Lippspringes Bürgermeister zum Abschied: " Die Landesgartenschau ist ein Lebenswerk"

Bad Lippspringe. Nach elf Jahren nimmt Andreas Bee Abschied vom Amt des Bürgermeisters in der Kurstadt. Zum Abschied zieht er im NW-Interview Bilanz seiner Zeit an der Spitze des Rathauses. Herr Bee, Sie haben sich bereits im Juli 2019 entschieden, nicht erneut zu kandidieren. Jetzt ist der Zeitpunkt des Abschieds da. Wie schwer fällt es Ihnen? Andreas Bee: Die letzten Monate waren schwer. Man ist natürlich für die Mitarbeiter und sonstige Ansprechpartner der zukünftige Ex-Bürgermeister – man ist noch im Amt, aber alle wissen, dass es nicht mehr lange währt. Dieses Loslassen ist mir schon ein bisschen schwer gefallen, aber auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sehr bedauerlich ist auch, dass sehr viele Außentermine wegen der Corona-Pandemie ausgefallen sind. Am meisten weh getan hat mir, dass ich keine Runde mehr machen konnte, um mich bei den vielen Menschen, gerade im ehrenamtlichen Bereich, zu verabschieden. Sie haben mal gesagt, Ihr Team und Sie hätten die Stadt aus dem Dornröschenschlaf geholt. Was haben Sie alles wach küssen müssen? Bee: Bad Lippspringe war ja in eine Art der Depression verfallen seit die Seehoferschen Gesundheitsreformen das Kurleben zerschlagen haben. Bad Lippspringe hat noch seinen Kurs gesucht, unseren Kliniken ging es wirtschaftlich nicht so gut. Aber als wir 2011 das Bewerbungsverfahren für die Landesgartenschau gewannen, entstand eine neue Aufbruchstimmung. Die Menschen haben das Gefühl gehabt und in ihren Herzen getragen: Wir sind Landesgartenschau! Das hat eine so tolle, positive Stimmung hervorgerufen, die man fast als Welle bezeichnen kann, auf der wir in die Zukunft geritten sind. Bis 2017 haben wir fast 40 Baustellen abgewickelt und die Lippspringer haben das mit einer Engelsgeduld ertragen, weil sie wussten 2017 wird ein tolles Jahr. Das kann ich nur sagen: Chapeau! War die Landesgartenschau so gesehen die Initialzündung für die Entwicklung der Stadt? Bee: Eindeutig. Es kam noch hinzu, dass wir 2011 den Achim Schäfer als Geschäftsführer des MZG gewinnen konnten und somit eine Parallelentwicklung hatten. Aber ohne eine tolle Aufbruchstimmung kann man so etwas Großes nicht leisten. Wie haben Sie es geschafft, die Parteien für sich und Ihre Ideen zu gewinnen? Hat man es als Unabhängiger leichter? Bee: Ich glaube, dass die Gesprächssituation zwischen mir und allen Fraktionen in all den Jahren gut war. Natürlich hatte ich nicht nur Freunde und Unterstützer, aber mir war es immer wichtig, mit allen im Gespräch zu sein. Es ging in allen Dingen, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben, immer um das Wohl der Stadt. Gerade bei den großen Entscheidungen war die Zustimmung oft einstimmig oder stark mehrheitlich. Nur ganz selten war etwas auf der Kippe. Kommunikation war der Schlüssel für die Einigkeit. Als parteiloser Bürgermeister hat man nicht seine Fraktion, zu der man regelmäßig geht – das ist ein Vorteil. Ich habe immer versucht, zu verdeutlichen, dass es mir aufrichtig um das Wohl der Stadt geht und niemals um irgendwelche Partei- oder Klientelinteressen. Ich glaube, das ist auch gelungen. Nun folgt auf Sie mit Ulrich Lange ein CDU-Bürgermeister. Was geben Sie ihm mit auf den Weg? Bee: Wir haben schon miteinander gesprochen. Es hat sich bewährt, mit allen Parteien im Rat im Gespräch zu sein und zu bleiben und gut vorbereitet in die Gespräche zu gehen. Letztendlich muss jeder, der dieses Amt ausfüllt, seinen eigenen Weg finden und seine eigenen Erfahrung machen. In der Corona-Pandemie kommt Bad Lippspringe mit den Spezialkliniken eine besondere Aufgabe im Kreis Paderborn zu. Sind die Kliniken für die nun ansteigenden Zahlen gerüstet? Bee: Das Management, die Kooperation von Geschäftsführung, Chefärzten unter Einbeziehung des gesamten Personals ist vorbildlich. Das hat auch Gesundheitsminister Spahn vor einigen Wochen bei seinem Besuch hier erfahren. Unsere Karl-Hansen-Klinik ist top aufgestellt. Darauf haben wir schon vor dem ersten