem 1. Oktober bei der Gemeindeverwaltung geben. Das sei eine dreijährige Projektlaufzeit. &bdquo;Wir haben den Nachweis erbracht, ein von der Breite der Bevölkerung getragenes ehrenamtliches Engagement von traditionellen auf digitale Projekte zu überführen. Dieses Momentum werden wir nutzen, um Etteln zu dem digitalen Leuchtturm-Dorf in Deutschland zu entwickeln“, hat Ahle den Ratsmitgliedern mitgeteilt. Dass diese Aussage keineswegs hochgegriffen ist, das hat der Ortsvorsteher zusammen mit einer starken Dorfgemeinschaft im Rücken bisher eindrucksvoll beweisen.

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