Nationalpark-Debatte: Was die Egge vom Kellerwald lernen kann

Kreis Paderborn/Vöhl. Was manche im Hochstift noch erreichen wollen, ist in Nordhessen schon Realität. Der Nationalpark Kellerwald-Edersee ist eine Erfolgsgeschichte – sagen ein Nationalpark-Aktivist der ersten Stunde, ein Tourismus-Chef und ein Lokalpolitiker. Der Naturschützer, der Marketing-Mann und der Lokalpolitiker präsentieren sich als Einheit, während sie eine Reisegruppe des Paderborner Kreistags empfangen. Der Besuch der Politiker soll in der Debatte um einen Nationalpark Egge Informationen liefern. Er wirft aber auch Fragen auf. Achim Frede gehörte den Naturschützern an, die jahrelang die Einrichtung eines Nationalparks für die Buchenwälder des Kellerwalds forderten. Heute ist der Diplom-Biologe stellvertretender Leiter des 2004 gegründeten Parks, der 2020 erweitert wurde. &bdquo;Menschen können hier unverfälschte alte Wälder sehen. Das hat sich bewährt, damit werben wir“, sagt er den Besuchern aus dem Paderborner Land im Nationalparkzentrum Vöhl. Die knapp 7.700 Hektar des Parks sind von einem 60.000 Hektar großen Naturpark umgeben, der Nationalpark gehört mittlerweile sogar zum Unesco-Weltnaturerbe – wie die Serengeti oder der Grand Canyon. Claus Günther vermarktet die Region als Tourismuschef. Den Nationalpark nennt er &bdquo;das Aushängeschild“. In der Region spiele der Tourismus &bdquo;eine wesentliche Rolle“, sagt er und präsentiert die Zahl von 2,2 Millionen jährlichen Übernachtungen mit einem Umsatz von 570 Millionen Euro in der Naturpark-Region. Dadurch seien rechnerisch 14.000 Arbeitsplätze entstanden in Gastronomie, Hotellerie, Handel und Handwerk. Die Gäste kämen, sagt Günther &bdquo;um die Natur zu erleben“. Edersee als Besuchermagnet Im Vermarktungsdeutsch spricht er von &bdquo;Qualitätsnatur“ mit gut ausgeschilderten und urig angelegten Wegen. Der Urwaldsteig und der Kellerwaldsteig sind für Kurzurlaube beliebt. &bdquo;Wir alle wollen die Region entwickeln und machen alles zusammen – als Nationalpark, als Kommunen und als Tourismus“, sagt Günther. Klar wird aber auch: Neben der Natur, die auch die Egge in urtypischen Formen bieten kann, steht immer wieder der Edersee als Besuchermagnet im Zentrum der Vermarktung. &bdquo;Der Edersee ist als Tourismusmarke über Jahre gewachsen“, gibt Günther zu. Er zog schon ohne Nationalpark Gäste an. Dennoch, und das sagt auch Karsten Kalhöfer, der parteilose Bürgermeister der Nationalparkgemeinde Vöhl: &bdquo;Früher war es nur der Edersee, heute bringt der Nationalpark einen großen Schub für den Tourismus. Der Fremdenverkehr ist unsere zentrale Einnahmequelle.“ Das sehe auch die Bevölkerung so, meint der Rathauschef: &bdquo;Die Menschen erkennen den Sinn, den Zweck und den Nutzen des Nationalparks für uns alle.“ Seine Bilanz: &bdquo;Vor der Ausweisung des Gebiets 2004 gab es über Jahre auch Widerstände. Bei der Erweiterung 2020 waren es fast ausschließlich positive Stimmen.“ Dem Kreis Paderborn fehlt ein Besuchermagnet in der Natur mit ähnlicher Ausstrahlung wie der Edersee. Das geben auch Befürworter zu, wie die Grüne Anne Birkelbach aus Salzkotten. Beim Spaziergang durch den Kellerwald ordnet sie das Erlebte für die Nationalpark-Pläne in der Egge ein: &bdquo;Es ist in der Region eine wichtige Aufgabe, das Marketing für den Egge-Tourismus klug zu entwickeln.