Pogrom-Gedenken in Rahden mit Mahnung und Polizeibegleitung

Rahden. Es war nasskalt, die Dunkelheit brach herein. Viele Rahdener und Gäste aus umliegenden Orten aber ließen sich davon nicht abhalten. Ihnen war es wichtig, ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen gegen Judenfeindlichkeit und gegen die, die heute wieder rechtes Gedankengut offen propagieren. Die Ausschreitungen gegen Rahdener Juden und der Brand der Synagoge jährten sich zum 85. Mal. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und eine weiter aufkommende Judenfeindlichkeit in Deutschland bestimmten landauf, landab das Gedenken an die Pogrome vom 9. November 1938, als die Nazis im damaligen Deutschen Reich Synagogen niederbrannten und Menschen judischen Glaubens misshandelten oder töteten. Rahdener SA-Leute randalierten an jenem Tag in Wehdem. In Rahden tobte sich der faschistische Mob am 10. November 1938 aus. Kerzen und Blumen auf Stolpersteinen Vor dem Hintergrund der angespannten weltpolitischen Lage hatte dieses Mal die Polizei ein Auge auf den Rundgang, bei dem Stadtheimatpfleger Claus-Dieter Brüning die Gäste zu Orten führte, an dem es einst jüdisches Leben gab. Die Polizei zeigte auch Präsenz bei der Gedenkfeier am Platz der Synagoge. Störungen gab es nicht. Brüning stellte Gebäude vor, in denen einst Familien jüdischen Glaubens wohnten. Auch das Haus der Familie Haas an der Bahnhofstraße gehörte dazu. Dagobert und Sophie Haas waren am 28. Juli 1942 die letzten Rahdener Juden, die von den Nazis in die Vernichtungslager deportiert und dort umgebracht wurden. Der Rundgang führte auch entlang der Marktstraße zum früheren so genannten &bdquo;Judenhaus“. Hier mussten Rahdener jüdischen Glaubens sich aufhalten, von hier wurden sie deportiert – wie das Ehepaar Haas. Honsel: Das &bdquo;Nie wieder“ muss neu belebt werden An den Stolpersteinen legten junge Menschen Blumen und Kerzen als stille Erinnerung und Mahnung an die früheren Bewohner und ihr Schicksal nieder. Lukas Gorka und Lilly Schneider verlasen auf dem Platz der Synagoge anschließend die Namen der Rahdener jüdischen Glaubens. 60 Mitglieder der Gemeinde lebten im November 1938 noch in Rahden. Sie gehörten zur Geschichte der Stadt, sagten die beiden jungen Leute. In der Pogromnacht seien Menschen drangsaliert und getötet worden, sagte Rahdens Bürgermeister Bert Honsel gegenüber den rund 80 Teilnehmern der Gedenk-Veranstaltung. Das verniedlichend &bdquo;Kristallnacht“ genannte Pogrom sei der Auftakt für den millionenfachen Mord an den europäischen Juden gewesen. Auch Honsel erinnerte an den Terrorangriff der Hamas auf Israel und zierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der habe vor wenigen Tagen das Hamas-Massaker als &bdquo;Pogrom in Echtzeit“ bezeichnet. Verbrechen durch Wegsehen unterstützt Auch vor dem Hintergrund des Terrorangriffs vom 7. Oktober müsse man das &bdquo;Nie wieder“, das viele Menschen nach dem Ende der Nazi-Herrschaft beschworen hätten, wieder neu beleben, betonte Honsel. Einschreiten müsse man bei Antisemitismus und diesen strenger bestrafen. Werde das von Ausländern begangen, dann müsse das ausländerrechtliche Konsequenzen haben. Angesichts des um sich greifenden Extremismus muss nach Worten des Rahdener Bürgermeisters in Bildung investiert werden, um Extremismus und der Anfälligkeit dafür zu begegnen. Der Nazi-Terror habe schon vor der Pogromnacht des 9. November 1938 begonnen, sagte bei ihrer Gedenk-Ansprache Pfarrerin Gisela Kortenbruck. &bdquo;Schon vor diesem Datum hatten jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger Einschränkungen und Anfeindungen zu erdulden.