Bad Lippspringe. Die Zahlen sind erschreckend, sagt Stadtplaner Wolfgang Haensch. Vor zehn Jahren hat er für das Beratungsunternehmen Cima zum ersten Mal ein Konzept für den Einzelhandel in Bad Lippspringe erstellt. Am Mittwoch stellt er im Stadtrat ein erstes Ergebnis einer Fortschreibung vor.
"Die Zahlen sind besorgniserregend", sagt Haensch. Seit 2009 ist die Zahl der Geschäfte in der Stadt um ein Viertel auf 97 gesunken. Statt 17.000 Quadratmetern Verkaufsfläche gibt es nur noch 14.000. Und statt 60 Millionen Euro setzen die Händler nur noch 54 Millionen um. Auch die Kaufkraft sei gesunken, sagt Haensch und stellt eine "schleichende Erosion im Schatten von Paderborn" fest.
Mehr Leerstände als vor zehn Jahren
Vor zehn Jahren wurde die Innenstadt als zentraler Versorgungsbereich festgelegt. "Da sollte sich der Einzelhandel konzentrieren, das muss der Kern sein." Daran hat sich nichts geändert, doch das Gegenteil ist passiert. Es gibt mehr Leerstände als damals. Haensch sieht "keinen Grund", warum es wieder mehr Betriebe geben könnte.
Es sei denn, ein großes Lebensmittelgeschäft würde als so genannter Frequenzbringer die Menschen in die Innenstadt locken. Zwei Anfragen liegen der Stadt dazu mittlerweile vor, Haenschs Büro hat beide Varianten untersucht. Die eine sieht einen großen Supermarkt vor, einen so genannten Vollsortimenter. Variante zwei würde den Umzug eines Discounters in die Innenstadt bedeuten. Zusätzlich soll ein Drogeriemarkt einziehen.
Auswirkung auf umliegende Kommunen untersucht
Die Stadtplaner haben auch untersucht, wie sich die Projekte auf den Handel in der Stadt und in den umliegenden Kommunen auswirken würden. Beide seien "ökonomisch tragfähig und regionalplanerisch nicht zu beanstanden", sagt Haensch. Weil Variante eins den Edeka in der Marktstraße bedroht und Variante zwei ein neues Drogerieangebot schafft, zieht Haensch letztere vor.
Vor einer Entscheidung für Discounter oder Vollsortimenter, die auch die zusätzlichen Verkehrsströme und die Parksituation mitbedenken sollte, müssten sich die Ratsleute über den Abriss des Rathauses verständigen. Eine emotionale Angelegenheit, weiß Haensch. Er wirbt sogar dafür, über das Gebäude und den Platz hinaus das gesamte Quartier in den Blick zu nehmen, in seinen Augen "eine offene Wunde". Haensch: "Warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?"
"Gäste wollen flanieren"
Für Bürgermeister Andreas Bee muss das wie eine Bestätigung klingen. Er wirbt dafür, das Thema Rathausabriss und Lebensmittelmarkt "visionär" anzugehen und auf die Magnetwirkung eines Geschäfts zu setzen, um die Innenstadt zu beleben. "Für Gäste und Patienten ist das ein großer Wert, sie wollen flanieren und Geschäfte sehen", so Bee. Wenig später unterbricht der die aufkommende Diskussion der Ratsmitglieder mit einem Verweis auf den nichtöffentlichen Teil der Sitzung. Dort werde es wichtige Informationen geben, die zum Erkenntnisprozess beitrügen.
Norika Creuzmann von den Grünen hatte sich da schon dafür ausgesprochen, keine Denkverbote aufzustellen. Ohne vorher die Verkehrsfrage zu klären, sei jedoch keine vernünftige Entscheidung möglich. "Der Rat muss sich umfassend informieren", so Creuzmann. Vertreter anderer Fraktionen äußerten sich teils skeptisch wie Winfried Bock (FWG). Er könne sich nicht vorstellen, was das Vorhaben für die jetzigen und kommenden Leerstände bedeute, so Bock.
Um die zu bekämpfen, müsse der Wirtschaftsförderaussuschuss "öffentlich Druck aufbauen, wie auch immer", foderte Holger Karenfeld (SPD). Außerdem sei eine Frage zu beantworten: "Wie bringt man die Lippspringer dazu, in Lippspringe einzukaufen?" Die Zahlen von Haensch belegen klar, dass viel Geld aus der Badestadt nach Paderborn oder Schlangen und in den Online-Handel fließt.
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