Lockdown hingearbeitet. Wir haben mit unseren Reha-Kliniken sogar die Möglichkeit, Ausweichkrankenhäuser zu schaffen. Aber mit dem jetzigen Lockdown verbinden wir ja die Hoffnung, dass wir die Intensivkapazitäten nicht ausreizen müssen. Unsere Kliniken sind vorbildlich aufgestellt. »Die Gemeinde hat sehr, sehr viel fürs MZG getan« Das MZG stand leider auch oft aufgrund der Tarifverhandlungen in den Schlagzeilen. Sehen Sie da ein versöhnliches Ende und konnten Sie vermitteln? Bee: Ich habe versucht, dort zu vermitteln. Schon seit vielen Jahren, seit Bestehen des Aufsichtsrates, ist es unser Wunsch – auch der der Geschäftsführung – den TVöD zu bezahlen. Aber es muss alles auch wirtschaftlich machbar sein. Man kann nicht einfach sagen, es ist ein kommunales Unternehmen und wenn die Wirtschaftlichkeit in Gefahr ist, dann kann ja die Gemeinde einspringen. Die Gemeinde hat sehr, sehr viel fürs MZG getan, rund 15 Millionen Euro in den letzten Jahren dort investiert. Wir sind aber nicht in der Lage alle finanziellen Herausforderungen anzunehmen. Daher muss es im Rahmen der Wirtschaftlichkeit ausgewogen sein, welche Gehälter man bezahlt. Ich hoffe, dass Verdi das versteht. Die Zukunft wird zeigen, ab wann man welche Gehaltssteigerungen in Kauf nehmen kann. Einer ehemaligen Klinik geht es derzeit weniger gut. Wie sehen Sie die Zukunft der Auguste-Viktoria-Klinik? Bee: Wenn die Dinge, die das Thema Denkmalschutz betreffen, vor knapp zehn Jahren etwas anders gelaufen wären, dann hätte der Rat und die Bürgerschaft es selbst in der Hand zu entscheiden, was dort passiert. Nun ist es Aufgabe des neuen Stadtrates, sich mit den neuen Konzepten zu beschäftigen. Im südlichen Bereich haben wir schon alle Baugrundstücke verkauft, im Norden gibt es weiteres Bauerwartungsland, aber das ist Zukunftsmusik. Eine Kur- und Badestadt ohne Freibad geht eigentlich nicht. Wie soll es da weitergehen? Bee: Ich habe seit mehr als fünf Jahren versucht, Fördermittel zu generieren, wir hatten aber keine Förderzugänge. Mit dem Stadtrat waren wir uns einig, dass wir als Stadt mit so vielen Investitionsstellen, die vier bis fünf Millionen für ein Freibad nicht ohne Fördermittel stemmen können. Wir alle wussten, dass das Bad marode war, aber aufgrund unserer finanziellen Möglichkeiten haben wir immer gehofft, dass ein passendes Förderprogramm auf den Markt kommt. Aber dass das Bad in diesem Jahr so havariert, dass wir es nicht mehr betreiben können, war doch überraschend. Jetzt haben wir aber einen Fördertopf in Sicht. Wir haben den Antrag bei der Bezirksregierung fristgerecht eingereicht. Jetzt können wir nur hoffen, dass wir nächstes Jahr die Förderzusage bekommen, damit wir mit dem Neu- oder Umbau 2021 beginnen können. In Ihrer Amtszeit haben Sie vieles auf den Weg gebracht. Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz? Bee: Die Landesgartenschau ist für meine Begriffe ein Lebenswerk. Da bedanke ich mich bei allen, die da beteiligt waren. Auch bei den Bad Lippspringern, die gesagt haben: Das ist unser Ding! Das war einfach großartig. Darin stecken natürlich tausende von Arbeitsstunden. Das Jahr 2017 ist wie ein Rausch, so unwirklich, an mir vorübergegangen. Es wurde alles sehr gut angenommen. 600.000 Menschen kamen und wir haben auch noch Geld dabei verdient – das ist keine Selbstverständlichkeit. Mehr geht nicht – das war ein absolutes Highlight, was ich mit meiner Mannschaft für unsere Stadt erreicht habe. Wenn es am schönsten ist, sollte man gehen. Und das war auch im letzten Jahr der Anlass für mich, nicht mehr zu kandidieren. Man hört es deutlich: Die Landesgartenschau war Ihr Highlight. Bee: Ja sicherlich, aber es waren auch die Stadtentwicklung, das MZG, die stabile Ausrichtung auf den deutschen Gesundheitsmarkt oder unser Tourismus von enormer Wichtigkeit. Wenn man das MZG nimmt: es steht wirtschaftlich sehr gut da, die Anzahl der Arbeitsplätze wurde beinahe verdoppelt, die Kliniken sind saniert beziehungsweise werden noch saniert. Unsere Hotels stünden ohne Corona selbst im landesweiten Vergleich