Cold Case aus Rahden: Vor 25 Jahren wurde Säugling „Carola Kleinendorf“ tot gefunden

Rahden. Es war ein Vorfall, der die Menschen in der Region vor 25 Jahren aufwühlte und bewegte. Am Bahndamm nördlich von Rahden wurde im November 2000 ein toter Säugling gefunden. Wer war die Kleine, die den Namen Carola Kleinendorf erhielt? Die Herkunft konnte trotz erheblicher Bemühungen der Polizei nie geklärt werden. Der frühere Rahdener Pfarrer Stefan Thünemann beerdigte Carola Kleinendorf. Er erinnert sich an jene aufwühlenden Tage im November und Dezember 2000. Es war der 17. November 2000, ein Freitag. Ein damals 14-jähriger Schüler hatte den toten Säugling im Rahdener Ortsteil Kleinendorf gefunden. Der 14-jährige Junge war wegen des Geruchs auf eine Plastiktüte aufmerksam geworden, die im Graben zwischen der Straße Örlingerhausen und dem Bahndamm lag. Die Leiche, ein wenige Tage altes Mädchen mit Nabelschnur, war noch am selben Abend von der Gerichtsmedizin Münster im Krankenhaus Lübbecke obduziert worden. Anhand der Ergebnisse der Obduktion ging die Polizei schnell von einem Tötungsdelikt aus. Das erst kurz zuvor geborene Baby habe bei der Entbindung noch gelebt, teilte die Polizei damals mit. Die Leiche des kleinen Mädchens steckte in vier Plastiktüten und lag offenbar zwischen dem 10. und 17. November 2005 an dem Fundort in Kleinendorf. Eine längere Liegezeit, so sagte es damals die Polizei, sei auszuschließen, da es keinen Wildverbiss oder eine Zersetzung des Körpers gab. Mehr zum Thema Cold Case: Ermittlungserfolge in OWL: Wie Bielefelder Ermittler alte Mordfälle doch noch lösen Zehn Beamte ermitteln in einer Mordkommission Eine Mordkommission der Polizei Bielefeld mit ihrem Leiter Hartmut Runte nahm die Ermittlungen auf und begann mit der Suche von Zeugen. Gefragt seien Bürger, die Hinweise auf schwangere Frauen geben könnten, die jetzt nicht mehr schwanger seien, aber auch kein Kind hätten, hieß es am Abend des 17. November von der Polizei. Zeitweise wurde die Mordkommission auf zehn Beamte aufgestockt und ermittelte vom Lübbecker Polizeigebäude aus. Der Fund des toten Säuglings am Bahndamm in Kleinendorf sorgte auch in den Tagen danach in der Bevölkerung in Rahden für Entsetzen. Das Medieninteresse war entsprechend groß, Fernsehsender wollten die Geschichte. Mitten drin der 14-jährige Junge, der den grausigen Fund machte. &bdquo;Wir haben die Anfragen des Fernsehens abgelehnt“, sagte damals die Mutter des Jungen gegenüber den Mitarbeitern der NW. &bdquo;Es geht erst mal darum, herauszufinden, wie er diese entsetzliche Situation verkraftet.“ Lobend erwähnte die Mutter damals das umsichtige Verhalten der Polizei, die sofort ärztliche Hilfe angeboten habe. Die Mutter des Jungen stellte eine Frage, die sich damals wohl viele Menschen in der Region stellten: &bdquo;Warum musste das Baby diesem Schicksal überlassen werden? Es gibt doch so viele, die dieses Kind gern angenommen hätten“. Aktueller Fall: Findel-Baby in Bielefeld - Kriminalpolizei sucht nach der Mutter Erster Speicheltest im großen Stil in Ostwestfalen-Lippe Weil das tote Baby in einer aus einem Rahdener Geschäft stammenden Tüte eingewickelt war, vermutete die Polizei, dass