Kultur im Kneippkurort Bad Wünnenberg: Ein Programm fernab des Mainstreams

Bad Wünnenberg. Jeden Tag bekommt Jürgen Franke mehrere Anfragen von Künstlern. Der 73-jährige Bad Wünnenberger ist allerdings kein Manager oder Booker einer Agentur - er ist einer der Macher bei Kunst & Kultur im Kneippkurort. Natürlich ehrenamtlich. Seit nun 20 Jahren kümmert er sich zusammen mit Gertrud Tölle (76) um ein interessantes, ausgewogenes Programm. Mainstream ist nicht ihr Ding, sie wollen überraschen. Und Schluss ist noch lange nicht. &bdquo;Wir bleiben neugierig und versuchen, immer etwas Neues zu finden. Wir haben einen gewissen Anspruch und wollen Qualität bieten - immer etwas anders und besonders darf es sein“, sagt Franke, der mit Rockmusik der 60er-Jahre aufgewachsen ist und damals selbst mit seiner Band &bdquo;Schamlos“ auftrat und auch als DJ Jagger auflegt. Nicht umsonst hat er den Spitznamen &bdquo;Stones“. Lesen Sie auch: &bdquo;Wir machen weiter“: Kulturverein aus Bad Wünnenberg trotzt Krisen Aber sein Musikgeschmack hört bei Weitem nicht bei Mick Jagger und Keith Richards auf. Der ist sehr breit gefächert und geht über Blues, Folk, Jazz, Klassik und Weltmusik bis hin zu mongolischer Musik mit Kehlkopfgesang. &bdquo;Ja, das hatten wir auch schon hier. Sehr speziell, aber auch irgendwie einzigartig“, muss Franke schmunzeln. Auch nachdenkliche und ernste Themen gehören zum Programm Aber Musik bestimmt nicht nur das künstlerische Angebot von Kunst & Kultur. Lesungen, Kunstausstellungen, interreligiöse Begegnungen und auch Theateraufführungen gehören fest dazu. Das ist Gertrud Tölles Spezialgebiet. Das kommt nicht von ungefähr: Sie studierte französische und deutsche Literatur und war Lehrerin. &bdquo;Wir wollen nicht nur unterhalten, sondern auch nachdenkliche und ernste Themen anbieten, damit die Besucher davon auch etwas mit nach Hause nehmen“, betont Tölle. &bdquo;Das ist auch unser Anspruch“, schiebt sie nach. Sie war wie Franke schon dabei als Kunst & Kultur im Februar 2006 startete. Weitere Gründungsmitglieder sind Walter Scholand und Gertrud Vonnahme-Bär sowie die schon verstorbenen Johann Bär und Heinz Tölle. &bdquo;Wir gehören zum Verkehrs- und Kneippverein, sind kein eigener Verein, aber eigenständig im Handeln“, erklärt Jürgen Franke. Damals sei die Idee aufgekommen, im Verkehrs- und Kneippverein auch Kultur anzubieten. &bdquo;Stones“ Franke war gleich begeistert. &bdquo;Wir haben gleich losgelegt“, erinnert er sich noch genau, dass kurz darauf schon der erste Programmflyer verteilt wurde. Schnell etablierte sich das Programm, das von Kunst & Kultur immer mit viel Herzblut zusammengestellt wird. Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt waren in den vergangenen Jahren in Bad Wünnenberg und sind in verschiedenen Locations aufgetreten. &bdquo;Wir haben das Glück, dass wir hier gleich mehrere spannende Spielstätten nutzen dürfen. So finden wir auch immer zum Künstler das passende Ambiente“, so Tölle. Viele Künstler frühstücken bei Frankes oder Tölles Dazu zählt in erster Linie der Stucksaal im historischen Spanckenhof, aber auch in der Strandbar bei Wöhler-Technik, in der Scheune des Heimatvereins, im Aatalhaus, Kurpark, Foyer der Aatalklinik, in Kirchen und in der Antoniuskapelle sowie in der Kneipe &bdquo;Bei Wilms“ fanden und finden Veranstaltungen statt. Und mit dem &bdquo;Folk am Turm“ gibt es auch ein Open-Air, das jährlich über 300 Besucher anlockt. Allein durch die Eintrittspreise könne man die Events aber nicht finanzieren, so Franke. Es gebe aber Unterstützer und auch Kulturförderungen. Auch interessant: Für Kunst halten bei Wöhler die Maschinen an &bdquo;Dass sich Künstler und Besucher bei uns spürbar wohlfühlen, zeigen die vielen persönlichen Gespräche und Eintragungen in das Gästebuch unserer Homepage“, berichtet Franke. Nicht selten frühstückten oder übernachteten Künstler bei Frankes oder Tölles. Mit Ulla Meinecke, Katharina Franck von den Rainbirds, dem marokkanischen Percussionisten Rhani Krija, der schon für Sting und Peter Gabriel spielte, und der US-Blueslegende Lousiana Red zählen die beiden nur ein paar auf, die die familiäre Atmosphäre in Bad Wünnenberg genossen haben. Auch in den Spielstätten sollen sich sowohl Künstler als auch Besucher wohlfühlen. &bdquo;Wir richten immer alles sehr liebevoll her. Es ist unsere Wertschätzung für die, die zu uns kommen“, erklärt Gertrud Tölle. Dabei hilft ein zuverlässiges Team, darunter auch in Bad Wünnenberg lebende ehemalige Asylbewerber aus Afghanistan und Eritrea. Gertrud Tölle kümmert sich schon seit Jahren um die Integration von Geflüchteten. Daher sind ihr auch die interkulturellen und interreligiösen Konzerte (Avram) oder Kunstobjekte (Engel der Kulturen) sehr wichtig und gehören fest zum Programm von Kunst & Kultur. Würdigungen von den Bundespräsidenten für das große Engagement Dafür bekam Kunst & Kultur auch einige Dankesschreiben von Politgrößen, unter anderem von den Bundespräsidenten Gauck und Steinmeier. Gertrud Tölle erhielt zudem das Bundesverdienstkreuz für ihr soziales und kulturelles Engagement und Kunst & Kultur bekam 2022 die Anerkennung als &bdquo;Kulturelles Aushängeschild der Region“. Tölle hat sich auch intensiv mit der jüdischen Geschichte in Bad Wünnenberg beschäftigt und das Buch &bdquo;Wir waren Nachbarn“ herausgebracht. Der Blick zurück und das Erinnern ist Franke und Tölle sehr wichtig. Und so war in 20 Jahren auch ein Konzert gegen das Vergessen der persönliche Höhepunkt für beide. Das Niki-Jacobs-Ensemble aus den Niederlanden präsentierte zeitgenössische jiddische Lieder und den Mauthausen-Zyklus. &bdquo;Das war sehr bewegend. Anschließend gab es drei Klezmerstücke - der ganze Stucksaal hat gebebt“, erzählt Jürgen Franke mit Tränen in den Augen. Und solche Momente bestärken ihn und das Team von Kunst & Kultur darin, auch mit über 70 weiterzumachen - eben &bdquo;like a rolling stone“.

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