Gedenkstein als Tatwerkzeug? Fenster von jüdischem Haus im Kreis Paderborn eingeschlagen

Bad Wünnenberg-Haaren. Erschütternde Tat mitten in Haaren: Am Haus der jüdischen Familie Rosenberg ist am frühen Sonntagmorgen offenbar mit einem Gedenkstein eine Scheibe eingeschlagen worden. Der Staatsschutz der Polizei Bielefeld ermittelt. Es läuft die Suche nach den Tätern. Das Fenster liegt im Erdgeschoss zur Paderborner Straße, der Haarener Ortsdurchfahrt. Von außen ist ein siebenarmiger Leuchter sichtbar. Viktoria Rosenberg ist die Nachfahrin der von den Nazis verfolgten jüdischen Familie, die einst hier lebte. Sie sieht erst nach dem Aufstehen gegen 5.30 Uhr, was passiert ist. Ein Loch klafft in der Scheibe, Scherben liegen draußen auf dem Boden. Ein Gespräch mit einer Nachbarin liefert wenig später erste Erkenntnisse. Diese hatte nachts einen Knall wahrgenommen. Rosenberg: &bdquo;Sie hat zwischen 4 und 4.30 Uhr auch Stimmen auf der Straße gehört.“ Weitere Hinweise gibt es bislang nicht. Zwei Polizeibeamte aus Paderborn sind Sonntagfrüh zügig vor Ort und auch drei Beamte der Abteilung Staatsschutz der Polizei aus Bielefeld kommen, um sich ein Bild zu machen und Spuren zu sammeln. Viktoria Rosenberg vermutet einen antisemitischen Hintergrund der Tat. Der Staatsschutz bestätigt auf NW-Anfrage die Ermittlungen und bittet um Zeugenhinweise unter Tel. 0521 5450. Lesen Sie auch: Erstmals erinnern Stolpersteine an eine jüdische Familie aus Bad Wünnenberg Trug das Tatwerkzeug den Namen eines jüdischen NS-Opfers? In Haaren gab es in jüngster Vergangenheit keine vergleichbaren Vorgänge. Vor 50 Jahren ist, so Rosenberg, der jüdische Friedhof geschändet worden. Zuletzt haben auf dem Ehrenfriedhof Böddeken in Wewelsburg Unbekannte im Januar 2024 Kerzen mit rechtsextremen Symbolen abgestellt. Besonders perfide diesmal: Der oder die Täter in Haaren nutzten offenbar einen Gedenkstein, um die mit Panzerglas verstärkte Fensterscheibe des unter Denkmalschutz stehenden Hauses zu beschädigen. Als hier im Mai 2022 drei sogenannte Stolpersteine in Erinnerung an die Opfer der Familie Rosenberg verlegt wurden, fertigte Viktoria Rosenberg in Eigenregie noch weitere Steine an, meist handtellergroße Kiesel. Sie sind locker an der Hauswand aufgehäuft. &bdquo;Darauf habe ich die Namen von weiteren 27 ermordeten Haarener Juden geschrieben. Mit einem dieser Steine ist wohl auf die Scheibe eingeschlagen worden“, sagt Rosenberg. Von ihm seien Teile abgesplittert gewesen. Den Stein habe der Staatsschutz als Beweisstück mitgenommen. Entsetzt ist Bürgermeister Christian Carl (CDU) über die Geschehnisse: &bdquo;Es macht mich sprachlos, so etwas hier bei uns zu sehen. Ich hoffe, der oder die Täter werden schnell zur Rechenschaft gezogen.“ Die Fensterscheibe in Bad Wünnenberg Tatort bleibt vorerst unangetastet Auch Rosenberg ist durch die Geschehnisse emotional aufgewühlt. Sie ist traurig und enttäuscht zugleich. So manche Gespräche hat sie seit Sonntagmorgen geführt. Erstes Ergebnis: Den Tatort lässt sie weitgehend unangetastet. Die Scherben liegen weiter auf dem Bürgersteig, das Loch und die Risse in der Scheibe sind deutlich zu sehen. Einzig ein kleines Plakat hat die Hausbewohnerin von innen an die Scheibe geklebt, um sie notdürftig abzudichten. Es ist das Plakat einer früheren Sonderausstellung in der Wewelsburg über jüdisches Leben in der Region. Auf dem Bild zu sehen: Viktoria Rosenbergs von den Nazis ermordete Tante Helene mit ihrer Freundin. &bdquo;Ich werde es wohl so bis zum 9. November belassen“, sagt sie und hat dabei das Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 vor Augen, als durch das NS-Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen Juden - auch in Haaren - terrorisiert wurden. Zum Thema: Qualen und Sehnsüchte einer Jüdin in Wünnenberg Rosenberg ist Kämpferin für das Gedenken im Paderborner Land Viktoria Rosenberg war im Berufsleben als Förderschullehrerin tätig und ist engagierte Kämpferin für das Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus - gerade im Paderborner Land. Sie empfängt seit Jahren Schulklassen zu Hause, berichtet von ihrer Familiengeschichte. Sie recherchierte jüdische Regionalgeschichte, begleitet Ausstellungen und arbeitet intensiv mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Paderborn sowie mit der jüdischen Gemeinde in der Paderstadt zusammen. Auch interessant: Stolpersteine in der Stadt: Besonderer Gedenkort für Bad Wünnenberger Juden Die Attacke auf ihr Haus lässt die Gedenkarbeit nun erneut sehr persönlich werden. Rosenberg sagt betroffen: &bdquo;Ich finde diese Sache so schlimm, dass ich mich nicht traue, meiner Verwandtschaft in Israel davon zu erzählen. Das beschämt mich. Sie haben immer schon gesagt, dass ich aufpassen soll. Ich hoffe nun, dass sich die Täter melden. Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Klar wird im Gespräch: Viktoria Rosenberg lässt sich nicht einschüchtern. Sie hat gemeinsam mit dem Heimat- und Verkehrsverein Haaren für Dienstag, 7. Oktober, um 19 Uhr, zu einer Mahnwache vor ihrem Haus eingeladen. In einer im Dorf verbreiteten Botschaft heißt es: &bdquo;Wir dürfen alle nicht vergessen, wohin Hass und Gewalt schon einmal geführt haben. Das darf in unserem Dorf keinen Platz haben.“ 📲 News direkt aufs Smartphone? Hier gehts zum kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Paderborn

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