Stemwede

Wohnungen für drei Familien aus Afghanistan gesucht

Drei Familien flüchteten nach der Machtübernahme der Taliban aus Afghanistan. Jetzt leben sie in Stemwede – auf engstem Raum. Waltraud Holtkamp von der Flüchtlingshilfe des Vereins JFK sagt, was benötigt wird.

In Afghanistan haben die Familien Mohammadi, Zaland und Panahi als Ortskräfte für Deutschland oder internationale Hilfsorganisationen gearbeitet. Nach der Machtübernahme der Taliban mussten sie deshalb um Leib und Leben fürchten. Derzeit leben die drei Familien im Übergangswohnheim in Wehdem und wünschen sich nichts mehr als ein Haus oder eine Mietwohnung. | © Sonja Rohlfing

Sonja Rohlfing
17.07.2022 | 17.07.2022, 18:00

Stemwede-Wehdem. Azizuddin Mohammadi hat in Afghanistan für die Deutschen gearbeitet. Wie andere Ortskräfte ist er mit seiner Familie vor den Taliban geflohen. Mit offiziellem Visum ist er mit seiner Frau und den vier jüngeren Kindern nach Deutschland eingereist. Seit März leben sie in Stemwede. Die drei älteren Söhne sind einige Zeit später nachgekommen. Ähnlich erging es den Familien Zaland und Panahi.

Zwei Zimmer für neun Personen

Auch sie mussten nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan um Leib und Leben fürchten und sind deshalb nun ebenfalls in Stemwede. Gern würden die drei Familien, die offiziell als Flüchtlinge anerkannt sind, Stemwede als ihre neue Heimat annehmen. Die beengten Verhältnisse im Übergangswohnheim am Steinkamp in Wehdem machen ihnen allerdings schwer zu schaffen.

„Wir brauchen dringend Wohnungen“, erklärt Waltraud Holtkamp von der Flüchtlingshilfe des Vereins für Jugend-, Freizeit und Kultur (JFK) Stemwede. Familie Mohammadi hat anfangs mit neun Personen in einem Zimmer im Übergangswohnheim in Wehdem gelebt. Jetzt teilen sich die vier erwachsenen Söhne dort ein etwa 20 Quadratmeter großes Zimmer, in einem weiteren, nicht größeren Raum leben die Eltern mit den übrigen drei Kindern. Genauso beengt ist es bei den Familien Panahi und Zaland, die sich mit bis zu sechs Personen ein Zimmer teilen.

Besonders den Frauen mache das zu schaffen

„Das ganze Familienleben spielt sich in einem Raum ab, alles, Essen, Lernen, Spielen, Schlafen“, verdeutlicht Faiza Faizani. Besonders den Frauen mache das zu schaffen. „Die Situation macht uns mental krank“, sagt die Frau, die im August ihr drittes Kind erwartet. Die drei Familien teilen sich eine spartanische Küche mit einem Herd mit vier elektrischen Kochplatten und einem Backofen und einer Spüle sowie kaum Ablage- und Arbeitsflächen. Gegessen wird auf dem Zimmer. In ihrem Trakt gibt es zwei Toiletten, zwei Waschbecken und eine Dusche für 19 Personen. Zwei Waschmaschinen stehen den drei Familien mit den neun Kindern zur Verfügung. „Davon ist allerdings eine gerade kaputt“, merkt Ahmaf Shodib Azizi an.

Viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auf engstem Raum

„Im zweiten Trakt des Übergangswohnheims sind ebenfalls alle Zimmer belegt mit Menschen aus Syrien, Somalia und Guinea“, berichtet Waltraud Holtkamp. So viele Menschen aus teils unterschiedlichen Kulturen darunter auch alleinstehende Frauen auf engstem Raum, das sei eine Herausforderung.

„Ich will weiter studieren, meinen Master machen“, erzählt Faiza Faizani. Sie habe einen Bachelor of Law, in Afghanistan bei einer internationalen humanitären Organisation gearbeitet und Kinder und Frauen unterstützt und gefördert. Ihr Mann habe Literatur studiert, als Lehrer und für die Welthungerhilfe gearbeitet. Auch die anderen haben gute Ausbildungen. Sie hätten Sprachen, Geschichte, Landwirtschaft oder Wirtschaft in Afghanistan studiert, erzählen sie. Deutsch lernen, eine Arbeit finden und weiterkommen möchten auch sie.

Wohnungsmarkt hat sich durch die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine weiter zugespitzt

„Für Familie Mohammadi wäre am besten ein Haus, für die anderen beiden Familien wäre eine Wohnung ausreichend. Ideal wäre Wehdem, Levern oder Dielingen“, verdeutlicht Waltraud Holtkamp. Sie weiß jedoch auch, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt durch die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine weiter zugespitzt hat. Allerdings fallen der Stemwederin verschiedene Leerstände auf. Waltraud Holtkamp versteht nicht, warum Eigentümer Häuser und Wohnungen selbst in zentraler Lage lieber leer stehen lassen als sie zu vermieten.

Thema Wohnen sei eine Herausforderung

„Wir haben bislang die uns zugewiesenen Personen unterbringen können“, erklärt Bürgermeister Kai Abruszat auf NW-Nachfrage. Allerdings sei das Thema Wohnen eine enorme Herausforderung. „Es gibt in Stemwede kaum Leerstand in den Siedlungsgebieten.“ Der Druck auf den Mietwohnungsmarkt habe zugenommen. Das betreffe nicht nur Asylbewerber, sondern alle Personenkreise. Wohnraum gut gelegen und halbwegs ordentlich sei schwer zu bekommen. Seitens der Gemeinde danke er, dass die Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine in so vorbildlicher Weise funktioniert habe. „Das zeigt, die Zivilgesellschaft in Stemwede trägt“, betont Abruszat.

Dass einige private Wohnungsgeber eher davor zurückscheuten, Menschen aus anderen Kulturkreisen außerhalb Europas Wohnungen anzubieten, könne er nachvollziehen. Er werbe aber dafür, offen gegenüber diesen Menschen zu sein und auch ihnen Wohnungsangebote zu machen. Darüber hinaus prüfe die Gemeinde, ob und inwieweit in kommunalen Immobilien in Abstimmung mit Rat und Betriebsausschuss zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden könne. Was pragmatische Lösungen angehe, hätten Bürger und Verwaltung in Stemwede das bislang immer gut hinbekommen.