Rahdener Winterkirche ist Vorgeschmack auf die Zukunft

Rahden. Der Weihnachtsbaum steht geschmückt neben dem Altar. Viele Gläubige werden sich über das geschmückte Grün freuen, wenn sie an Heiligabend und während der Weihnachtstage einen Gottesdienst in der Rahdener St.-Johannis-Kirche besuchen. Hier treffen sich die Gläubigen zum Gottesdienst – und das ist bis Ostern der einzige Ort in der evangelischen Kirchengemeinde Rahden, wo das möglich ist. In Rahden ist Winterkirche und die gibt einen Vorgeschmack auf das, was auf die Gläubigen zukommt. Wie stehen Rahdener den gravierenden Änderungen in der Gemeinde gegenüber? Auch dazu äußert sich Pfarrer Udo Schulte. Die Johanniskirche ist seit mehr als 650 Jahren der geistliche Mittelpunkt der heutigen Stadt Rahden. Die Gemeinde will niemanden in der Kälte stehen lassen – und das nimmt sie auch wörtlich. Zwar gibt es eine Empfehlung der evangelischen Landeskirche, Gotteshäuser im Winter nicht zu heizen. Davon wollen die Rahdener aber nichts wissen. Etwas geheizt wird St. Johannis auch im Winter, die Kirche kühlt nicht ganz aus. Was ein Gottesdienst mit einem Besuch im Restaurant zu tun &bdquo;Wer in einen Gottesdienst geht und friert, den verlieren wir. Der kommt nicht wieder“, sagt Pfarrer Udo Schulte. Inhaltlich, aber auch atmosphärisch müsse man den Besucherinnen und Besuchern von Gottesdiensten etwas bieten. &bdquo;Das ist wie beim Essen im Restaurant“, merkt Schulte an. &bdquo;Ist das Essen gut, aber das Ambiente schlecht, kommt man nicht wieder.“ Zur Atmosphäre gehört, wie ein Mensch beim Gottesdienst aufgenommen wird. Es sei wichtig, dass Besucher begrüßt würden und ihnen jemand ein Liederbuch gebe, meint Udo Schulte. Nicht jeder Gast wisse, was es mit den Nummern an den Wänden auf sich habe – den Hinweisen zu den Liedern. &bdquo;Da braucht es einen kurzen Hinweis.“ Das gelte auch dann, wenn die Gemeinde aufstehe, um zu beten. Warum es kleiner Gesten bedarf &bdquo;Bei den Lesungen bleibt man hier sitzen. In anderen Regionen steht man auf. Das muss man aber auch wissen.“ Es brauche kleine Hinweise, Ansagen oder Gesten, sagt Schulte. &bdquo;Ist man fremd in einem Gottesdienst und bekommt auch nichts erklärt, fühlt man sich fremd und denkt, nicht dazu zu gehören.“ In Rahden gilt nun bis Ostern die Winterkirche. Auch die wird von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt. In manchen Orten finden Gottesdienste in der Regel in den Gemeindehäusern statt. In Rahden finden sie in St. Johannis als zentralem Ort statt. In den noch vorhandenen Predigtstätten in Wehe, Tonnenheide und in der Altgemeinde sowie in den städtischen Kapellen Varl und Sielhorst finden dann keine Gottesdienste statt. An welchen Orten sich Gläubige auch treffen können Das ist ein Vorgeschmack auf das, was kommt, räumt Pfarrer Udo Schulte ein. Es wird ab 2025 möglicherweise nur noch zwei Pfarrer in der Rahdener Gemeinde geben, die derzeit rund 8.600 Gemeindeglieder zählt und größte Gemeinde im Lübbecker Land ist. Auch sinken die Einnahmen bei der Kirchensteuer und deshalb wird die Rahdener Gemeinde mit dem zur Verfügung stehenden Geld sorgsam haushalten. Das bislang breite Angebot an den Sonntagen wird dann nicht mehr umsetzbar sein. &bdquo;Wir müssen uns mittelfristig konzentrieren“, bekennt Udo Schulte. Ein Gottesdienst am Sonntag am zentralen Ort werde üblich sein. Bei besonderen Gottesdiensten zu Weihnachten, Ostern oder Ewigkeitssonntag (Totensonntag) werde man schauen müssen, wie man als Kirche in den Ortschaften präsent sein könne. Welche Predigtstätten aufgegeben werden Die Predigtstätten in Wehe, Tonnenheide und der Altgemeinde sollen bekanntlich Ende 2024 aufgegeben werden. &bdquo;Zu besonderen Anlässen möchte die Kirche vor Ort präsent sein“, betont der Pfarrer. &bdquo;Die Frage ist halt wo. Aber es kann auch Gottesdienste in Dorfgemeinschaftshäusern oder Zelten geben – oder an anderen Orten, an denen sich Menschen treffen.