
Rahden. In Stemwede sind zwischen Oktober und November 2021 verschiedene Postpakete mit Smartphones, Armbanduhren, Tablets, Notebooks und anderen Elektronikgeräten verschwunden. Ein Zusteller des Post- und Paketdienstes soll diese Pakete für sich behalten haben, um den hochwertigen Inhalt gewinnbringend zu verkaufen. So lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Bielefeld jetzt im Rahdener Amtsgericht. Schaden: insgesamt rund 4.500 Euro. Es war nicht die erste Hauptverhandlung in der Sache. Inzwischen war weiter ermittelt worden.
Zu weiteren Schäden sei es nicht gekommen, weil zwei Sicherheitsmitarbeiter der Post den Angeklagten Mitte November 2021 nach Dienstschluss im Zustellstützpunkt (ZSP) gestellt hätten, führte der Staatsanwalt aus. Gefunden worden seien dabei zwei Smartphones und ein Lieferschein für eine Grafikkarte.
Der Verteidiger blieb dabei: Sein Mandant habe die Sachen nicht gestohlen und nicht unterschlagen. Dafür gebe es keine Beweise. Wie der Lieferschein für die Grafikkarte in seine Tasche gekommen sei, wisse sein Mandant nicht. Für die beiden Handys gebe es eine plausible Erklärung. „Der Hund hat die Pakete angefressen“, sagte der Rechtsanwalt. Sein Mandant sei neu als Paketzusteller gewesen. „Er hatte den Hund mit im Auto. Das war verboten.“
„Verschwundene Pakete wurden nirgendwo mehr erfasst“
„Ich habe ihm meinen Hund gebracht, weil ich einen Termin hatte“, bestätigte die Ex-Freundin. Sie habe ihre damals nicht einmal ein Jahr alte Amerikanische Bulldogge nicht allein lassen wollen. Die ehemalige Vorgesetzte des 26-Jährigen aus Lohne berichtete: Der Angeklagte sei zunächst drei Wochen mit Kollegen mitgefahren, um den Bezirk kennenzulernen. Danach sei er allein gefahren.
„Dann kam es zu Auffälligkeiten“, erinnerte sich die Fachkraft für Express und Postdienstleistungen. Zunächst seien ihr nachverpackte Pakete aufgefallen. „Dann verschwanden immer mehr Pakete“, sagte die 36-Jährige. Darum habe sie Meldung gemacht. Der Angeklagte sei engagiert gewesen, habe gern in die Paketzustellung gehen wollen und auch Kollegen geholfen. „Er war aber auch immer der letzte, der wieder reinkam.“
Pakete im Status „unklar“
Es würden schon mal Pakete fehlgeleitet, gab die Fachfrau zu. Es seien jedoch immer mehr Pakete in den Status „unklar“ gewandert. „Die verschwundenen Pakete sollen unserem Standort zugeführt worden sein, wurden aber nirgendwo mehr erfasst“, erklärte die Zeugin. „Ich konnte sehen, dass Pakete aus dem ganzen Bereich betroffen waren. In seinem Verteilkreis waren es aber die meisten Pakete, die fehlten.“
Nach den Auffälligkeiten seien er und sein Kollege eingeschaltet worden, berichtete ein Postbeamter. Nach Personalauswertung für alle Beschäftigte an den Verlusttagen sei der Kreis der Verdächtigen immer kleiner geworden und der Angeklagte schnell in das Verdachtsfenster geraten, berichtete der 54-Jährige. Transportverluste auf dem Weg von Bielefeld nach Stemwede könne er ausschließen. Alle Lkw seien mit GPS ausgestattet. „Wir haben die Fahrten ausgewertet. Da gab es keine Auffälligkeiten“, sagte der Postbeamte.
Am 17. November hätten sie sich auf dem Hof des ZSP zu einer Taschenkontrolle beim Angeklagten entschlossen, berichtete der Zeuge. Dabei seien die Handys gefunden worden. „Der Angeklagte war sehr aggressiv, habe ich in Erinnerung“, erzählte der Postbeamte. Deshalb hätten sie die Polizei gerufen.
Welche Forderungen Staatsanwalt und Anwalt hatten
„Der Angeklagte kam immer sehr spät von seiner Tour zurück, war dann allein im ZSP und hatte so alle Möglichkeiten“, erklärte der Postbeamte weiter. „Die Schlussfolgerung ist eine Vermutung“, konterte der Verteidiger. Auch Richter Bastian Janotta schritt ein: „Der Angeklagte war neu, da dauert es am Anfang schlicht länger.“
„Ich habe den Verdacht, weil mein Mandant neu war und Ausländer ist, ist er in den Fokus gerückt“, erklärte der Verteidiger. „Ich gehe davon aus, dass auch fünf andere Mitarbeiter hätten die Pakete nehmen können. Sie stellen sich jedoch hier hin und sagen uns mit Inbrunst, er war es.“ Das tue er nicht, betonte der Postbeamte. „Das ist das Ergebnis mehrerer Wochen Recherche und Ermittlung.“
Was die Polizei in der Tasche fand
Der Angeklagte habe sich kooperativ gezeigt, erinnerte sich der Polizeibeamte. „Wir haben in seine Tasche schauen dürfen.“ Dort hätten sie 49 verschlossene Briefe, einen geöffneten Brief und zwei Mobiltelefone ohne Außenverpackung, aber mit Lieferschein gefunden.
Nach der Beweisaufnahme habe sich für ihn die Anklage nur teilweise bestätigt, stellte der Staatsanwalt fest. Der Angeklagte habe sich die zwei Handys und die Grafikkarte einverleibt, um sie gewinnbringend weiter zu verkaufen. Wenn der Angeklagte, wie behauptet, diese habe neu verpacken wollen, hätte er das im ZSP tun können. Zugute hielt er dem 26-Jährigen: „Sie sind nicht vorbestraft.“ Der Staatsanwalt forderte eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätze à 60 Euro sowie 500 Euro für die nicht mehr vorgefundene Grafikkarte.
Der Verteidiger forderte Freispruch. Seit 2021 werde ermittelt. Seitdem habe man es nicht geschafft, seinem Mandanten die Taten nachzuweisen. Es habe sich herausgestellt, dass zum überwiegenden Teil für die verschwundenen Pakete kein Nachweis geführt werden könne. Auch zu den Handys sei die Argumentation des Staatsanwalts falsch. Sein Mandant habe sich nichts zu eigen gemacht. „Warum die Sachen in seiner Tasche waren, dafür gibt es eine plausible Erklärung“, erinnerte der Rechtsanwalt.
„Brief war aufgerissen und nicht aufgekaut“
Richter Bastian Janotta hielt den Angeklagten in zwei Fällen für schuldig. Er verurteilte den Mann zu 90 Tagessätzen à 50 Euro und 500 Euro Wertersatz. „Dass Sie die Sendungen nachverpacken wollten, glaube ich Ihnen schlicht nicht. Der Brief war aufgerissen und nicht aufgekaut, das sieht man auf den Polizeifotos.“
Wegen der anderen Taten sei der Angeklagte freizusprechen. „Es gibt viele kleine Indizien, die gegen Sie sprechen. Ich kann nicht ausschließen, dass Sie irgendwie darin verwickelt waren, kann es Ihnen aber nicht nachweisen.“ Zugute hielt Richter Bastian Janotta dem Angeklagten: „Sie waren in einer unbeobachteten Situation, das senkt die Hemmschwelle.“ Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.