“ Aber mit dem 9.November 1938 hätten Rassenwahn, Entwürdigung und Folter und auch das systematische Morden und Töten von Jüdinnen und Juden begonnen, das schließlich in der Vernichtung von sechs Millionen europäischer Juden endete. Durch Wegsehen vor dem Unrecht und Schweigen hätten viele Menschen das Ihre dazu beigetragen. Wachsam sein &bdquo;gegen das, was in unserem Land nie weg war“ Am 10. November 1938 habe auch für Rahdener Mitbürgerinnen und Mitbürger und ihre Familien ein unbeschreiblicher Leidensweg begonnen, &bdquo;der für viele den entsetzlichen und würdelosen Tod in einem der Konzentrations- und Vernichtungslager jener Zeit zur Folge hatte, mindestens aber Flucht und Vertreibung und den Verlust der Heimat. Denn bis dahin lebten Jüdinnen und Juden mit großer Selbstverständlichkeit mitten unter uns, waren anerkannte und geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger – die nun ausgegrenzt, geächtet, verfolgt und vernichtet wurden.“ Vor diese Erinnerung und die Bilder jener Zeit schieben sich laut Kortenbruck nun Bilder, Worte und Berichte von heute, die man vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten habe. Der unsägliche Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober auf die Menschen in Israel mit 1.400 Toten,die Berichte davon, die Bilder, &bdquo;die Beschreibungen auch der unsäglichen Filmaufnahmen, mit denen die Täter ihre Taten regelrecht feierten – sie stellen alles in den Schatten, was man jemals für möglich gehalten hätte“, sagte Kortenbruck. "Radikale zündeln mit Worten und Taten" Die Menschen in Israel seien einer Welle der Gewalt und der Menschenverachtung ausgesetzt gewesen, die die Betroffenen als erneutes Pogrom erlebt haben müssten – in einer Form, wie es sie seit der Shoa nicht mehr gegeben hat. Die Verbrechen der Hamas zögen nun weiteren Tod, Gewalt und Krieg nach sich. Im Gazastreifen würden unschuldige Menschen bedroht, vertrieben getötet. Und ebenso in Israel habe man viele weitere Opfer durch Angriffe der Hamas zu beklagen. &bdquo;Das Blutvergießen geht weiter, auf beiden Seiten. All das macht uns bestürzt und fassungslos.“ Radikal Rechte und auch radikal Linke zündelten mit Worten und Taten in der Absicht, ihr politisches Süppchen zu kochen. Kortenbruck: &bdquo;So wird das unendliche Leid der Opfer des Holocausts und der Opfer heutiger Tage bagatellisiert und für politische Stimmungsmache instrumentalisiert. Allein dass es in unserem Land überhaupt wieder für möglich gehalten wird, mit einer solchen Gesinnung politisch und gesellschaftlich Erfolg haben zu können – das ist erschreckend und alarmierend zugleich.“ "Überall für den Frieden einsetzen" Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus seien in die Mitte der Gesellschaft gerückt und offensichtlich gesellschaftsfähig geworden. &bdquo;Und das darf uns nicht ruhen lassen.“ Die Pfarrerin mahnte zu Engagement für den Frieden und zu Engagement gegen Juden-Feindlichkeit. Wachsam müsse man sein gegenüber dem, &bdquo;was in unserem Land nie weg war“. Der Konflikt, der zur Zeit im Nahen Osten aufbreche, sei ein zutiefst politscher und kein religiöser Konflikt. Kortenbruck: &bdquo;Entsprechend kann unsere Aufgabe nur sein, uns immer und überall für den Frieden einzusetzen – und aus religiöser Sicht – ganz gleich, ob nun christlich, muslimisch oder jüdisch – auch um diesen Frieden zu beten.“

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