“ Gesucht wird also das Alleinstellungsmerkmal – eine Botschaft, die Besucher anzieht. Es sei ja nicht jeder Nationalpark wie der andere, sagt Grünen-Landtagsabgeordnete Norika Creuzmann im Vöhler Buchenwald. Der Biotopverbund in der Egge böte viele Möglichkeiten, &bdquo;und wir haben ja auch die Aabachtalsperre“, fügt sie hinzu. Die Legende von den Pufferzonen Während sich die Vertreter der CDU bei den hessischen Parkmachern vor allem über Finanzierungsfragen erkundigen, will der Grüne Jörg Schlüter wissen, ob es nennenswerte wirtschaftliche Kollateralschäden durch die Park-Einrichtung gegeben habe. Es seien &bdquo;keine nennenswerten Betriebsschließungen bekannt“, antworten die Gastgeber. &bdquo;Und in der Landwirtschaft?“, will Grünen-Fraktionschef Carsten Birkelbach wissen. Die Antwort fällt eindeutig aus: &bdquo;Es gibt keine Auswirkungen auf Flächen außerhalb des Nationalparks“, sagt Biologe Frede. Ängste vor so genannten Pufferzonen hätten sich als unbegründet herausgestellt. Gerüchte über derartige Zonen am Nationalparkrand hatten zuletzt auch im Hochstift Landwirte in Sorge versetzt. Im Kellerwald werden sie vom Tisch gewischt. Auch Befürchtungen von Skeptikern, die sagen, dass die Natur für Menschen nicht mehr nutzbar ist, zerstreuen die Hessen. Rund 280 Kilometer an Wanderwegen existierten, viele wurden ausgebaut. Auch Touren mit dem Fahrrad und zu Pferde sind möglich. Eingezäunt ist der Nationalpark nicht. Rund 95 Prozent der Fläche macht die so genannte Naturzone aus. Hier bleiben menschliche Eingriffe aus, die Natur wird ihrer eigenen Dynamik überlassen. Park-Vize Frede: &bdquo;Es geht um den Schutz der Wildnis. Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, dass wir nicht überall bestimmen, was die Natur macht.“ Komplette Ruhezonen ohne Wanderwege gebe es nur in drei Arealen. Für die Vorteile eines Nationalparks in der Region hätten Initiativen viel Überzeugungsarbeit geleistet, erinnert er sich: &bdquo;Wir waren in jedem Landfrauenverein und in jedem Fußballklub, um zu werben.“ Auch Bürgermeister Kalhöfer sagt: &bdquo;Die Akzeptanz der Bürger ist unerlässlich.“ Damit wird eine Aufgabe für die Paderborner Reisegruppe deutlich: Die Politik sollte herausfinden, wie die Bürger im Kreisgebiet zum Nationalpark stehen. Großes Echo aus OWL zum Nationalparkverfahren Auf Anfrage der &bdquo;NW“ zum Stand des Interessenbekundungsverfahrens zum Nationalpark hat das NRW-Umweltministerium Neuigkeiten parat. Ein Sprecher teilt mit, dass der Beteiligungsprozess &bdquo;ein großes Echo in der Region OWL“ und in den Kreisen Paderborn und Höxter ausgelöst habe. Demnach gebe es &bdquo;eine Vielzahl von Anfragen zur Unterstützung eines lokalen Findungsprozesses“ und auch &bdquo;konkrete Vorschläge für Nationalparke in der Egge und im Grenzgebiet Nordrhein-Westfalens zu Niedersachsen (Moor-Nationalpark)“. Angekommen seien bei der Landesregierung zudem &bdquo;viele Bürgerschreiben“. Dadurch sieht sich das Land darin bestätigt, &bdquo;die Menschen vor Ort durch einen Findungsprozess einzubinden“. Am Freitag soll die erste Veranstaltung für Kommunen und Organisationen stattfinden, bei der das Land Details über den Informationsprozess präsentieren will.

Meistgelesen