super da. Wir haben das Thema Heilwald als erster Waldstandort in NRW aktiviert, das ist ein ganz wichtiges Zukunftsthema. Und wir haben die Nachhaltigkeit der Gartenschau sichergestellt durch Top-Veranstaltungen. Sie haben viel Aufsehen erregt mit der Idee, auf dem Marktplatz einen Supermarkt zu errichten und dort auch mit dem Rathaus einzuziehen. Warum ist daraus nichts geworden? Bee: Mir war natürlich bewusst, dass ich mit dieser Innovation in ein Wespennest steche. Bei Veränderungen des gewohnten Umfelds gibt es immer Widerstände. Wäre es gelungen aus dieser Liegenschaft ein Verwaltungs- und Versorgungskomplex mit 120 Parkplätzen zu machen, bin ich mir sicher, dass es einen riesigen Impuls für die Stadt gegeben hätte. Ich war mir natürlich bewusst, dass das voll in die Hose gehen kann. Aber es nicht anzusprechen, aus Angst, dass es Gegner geben könnte, das ist nicht mein Stil. Feigheit gehört nicht zu meinem Lebensentwurf. »Feigheit gehört nicht zu meinem Lebensentwurf« Bad Lippspringe boomt, zumindest bei der Bevölkerungsentwicklung. Wie erklären Sie sich das? Bee: Wir haben keine Dörfer, sind ein Ortsteil – es ist alles kompakt. Wir haben eine tolle Nahversorgungssituation, man kann alles fußläufig erreichen. Wir sind hervorragend für den Fahrradverkehr erschlossen. Wir haben die Nähe zu Paderborn und eine gute ärztliche Versorgung. Die Menschen kommen hier her, weil sie Bad Lippspringe als sehr attraktiven Standort erkannt haben – das gilt nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für jüngere. Das sieht man deutlich an den Geburtenzahlen. 2010 hatten wir 133 Geburten und letztes Jahr waren es bereits 170. Die Menschen fühlen sich hier wohl, sie investieren hier. Es wird auch in den Gärten gebaut oder Altbauten werden saniert. So mussten wir keine Wohngebiete an den Ortsrändern ausweisen, so dass der Ortskern lebendig bleibt. Zudem haben wir eine gute Kindergarten- und Schulsituation. "Viele Menschen haben im Kurwald geweint" Gab es auch mal eine Zeit, wo sie die Brocken am liebsten hingeschmissen hätten? Bee: Ja, 2014 war für mich persönlich das schwerste Jahr. Für die Entwicklung des Landesgartenschau-Geländes mussten wir mehrere tausend Bäume aus dem Kurwald entnehmen, damit Licht in den Wald kam. Obwohl wir das der Öffentlichkeit bekannt gemacht hatten, war es für viele ein Schock. Viele Menschen haben im Kurwald geweint und meinten wir reißen alles ab. Ein halbes Jahr später war das vorbei, weil man erkannte welche landschaftsbauliche Architektur dahintersteckte. Aber in dieser Zeit wurde ich sehr angefeindet. Auch wenn der Rat alles gemeinsam beschlossen hatte, suchen die Menschen eine natürliche Person, auf die sie ihren Ärger fokussieren können. Wie sind Sie eigentlich zur Politik gekommen? Bee: Den klaren Impuls dafür habe ich als Kämmerer und allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters der Stadt Willebadessen bekommen. Ich war 2005 von der Bezirksregierung auf den kommunalen Spitzenposten gewechselt und es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich habe dort die Kommunalverwaltung aus erster Hand kennengelernt. Da ist mir bewusst geworden, dass ich es mir vorstellen kann, in meiner Heimatstadt Bürgermeister zu werden. Gab es auch mal Überlegungen einer Partei beizutreten? Bee: Nein. Meine Lieblingsfarbe ist bunt. Jeder von uns, der mal seine politische Gesinnung hinterfragt, wird erkennen, dass in fast jeder Partei etwas Gutes steckt. Werden Sie sich weiterhin politisch engagieren? Bee: Nein, definitiv nicht. Man sollte den Zeitpunkt erkennen, dass jetzt neue Leute dran sind. Ich höre am 31. Oktober auf und kann nur allen, die nach mir kommen, viel Erfolg wünschen. Was ist ihr Plan für die Zukunft? Bee: Ich will mich selber erst einmal testen, wie ich mich in einer neuen Lebenssituation fühle. Es gibt sicherlich Überlegungen, aber die sind ganz vage. Ich habe keine konkreten Pläne. Eins weiß ich aber bestimmt: Ich werde mich aus Öffentlichkeit und Politik zurückziehen.

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