Streit um Rahdener Schweinestall: Weiteres Gutachten beantragt

Rahden-Varl/Minden. &bdquo;Abluftfahnenüberhöhungsunterschätzung“ beziehungsweise -überschätzung war das bürokratische Wortungetüm, das ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Minden um die Genehmigung für einen Ferkelstall am Haßmoor im Rahdener Ortsteil Varl wesentlich bestimmte. In einer gut fünfstündigen Verhandlung sollte die Frage geklärt werden: Wird die Geruchsbelästigung durch einen genehmigten Stall mit 500 Plätzen für die etwa 100 Meter entfernt wohnenden Nachbarn mit höheren Abluftkaminen auf dem Stalldach geringer, zumindest aber nicht größer? Zur Klärung dieser Frage hatte die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts vier Experten in diesem nun schon fünf Jahre alten Verfahren geladen. Die ursprüngliche Baugenehmigung war 2019 erteilt worden. Sie wurde ebenso wie die Änderungsgenehmigung von 2021, hier wurde auch der Bau eines Biogüllebehälters beantragt, von vier Nachbarn beklagt. Sie fürchten mehr Geruchsbelästigung auf ihren Grundstücken. Das nächstliegende Haus steht 98 Meter südlich des Stalls. Die Klagen richteten sich gegen den Kreis Minden-Lübbecke als Genehmigungsbehörde., der Landwirt war als Beigeladener Teil des Verfahrens. Er hatte sich für die erste Baugenehmigung schon 2017 ein Gutachten von der Dekra anfertigen lassen. Später kam ein zweites dazu. Der Autor der Expertisen, Lutz Boberg, traf vor Gericht auf den Gutachter der Kläger, Forstingenieur Knut Haverkamp aus Goslar. Dazwischen waren zwei Vertreter des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). Welche Wirkung haben die Bäume? Zwischen Boberg und Haverkamp entspann sich ein wissenschaftlicher Streit. Haverkamp widersprach vehement einigen Aussagen von Boberg. Im Wesentlichen ging es dabei um die zu prognostizierende Wirkung der Bäume auf die Verteilung der Aerosole aus den Abluftkaminen auf dem Stalldach. Die Kamine sollen um das 1,2-fache höher sein als der Stall. Im Rahdener Fall also wären das fünf Meter Stallhöhe plus sechs Meter Schornsteine – die sogenannte Abluftfahnenüberhöhung – gleich elf Meter vom Boden bis zur Schornsteinspitze, wo die Abluft in den Wind gerät. Auch wird bei der Bemessung noch zwischen der Intensität der Gerüche je nach Tierart unterschieden, der sogenannte Gewichtungsfaktor. Dabei sind Ferkelkot-Ausdünstungen um ein Drittel stärker zu bewerten als bei Sauenhaltung. Lesen Sie auch: 22 Dinge, die jeder im Alltag gegen den Klimawandel tun kann Und neben anderen natürlichen Einflüssen wie Windrichtung, Wärmeinhalt und Dynamik der Abluftfahne sorgen auch menschengemachte Faktoren dafür, dass die Abluftfahne nicht senkrecht nach oben steigt. Oder gleichmäßig in Windrichtung abzieht und sich die Geruchspartikel weiträumig verteilen. Gebäude in der Nähe des Stalls haben großen Einfluss auf die Abluftverteilung, vor allem wenn sie höher sind als der Stall selbst, waren sich die Experten einig. Im Varler Fall gehören Bauten von sechs, neun und zehn Metern Höhe zur Hofstelle, wie vor Gericht bildlich gezeigt wurde. Die von ihnen verursachten Verwirbelungen des Luftstroms wirken auch auf die Abluftfahne des Stalls. Was ein weiteres Gutachten beweisen soll Aber was ist mit den Bäumen? Auch sie können durch Turbulenzen, sichtbar durch die Zweig- und Blattbewegung, die Umgebungsluft nach unten ziehen auf die für Gutachten üblicherweise gemessene Höhe von 1,50 Meter. Während Boberg den Einfluss der auf der Hofstelle stehenden hohen Eichen und Birken am künftigen Stall für gering bis nicht vorhanden hielt, warf ihm Haverkamp eine grobe Unterschätzung vor. Birken seien zudem schnellwüchsige Bäume – pro Jahr 60 bis 70 Zentimeter. Nach intensiver Diskussion war für das Gericht in dem langen Verfahren die Sachlage genug schriftlich dargestellt und jetzt noch einmal gesagt worden, um zu einem Urteil zu kommen. Doch das wurde verschoben, weil der Rechtsanwalt des Landwirts nach einem Gespräch mit seinem Mandanten ein weiteres Gutachten beantragte, mit dem die Tatsache bewiesen werden solle, dass sich die Situationen an den Emissionsquellen auf dem Stall und an den Immissionsorten auf den Grundstücken der Kläger jedenfalls &bdquo;nicht verschlechtern“ solle. Ob das Gericht dem Antrag stattgibt oder bald das Urteil spricht, dafür sind nun bis zu zwei Wochen Zeit.

Meistgelesen