die Mutter aus Rahden oder der Umgebung stammte. Die Zeugenaufrufe und auch dreisprachige Fahndungsplakate blieben ohne Erfolg. Anfang Dezember 2000 setzte die Polizei auf DNA-Proben und bat knapp 1.000 Frauen aus dem Raum Rahden um Speichelproben. Das sorgte für Aufsehen und gilt als das erste Mal, dass die Polizei diese Methode des Speichelproben-Tests in Ostwestfalen-Lippe einsetzte. Für die Speicheltests kamen die Frauen in das Rahdener Gemeindehaus. Dort war Hans-Dieter Heidbrede von der Staatsanwaltschaft Bielefeld vor Ort. &bdquo;Wir hatten keine andere Alternative, nachdem die bisherige Fahndung nach der Mutter erfolglos blieb“, sagte Heidbrede am 7. Dezember 2000. &bdquo;Denn mit Hinweisen aus der Bevölkerung rechnen wir nun nicht mehr.“ Trotz des großen Ermittlungsaufwandes und aller Bemühungen der Polizei ist bis heute nicht bekannt, wer die Mutter des Mädchens ist. Lesen Sie auch: Mehrere Babys gerettet: So funktioniert die Babyklappe in Minden-Lübbecke Carola Kleinendorf wurde auf anonymem Gräberfeld beerdigt Das kleine Mädchen erhielt von den Beamten der Mordkommission einen Namen: Carola Kleinendorf. Als rund 1.000 Frauen zum Speicheltest gebeten wurden, war das kleine Mädchen schon zur letzten Ruhe geleitet. Am 23. November 2000 wurde Carola auf einem anonymen Gräberfeld nahe der Friedhofskapelle Rahden beigesetzt. Die Trauerfeier hielt der damalige Rahdener Pfarrer Stefan Thünemann. Es habe in den Tagen vor der Beerdigung viel Voyeurismus geben, erinnerte sich Stefan Thünemann im Gespräch mit der Redaktion an jene aufwühlenden Tage vor 25 Jahren. &bdquo;Ich machte die Beerdigung und da gab es eine ehrliche und authentische Anteilnahme von vielen Menschen aus Rahden und Kleinendorf. Das hat mich sehr beeindruckt.“ Die Trauerfeier sei sehr kurz gewesen. Er habe in der Predigt über ein Wort aus dem Alten Testament gesprochen: &bdquo;Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein“. Thünemann: &bdquo;Bei Gott hatte und hat das Kind immer einen Namen“. Rahdener Pfarrer bot Frauen einen geschützten Raum Die evangelische Kirchengemeinde Rahden habe das Gemeindehaus für die Speicheltests zur Verfügung gestellt und dafür habe er sich starkgemacht, merkte Thünemann an. Es sei darum gegangen, den Frauen einen geschützten Raum zur Verfügung zu stellen. &bdquo;Es war ja nur eine schuld, nicht alle.“ Jede Frau, die zu dem Test gegangen sei, sei von ihrer Unschuld überzeugt gewesen. Dass ein Speicheltest gemacht worden sei, das sei damals in OWL ungewöhnlich gewesen. Die Beamten aus Bielefeld hätten unter großem Druck gestanden, erinnert sich Thünemann. Er erinnere sich an ein Telefonat, bei dem er gefragt worden sei, ob er etwas wisse. &bdquo;Da wurde mir erstmals im Berufsleben bewusst, wie wichtig seelsorgliche Schweigepflicht ist“, sagt Thünemann. &bdquo;Die ist unverbrüchlich.“ Heute arbeitet Stefan Thünemann als Seelsorger in einer Justizvollzugsanstalt in OWL. Seelsorgliches Schweigen sei Grundlage der Arbeit. &bdquo;Sonst bräuchten wir hier nicht arbeiten.“ OWL-Crime mit Podcast: Baby in Eiseskälte ausgesetzt - Das Wunder von der Bielefelder Südschule

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