Wenn aus Fremden Freunde werden: Preußisch Oldendorfer Arbeitskreis für Preis nominiert

Preußisch Oldendorf. 2015 sahen viele Menschen mit kritischem Blick auf die Zuwanderungssituation – auch in Preußisch Oldendorf. Viele Menschen stellten die Frage an politische Entscheidungsträger: Und was machen wir jetzt mit ihnen? Eine Gruppe engagierter Menschen aus Preußisch Oldendorf stellte sich diese Frage auch. Sie versuchten daraufhin, Antworten zu finden. Neun Jahre später hat sich die Situation im Ort auch durch ihr Zutun grundlegend verändert. Von den Sozialarbeitern der Stadt sind sie inzwischen für den Ehrenamtspreis des Flüchtlingsrats NRW vorgeschlagen worden und haben es unter die acht Finalisten geschafft. Nachdem die Sozialarbeiter der Stadt Preußisch Oldendorf, Anna Zielinska-Lübker und Dan Viktor, bekannt gegeben haben, den Arbeitskreis &bdquo;Asyl PrO“ für den Ehrenamtspreis vorschlagen zu wollen, begann für die Mitglieder des Arbeitskreises eine spannende Zeit. Weit über die Grenzen der Stadt hinaus erhielt ihr Projekt plötzlich Aufmerksamkeit. Schnell war klar: Nicht nur Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW, wird dem Arbeitskreis auf den Zahn fühlen und sich bei einem Besuch ein genaues Bild von seiner Arbeit machen. Auch ein Film-Team der Universität Bielefeld wird nach Preußisch Oldendorf kommen, um hier zu drehen. Da habe man sich im Arbeitskreis erst einmal zusammengesetzt und den Weg seit 2015 Revue passieren lassen, sagt Beate Heitmeyer. Wenn sie an die Anfänge des Arbeitskreises denkt, schlägt sie lachend die Hände vor ihr Gesicht: &bdquo;Es war ja alles selbst gestrickt.“ Seither haben die Mitglieder viel erreicht. Sie haben einige Umzüge bewältigt, waren mit ihren Angeboten im Laufe der Zeit in verschiedenen Räumen zu Hause und konnten vor allem schon vielen Menschen helfen, ihren Platz in einem Leben in Preußisch Oldendorf zu finden. &bdquo;Integration ist keine Einbahnstraße“ Etwa 300 Menschen haben sie in den vergangenen neun Jahren auf ihrem Weg begleitet, Sprachkurse gegeben, bei der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen und Wohnungen sowie dem Erwerb einer Grundausstattung unterstützt. Anfänglich hätten sie dabei kaum Unterstützung erfahren, sagt Beate Heitmeyer. Die Kommunikation mit offiziellen Stellen sei schwierig gewesen, es habe überall schnell gehandelt werden müssen und langfristige Lösungen für eine gelungene Integration hätten gefehlt. Auch die Finanzierung sei mühsam ausgefochten worden. Schließlich hätten sie sich sogar sozialpädagogische Fachkräfte erkämpft, wie sie sagen. Auch mit Sozialneid hätten sie immer wieder zu kämpfen gehabt. Dass die Stimmung gegen Migration aktuell wieder so schlecht ist, erinnere sie an die Anfänge des Arbeitskreises. Im Gespräch mit den vornehmlich weiblichen Ehrenamtlichen wird jedoch deutlich: Sie haben eine klare Linie. &bdquo;Integration ist keine Einbahnstraße“, betont Beate Heitmeyer. Geflüchtete müssten sich hier einbringen und westliche Werte respektieren. Der Respekt vor Frauen ist den Ehrenamtlerinnen ein besonderes Anliegen. In allen neun Jahren sei ihr allerdings nur ein einziges Mal ein Mann respektlos begegnet, betont sie. Auch Geflüchtete sind ehrenamtlich tätig Dafür, wie gut Integration gelingen kann, wenn sie ein beiderseitiges Anliegen ist, haben die Ehrenamtlichen Beispiele: Der Auf- und Abbau von gespendeten Möbeln sei logistisch immer recht aufwendig und die Arbeit körperlich nicht leicht. Deshalb habe einer der Männer aus Syrien irgendwann begonnen, Helfer unter den anderen Geflüchteten zu organisieren und mit ihnen gemeinsam anzupacken. &bdquo;Er sagt, er habe so viel Hilfe bekommen, dass er etwas zurückgeben möchte“, erklärt Beate Heitmeyer. Inzwischen seien also auch einige der Menschen ehrenamtlich tätig, die als Geflüchtete hierher kamen. Für viele Familien, die sich hier gut eingebracht hätten, sei Preußisch Oldendorf aber eher ein gesellschaftliches Sprungbrett gewesen. Aufgrund der ausbaufähigen Infrastruktur hätte es sie in andere Gegenden gezogen. Gemeinsame Ziele verbinden die Mitglieder Nicht immer enden die engen Kontakte aber mit einem Abschied. Manchmal, so berichtet Beate Heitmeyer, sei das genaue Gegenteil der Fall. Dann würden aus den Fremden mehr werden als Freunde. Obwohl sie und ihr Mann sich zu Beginn darüber einig gewesen wären, zwar helfen, sich emotional aber nicht zu sehr einbinden zu wollen, sei das auch ihnen passiert. Dann nämlich, als eine Familie, der sie geholfen hatte, sie als Patin ihres Kindes auswählte. Ähnliche Erfahrungen hat auch Ulrike Solinger gemacht. &bdquo;Man denkt immer, es ist gar nicht viel, was man macht“, sagt die 61-Jährige. Sie hilft insbesondere den Frauen dabei, Deutsch zu lernen, die aus verschiedenen Gründen keinen Sprachkurs besuchen können. Das seien zum Beispiel Alleinerziehende oder Mütter mit kleinen Kindern, die nicht fremdbetreut werden können. &bdquo;Und dann merkt man, dass das für die Frauen aber doch von großem Wert zu sein scheint, weil man zum Beispiel zu den Geburtstagen der Kinder eingeladen wird.“ Diese und viele weitere Geschichten, die sie im Laufe ihres Engagements erlebt haben, erzählen die Ehrenamtlichen des Arbeitskreises sowohl dem Film-Team der Universität Bielefeld als auch Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat. Auch ihre eigenen Geschichten waren in diesem Zusammenhang von Bedeutung. In langen Gesprächen ging es etwa darum, warum sich die Mitglieder im Arbeitskreis engagierten, wie die Strukturen innerhalb des Arbeitskreises aussehen oder an welchen Stellen es Herausforderungen gibt und wie mit ihnen umgegangen wird. Verleihung am 9. November Beate Heitmeyer sagt, durch das gemeinsame Ziel, gesamtgesellschaftliche Herausforderungen im Kleinen in Preußisch Oldendorf, erst einmal gut zu lösen, seien auch die Mitglieder zusammengewachsen. Und sie wären sich einig: Der Ehrenamtspreis NRW sei eine schöne, symbolische Anerkennung, wenn sie ihn denn am 9. November verliehen bekämen. Die bedeutendste Anerkennung für sie sei aber der Vorschlag durch die Sozialarbeiter gewesen.

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