Zu wenig Plätze: Früheres Stemweder Café wird zur provisorischen Kita

Stemwede. Vor vier Monaten hat das neue Kindergartenjahr begonnen. Eltern haben einen Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung. Seit 2013 gilt der auch für Kinder unter drei Jahren. Derzeit kann dieser Rechtsanspruch jedoch auch in Stemwede nicht für alle Kinder erfüllt werden. &bdquo;33 Kinder sind unversorgt, davon sieben über drei Jahren und 26 unter drei Jahren“, berichtete jetzt Antje Pieper von der Gemeindeverwaltung Stemwede in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Senioren. Bei keinem Kind sei jedoch eine Meldung auf dringenden Betreuungsbedarf beim Kreisjugendamt eingegangen, ergänzte Antje Pieper. Jugendamt mit unzutreffender Prognose Zuständig für die Kindergartenbedarfsplanung ist das Kreisjugendamt Minden-Lübbecke. Bislang war das Kreisjugendamt immer davon ausgegangen, dass die Kinderzahlen leicht sinken werden. Das ist in Stemwede aber nicht der Fall. Knapp 800 Kinder hatten in der Kommune zum neuen Kita-Jahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Im Vorjahr waren es 751 Kinder und davor 696 Mädchen und Jungen. Angemeldet wurden rund 550 Kinder. Plätze in den Stemweder Kitas gibt es um die 520. Damit ist die Lücke ähnlich groß wie 2022. Bedarf steigt kontinuierlich Bundesweit fehlen aktuell rund 430.000 Kita-Plätze. Das hat die Bertelsmann-Stiftung ermittelt. Zwar habe es in den zurückliegenden Jahren erkennbare Fortschritte beim Ausbau von Kita-Angeboten gegeben, schreiben die Autorinnen der Studie. Doch zugleich sei der Bedarf kontinuierlich gestiegen, denn immer mehr Eltern wünschten sich - insbesondere für ihre jüngeren Kinder – eine Betreuung. Auch in Stemwede wurde das Betreuungsangebot in den letzten Jahren stetig ausgebaut. Zuletzt hat der Jugendhilfeausschuss des Kreises zum 1. August 2023 eine neue Kita in Wehdem mit rund 30 Kindern in zwei Gruppen genehmigt. Träger der neuen Einrichtung ist die Parität für Kinder aus Lübbecke. Ihr Zuhause wird die Kita in Wehdem am Schulzentrum in einem Teil der früheren Hauptschule haben. Noch wird dort allerdings gebaut. Im Sommer 2024 sei mit einem Einzug zu rechnen, sagte Antje Pieper zum Baufortschritt. Verzögerung wurde kurzfristig sichtbar &bdquo;Dass sich die bauliche Situation verzögert, wurde erst relativ kurzfristig und zu einem späten Zeitpunkt sichtbar“, sagt Christin Niemeier von der Parität für Kinder auf NW-Nachfrage. &bdquo;Da war das Personal schon eingestellt und die Kinder zum 1. August 2023 angemeldet“, ergänzt die pädagogische Gesamtleiterin. Gemeinsam mit der Kommune sei nach Alternativen gesucht worden. Schließlich ständen hinter den Kindern Eltern, die in den Beruf zurückgehen wollten. Eine Lösung, mit der auch das Jugendamt einverstanden gewesen sei, habe sich von jetzt auf gleich ergeben. Ihr Zuhause hat die Kindertagesstätte &bdquo;Wiesenpiraten“ derzeit im ehemaligen Café Wehebrink in Niedermehnen. &bdquo;Es ist uns super gelungen, in kurzer Zeit aus einem Café einen Kindergarten zu machen, der alles hat, was wir als Selbstverständnis für unsere Einrichtungen ansehen“, erklärt Christin Niemeier. &bdquo;Das war unfassbar sportlich. Alle haben sich mit Herzblut gekümmert.“ Sanierung statt Neubau bei der AWO Familie Wehebrink hatte ihre Räume auch der AWO für eine Übergangszeit angeboten. Nach einem Wasserschaden und Schimmelpilzbefall in der AWO-Kita Niedermehnen hatte der Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe der Arbeiterwohlfahrt im November 2022 bei der Gemeinde Stemwede einen Ersatzneubau beantragt. Eine wirtschaftliche Sanierung sei nicht möglich, hieß es damals. Im Oktober 2023 gab es dann seitens der AWO eine Kehrtwende. Jetzt soll das Gebäude in Niedermehnen doch saniert werden. Die Kinder sollen während der Bauphase an den beiden Kita-Standorten der AWO in Levern betreut werden. Zu einem Termin konnte Antje Pieper im Ausschuss für Bildung, Jugend und Senioren nichts sagen. Sie wisse nur, dass die AWO beabsichtige, zu sanieren. Allerdings ist der Bezirksverband OWL der AWO finanziell angeschlagen. Im Oktober hatte der Verband Insolvenz in Eigenverwaltung beim Amtsgericht Bielefeld beantragt. Einschränkungen wegen Personalmangel Insgesamt ist die Kita-Landschaft angespannt. &bdquo;Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen. Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, schreibt Anette Stein, Mitautorin der Bertelsmann-Studie. Denn selbst wer einen Platz ergattert hat, kann nicht gesichert davon ausgehen, dass die Betreuung wie gebucht möglich ist. Das Recherche-Netzwerk Correctiv.Lokal hat deutschlandweit die Meldungen erfasst, wann Kitas ihr Angebot wegen Personalmangels einschränken mussten. Aus dem Kreis Minden-Lübbecke gab es im Zeitraum Februar bis Juli 2023 demnach 36 Meldungen, dass Einrichtungen die Betreuungszeit reduzieren mussten.

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