Wie ein Borchener Ort zum digitalsten Dorf Deutschlands wurde

Borchen-Etteln. Erster Platz für Etteln, zweiter Platz für Hong Kong: Das Dorf an der Altenau hat die Weltstadt am südchinesischen Meer abgehängt - zumindest bei der Digitalisierung. In Etteln funktioniert das, was alle wollen: die bürgernahe Vernetzung und der alltagstaugliche Einsatz moderner Technik. Ettelns Ortsvorsteher und Macher des digitalen Wandels, Ulrich Ahle, sagt: &bdquo;Wir sind das digitalste Dorf Deutschlands.“ Und er hat noch viel vor. Ettelns Ausnahmestellung hat nun auch der weltweit tätige Berufsverband von Ingenieuren, Technikern und Naturwissenschaftlern, IEEE, erkannt. Dort hatte Ahle gemeinsam mit der projektverantwortlichen Christine Wegner (Gemeinde Borchen) im Juni eine 20-seitige Bewerbung und ein Video für den globalen Smart-City-Wettbewerb eingereicht - und Ruhm und Ehre abgesahnt. Vor Ort in Pattaya waren die Ettelner am 31. Oktober nicht, doch die Siegerurkunde ist schon angekommen und hängt nun gerahmt im Bürgerhaus - ganz analog. Im 1.750-Einwohner-Dorf wird nicht einfach drauflos digitalisiert. &bdquo;Wir wollen seit dem Start unserer Initiative die Lebensqualität im Dorf erhöhen“, sagt Ahle, der auch beruflich im Digitalbereich beratend tätig ist. Nach Dorfwerkstätten und Zukunftskonferenzen zwischen 2013 und 2018 folgte in Etteln mit dem selbst verlegten Glasfasernetz 2020 ein Meilenstein. Schon damals wurde klar, was die Dorfgemeinschaft mit Ahles Führung umsetzen kann. Dorfauto &bdquo;Ettcar“ ein Erfolgsprojekt in Etteln Heute ist das elektrische Dorfauto &bdquo;Ettcar“ ein Erfolgsprojekt für alle Ettelner. Schon 95.000 Kilometer hat es seit 2020 abgespult, wird digital gebucht und ist weiter kostenlos für die Nutzer. Auch das mietbare Ettcargo-Lastenrad kommt an, die Mitfahrbank in der Ortsmitte ist digitalisiert, die Dorfapp wird rege zum Austausch genutzt und zusätzlich gibt es auch digitale Info-Stelen, die Passanten zur Verfügung stehen. 1,3 Millionen Euro Fördermittel des Bundes fließen seit Ende 2022 in die Erstellung eines digitalen Dorfzwillings, also einer Digital-Darstellung des Dorfes im Netz, wo Daten verschiedenster Sensoren abrufbar sind. Dabei geht es praxisnah um den Füllstand des Kleidercontainers und das Wetter - aber auch um Hochwasser- und Grundwasserstände entlang der Altenau und im Dorf. Ein Hochwasserfrühwarnsystem soll aufgebaut werden. Doch damit hört die Zukunft im Ort nicht auf, wie Ahle verrät. Schon im nächsten Jahr soll das erste Kabinenfahrzeug des Vereins &bdquo;Neue Mobilität Paderborn“ in Etteln fahren, als Vorstufe zum autonomen Fahrgasttransport aber zunächst noch mit Mensch am Steuer. Die Ettelner Feuerwehr wird, wie von der &bdquo;NW“ schon im Frühjahr berichtet, im nächsten Jahr eine Drohne nutzen können, die rund ums Dorf zu Einsätzen fliegt, während die Helfer noch auf der Anfahrt sind. Sie könne schnelle Lagebilder liefern. Auch in Paderborn werde eine solche Drohne stationiert. Lesen Sie auch: Ein ganzes Dorf teilt sich ein E-Auto - und es kostet keinen Cent Für die Ettelner könnte sich die Digitalisierung demnächst auch beim Strompreis bemerkbar machen. Das Dorf, das von Windrädern umzingelt ist und wo die Windkraft schon für viel Streit gesorgt hat, soll demnächst Zugang zu dynamischen Strompreisen erhalten. &bdquo;Etteln wird zum Testfeld für die Deutsche Energie-Agentur und unsere Partner Westfalenwind Strom und Westfalen Weser“, verkündet Ahle. So könne der Strompreis in Zeiten von Sonnenschein und/oder Wind deutlich sinken. Schon jetzt wird Strom fürs Dorf in einem zentralen Batteriespeicher gesammelt. Ein eigenes Rechenzentrum der Ettelner Digitalisierung soll künftig direkt in einem Windrad Energie beziehen, verspricht der Macher. Genug Strom ist zusätzlich vorhanden für eine intelligente Weihnachtsbeleuchtung, deren Licht sich je nach Wunsch verändern lasse, so Ahle. Andere Kommunen sollen Ettelns Beispiel folgen Der Welt-Digitalisierungspreis macht nun nicht nur die Ettelner mächtig stolz. Auch die Landesregierung, der Kreis Paderborn und die Gemeinde Borchen erweisen dem Dorf ihre Reverenz. Staatssekretär Daniel Sieveke aus dem NRW-Bau- und Digitalisierungsministerium ist voll des Lobes: &bdquo;Hier werden ganz pragmatisch Lösungen gefunden. Dabei sind immer die Bedürfnisse der Menschen die Basis der Entscheidungen.“ Landrat Christoph Rüther lobt die Offenheit der Ettelner für Kooperationen und rückt besonders Ulrich Ahle in den Fokus: &bdquo;Ohne dich gäbe es das alles hier nicht. Du hast deine Freizeit investiert, um den Ort so zu entwickeln.“ Borchens Bürgermeister Uwe Gockel bestätigt, &bdquo;dass die Bürgerschaft von den Ideen profitiert“. In einem Folgeprojekt, so kündigen Gockel und Ahle an, will Etteln die Basis dafür legen, dass auch andere Orte im Kreisgebiet digitaler werden: &bdquo;Wir wollen mehrere Kommunen einbinden, um Daten und Kräfte zu bündeln“, so Ahle, der aber noch nicht konkreter werden möchte. Das Interesse an Etteln ist groß: Kommunen aus OWL und dem Münsterland haben sich bereits alles angeschaut, im November steht der nächste Dorfrundgang mit Interessierten an. Wer die Besten sehen will, muss nach Etteln kommen. Ulrich Ahle reist demnächst zu einer Konferenz nach Hong Kong. Den Stand der Digitalisierung beim Zweitplatzierten kann er sich dann vor Ort anschauen - und wird vielleicht nach Tipps aus Etteln gefragt.

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