Insolventes Rahdener Unternehmen verkauft - mehr als 200 Kolbus-Mitarbeiter entlassen

Rahden. Im kommenden Jahr würde das Rahdener Unternehmen Kolbus seinen 250. Geburtstag feiern. Trotz der Aussicht auf dieses Jubiläum ist bei Kolbus niemandem nach einer Feier zumute. Das Traditions-Unternehmen ist insolvent. Das Amtsgericht Bielefeld hat am Donnerstag das Eigenverwaltungsverfahren eröffnet. Kolbus soll an einen Finanzinvestor verkauft werden. Mehr als 200 Beschäftigte werden entlassen. Es war eine Hiobsbotschaft, die die Belegschaft am Donnerstag bei einer Betriebsversammlung erfuhr. Das zuständige Amtsgericht Bielefeld hat am Donnerstag das Eigenverwaltungsverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Stefan Meyer von der Pluta Rechtsanwalts GmbH zum Sachwalter bestellt. Er war zuvor bereits als vorläufiger Sachwalter tätig und begleitet das Verfahren, die bisherige Fortführung und den nun abgeschlossenen Investorenprozess im Interesse der Gläubiger. Im Eigenverwaltungsverfahren des Maschinenbauunternehmens Kolbus aus Rahden übernimmt die Max Valier Holding den Geschäftsbetrieb und über 250 Mitarbeiter sowie alle rund 90 Auszubildenden. In der Konzernbilanz für das Jahr 2022 war die Gesamtzahl der Beschäftigen mit 687 angegeben worden. Das teilte Kolbus in einer von der Pluta Rechtsanwalts GmbH versandten Mitteilung am Donnerstag mit. Eine entsprechende, schriftliche Vereinbarung (Term Sheet) auf Basis eines vom Gläubigerausschuss genehmigten, bindenden Angebots haben die Verantwortlichen mit der Max Valier Holding GmbH aus Oberhaching bei München und Bozen in Südtirol unterzeichnet. Der Vollzug des Verkaufs ist für den 1. Januar 2025 geplant. Die Max Valier Holding bezeichnet sich selbst im Internet als eines der führenden Unternehmen für industrielle Investitionen im Technologiesektor. Stillschweigen über Kaufpreis und Details vereinbart Die Transaktion unterliegt laut Mitteilungen &bdquo;noch einzelnen, für Transaktionen dieser Größenordnung üblichen Vollzugsbedingungen“. Über den Kaufpreis und weitere Details zu den vertraglichen Vereinbarungen wurde laut Mitteilung Stillschweigen vereinbart. Bestandteil der Transaktion sei zudem die Option zur Übernahme aller relevanten Auslandstochtergesellschaften in den USA, Großbritannien, China und Europa. Diese Gesellschaften befanden sich nicht in einem Verfahren und verbleiben demnach voraussichtlich in der Gruppe. Die Max Valier Holding GmbH konnte sich laut der von Pluta versandten Kolbus-Mitteilung &bdquo;mit dem besten Angebot durchsetzen“. Das Erwerberkonzept sehe &bdquo;notwendige Personalmaßnahmen vor, da die Kosten an das in den letzten Jahren deutlich geringere Umsatzniveau angepasst werden müssen“, heißt es weiter. Durch die Übernahme blieben insgesamt rund 340 Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten. Weiteren mehr als 300 Mitarbeitern &bdquo;muss hingegen gekündigt werden“, heißt es in der Mitteilung. &bdquo;Hierzu wurden möglichst sozialverträgliche Lösungen in Abstimmung mit dem Betriebsrat erarbeitet, der die Interessen der Arbeitnehmer im Rahmen der Möglichkeiten der Insolvenzordnung vertritt.“ Am Donnerstag hätten Interessenausgleichs- und Sozialplanvereinbarungen zwischen Kolbus und dem Betriebsrat abgeschlossen werden können, teilte Pluta mit. Hintergrund: Kolbus stellt Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung Wer der neue Besitzer von Kolbus ist Weitere Sanierungsschritte waren die Schließung der Produktion in Großbritannien sowie die Aufgabe des Standortes im sächsischen Krostitz; die Produktion wird jeweils nach Rahden verlagert und am dortigen Standort konzentriert, was zu einer erheblichen Kostenreduktion beitrage. Geschäftsführer und Partner Hannes Mahlknecht sowie Franco Nocera von der Max Valier Holding werden in der Mitteilung wie folgt zitiert: &bdquo;Die Übernahme ist eine strategisch sehr wertvolle Ergänzung für unser Portfolio. Mit dem Maschinenbau und der Gießerei passt Kolbus sehr gut zu uns. Im Jahr 2025 kann Kolbus sein 250-jähriges Bestehen feiern. Wir wollen das Unternehmen langfristig halten und auf die Erfolgsspur zurückführen.