“ Schulte verweist auf die Mühle in Wehe, den großen Stein in Tonnenheide oder auf den Museumshof. Gottesdienste seien nicht streng an an den Ort gebunden. Eine Kirche biete natürlich einen guten Rahmen. Aber Gläubige könnten sich auch an anderen Orten und zu besonderen Anlässen versammeln – in Freude und Trauer. &bdquo;Das kann man an unterschiedlichen Orten praktizieren.“ Eigenständigkeit ist hohes Gut Rahden und Pr. Ströhen bilden eine kirchliche Region. Bleibt Pr. Ströhen eine eigenständige Kirchengemeinde? Beide Gemeinden praktizierten eine enge Zusammenarbeit, betont Udo Schulte. Rechtlich seien beide Gemeinden aber selbstständig und das könne auch so bleiben. Die Eigenständigkeit sei ein hohes Rechtsgut. Personell rückten die beiden Gemeinden aber zusammen. Bei der Frage, welches Gebäude noch benötigt werde, betrachte man auch die Region, nicht nur eine einzelne Gemeinde. St. Johannis in Rahden und die Immanuelkirche in Pr. Ströhen stehen unter Denkmalschutz, beide werden auch in Zukunft genutzt. Welche Herausforderung der Pfarrer sieht Strukturell erlebe man eine Rückführung in die Zeit der frühen 1960er Jahre, bevor in den Ortschaften kirchliche Gebäude errichtet und Friedhöfe eingerichtet wurden. Die evangelische Kirchengemeinde werde wegen der Altersstruktur und Austritten Mitglieder verlieren und auch Finanzmittel. Sie werde damit auch an Relevanz verlieren, sagt Schulte. Deshalb will sich die Rahdener Gemeinde auf ihre Kernkompetenz besinnen. Neue Gottesdienst-Formen für Familien oder Jugendliche kommen gut an. Wegen der Veränderungen will die Gemeinde die Gläubigen mitnehmen und setzt auf Transparenz. &bdquo;Das Verständnis ist da, es gibt keine Protestwelle“, merkt Schulte mit Blick auf die Stimmung in der Gemeinde an. Die Transparenz bewähre sich. Sorgen seien da, die Stätten für Trauerfeiern zu verlieren. &bdquo;Aber da kann man sehen, wie man das regelt.“ Gespräche mit der Stadt laufen Gibt es Sorgen bei Gemeindegliedern, dass sich die Kirche in den Ortschaften selbst abschafft? Es gebe Sorgen, dass Kirche an Relevanz verliere und nicht mehr sichtbar sei, wenn die Gebäude nicht mehr da seien, räumt Schulte ein. Eine Herausforderung werde sein, dass sich ältere Menschen auf die neue Situation einstellten. &bdquo;Sie waren über Jahrzehnte gewohnt, in den Ortschaften Angebote wie etwa Frauenkreise zu haben. Das aber wird sich auf Rahden konzentrieren.“ Die Gemeinde führe wirklich positive Gespräche mit den Ortsvorstehern und es gebe eine gute Gesprächsebene zwischen Gemeinde und Stadt, freut sich Udo Schulte. Gemeinsam könne man schauen, was aus den Gebäuden werde. In den Ortschaften seien Friedhöfe ganz wichtige Einrichtungen, in Varl und Sielhorst gehörten die Kapellen der Stadt. Udo Schulte: &bdquo;Man muss schauen, dass man da eine einvernehmliche Lösung findet. Und sollte es zu einem Eigentümerwechsel kommen, dann muss man darüber sprechen, ob etwa in den Gebäuden weiter Trauerfeiern möglich sind.“

Meistgelesen