“ Die Max Valier Holding ist laut eigener Darstellung spezialisiert auf den Erwerb und die Entwicklung von mittelständischen Ingenieur-, Produktions- und Dienstleistungsunternehmen aus dem gewerblichen und industriellen Bereich. &bdquo;Aufgrund des tiefen technischen Verständnisses ist Max Valier in der Lage, wesentliche Unternehmens- und Marktpotenziale im Detail zu erkennen und auf dieser Basis attraktive und maßgeschneiderte Nachfolgelösungen anzubieten“, heißt es weiter. &bdquo;Ziel ist die langfristige Investition in Unternehmen, die Förderung von Innovationen sowie die Modernisierung.“ So kam es zum Kolbus-Verkauf Kolbus hatte Mitte Juli dieses Jahres bekanntgegeben, beim zuständigen Amtsgericht in Bielefeld ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt zu haben. Begleitet wurde das Verfahren auch durch Rechtsanwalt Stefan Meyer von der Pluta Rechtsanwalts GmbH. Meyer wurde im Juli zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Zur Ergänzung der Geschäftsführung um den verfahrensrechtlichen Sachverstand wurde Rechtsanwalt Maximilian Michelsen von der Kanzlei Aderhold zum Generalhandlungsbevollmächtigten bestellt. Michelsen hatte trotz wiederholter Nachfrage der Redaktion keinen Grund genannt, warum der Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt wurde. Anfang Oktober hatte es aus dem Hause Kolbus dann eine Begründung gegeben: &bdquo;Der Insolvenzantrag erfolgte aus rechtlichen Gründen. Trotz der guten Auftragslage reichten die finanziellen Mittel des Unternehmens nicht aus, um die Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu verhindern“, teilten die Rahdener im Oktober auf Nachfrage mit. Die gute Auftragslage sei aber eine der Voraussetzungen, das Verfahren in Eigenverwaltung vorzunehmen: &bdquo;Diese ermöglicht es dem Unternehmen, einerseits die erfolgreiche Geschäftsentwicklung kontinuierlich fortzusetzen und andererseits, die notwendigen strukturellen Anpassungen vorzunehmen, um das Unternehmen langfristig stabil aufzustellen.“ Verkauf wurde bis vor Kurzem noch bestritten Zudem hatte Kolbus im Oktober darauf verwiesen, dass ein sogenannter &bdquo;Investorenprozess“ laufe. Bestritten wurde damals, dass am Ende ein kompletter Verkauf des Unternehmens stehe. Ein Komplett-Verkauf müsse nicht zwingend am Ende des Investorenprozesses stehen. Anfang dieser Woche hatte die Redaktion bei Pluta und bei Aderhold wegen Angaben des Unternehmens in seiner Bilanz für das Jahr 2022 Fragen gestellt. Dabei ging es auch um Grundstücke und Gebäude von Kolbus. In der Konzernbilanz für das Jahr 2022 wird unter dem Stichwort Konzernkapitalflussrechnung eine Einzahlung über rund 8,2 Millionen Euro aus Abgängen von Gegenständen des immateriellen Anlagevermögens sowie von Sachanlagen genannt. Ob das bedeutet, dass nennenswerte Teile der Gebäude verkauft wurden – und an wen? Dazu hatte Pluta sich nicht äußern wollen, von Anwalt Michelsen gab es keine Rückmeldung. Modell für mehr Liquidität? Gleiches galt auch für die Frage der Redaktion zu einer Angabe in der Konzernbilanz 2022, wonach die Verpflichtungen aus Miet- und Leasingverträgen von 2,2 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 15,8 Millionen Euro im Jahr 2022 angestiegen sind. Möglicherweise deutet das auf ein sogenanntes &bdquo;Sale & Lease back“-Modell hin. Das bedeutet, dass Eigentum wie beispielsweise Gebäude verkauft und dann zurückgemietet worden sind. Möglicherweise ist dieses Modell angewendet worden, um Liquidität zu gewinnen. In dem betreffenden Geschäftsjahr werden jedenfalls deutlich geringere Verbindlichkeiten gegenüber Banken angegeben als im Jahr 2021. Lesen Sie auch: Insolvenzantrag trotz gut gefüllter Auftragsbücher

Meistgelesen