Pr. Oldendorf. Als der Bund Heimat und Umwelt im vergangenen Jahr die Ausschreibung „Historische Orte der Gemeinschaft" für die Auszeichnung „Kulturdenkmal des Jahres 2021" versandte, reagierte die Ortsheimatpflege Pr. Oldendorf – und hatte Erfolg.
Der Kirchplatz ist als „Historischer Ort der Gemeinschaft" ein Kulturdenkmal des Jahres. Er befindet sich damit in illustrer Gesellschaft: Zu den Preisträgern gehören auch die Hackeschen Höfe in Berlin und die „Untere Halle" des Bremer Rathauses.
Der Bund „Heimat und Umwelt" in Deutschland und der „Westfälische Heimatbund" suchen alljährlich nach einem Kulturdenkmal des Jahres. In diesem Jahr stand die Aktion unter dem Motto: „Historische Orte der Gemeinschaft". Diese Orte seien ein ganz besonderes Element in der Kulturlandschaft, weil sie ein Teil der Heimat der Menschen seien, heißt es: wichtige Treffpunkte und Begegnungsstätten und deshalb ein wichtiger Teil unseres Kulturerbes.
Wichtiger Treffpunkt und Begegnungsstätte
Die Ortsheimatpflege Pr. Oldendorf mit Karl Wilhelm Finke hat sich mit dem Kirchplatz rund um die St.-Dionysius-Kirche für diese Auszeichnung beworben. Für ihn war es die erste Bewerbung. „Darauf sind wir stolz und freuen uns darüber", sagt der Ortsheimatpfleger. Begründet worden sei der Antrag aus Pr. Oldendorf für die Ausschreibung mit folgenden Informationen, die vielleicht auch nicht alle jedem Einwohner geläufig sein dürften:
ST.-DIONYSIUS-KIRCHE MIT KIRCHPLATZ
Es handelt sich bei dem Kirchplatz der St.-Dionysius-Kirche um einen mitten im Zentrum von Pr. Oldendorf liegenden Platz, auf dem vermutlich um das Jahr 777 von Karl dem Großen eine dem heiligen Dionysius geweihte Kirche errichtet wurde.
Sie lag an dem „Hellweg vor dem Santvorde" (im Verlauf der heutigen B 65) und wurde sehr wahrscheinlich auf den Grundmauern einer alten heidnischen Opferstätte (Mahlstätte) errichtet. Die Kirche wurde im Jahr 969 erstmals urkundlich erwähnt und war seinerzeit die Mutterkirche für das große Urkirchspiel mit den späteren eigenständigen Kirchspielen Holzhausen (ab 1173), Börninghausen (ab 1276), Levern und weiteren Kapellengemeinden wie Wimmer, Rabber und Lintorf.
Es müsse zu Beginn des 13. Jahrhunderts anstelle dieser ersten Kirche ein Neubau erfolgt sein, schreibt Finke. Beim Umbau der Kirche wurden im Altar Reliquien und ein Schriftstück mit der Jahreszahl 1211 gefunden. Der Neubau der Kirche im Jahre 1510 hat die große Feuersbrunst in Oldendorf von 1752 überstanden.
Der Turm wurde 1905/1906 auf 38 Meter erhöht und es wurde an der Südseite aus Platzmangel ein drittes Schiff angebaut. Derzeit verfügt die Kirche über 960 Sitzplätze. Der Kirchhof ist von dem noch heute sichtbaren Häuserring, den sogenannten „Kirchhöfern", umgeben. An der Nordseite der Kirche lag der Pr. Oldendorfer Friedhof, bis Napoleon anordnete, einen neuen Friedhof außerhalb des Ortskerns anzulegen.
FESTPLATZ
Am 17. April 1719 wurden dem Ort „Oldendorf" die Stadtrechte verliehen. Die Zusatzbezeichnung „Preußisch" ist erst seit dem Jahr 1806 überliefert. Das 300-jährige Stadtjubiläum wurde 2019 zusammen mit dem Jubiläum der erstmaligen Erwähnung des Ortes „Aldenthorpe" vor 1.050 Jahren von den acht Dorfgemeinschaften sowie 20 Vereinen und Einrichtungen an der Kirche gefeiert. Viele gemeinschaftliche Jubiläumsangebote waren hier auf dem „Platz der Dörfer und Vereine" zu finden. Der Leitspruch der Veranstaltung lautete: „Unsere Dörfer und Vereine – deine Heimat".
Unterstützt wurde diese Jubiläumsfeier durch viele Einzelaktionen etlicher Pr. Oldendorfer Vereine, Gruppen, Einzelpersonen und Firmen. „All dieses zusammen war gelebte und praktizierte Dorfgemeinschaft in Pr. Oldendorf", so Finke. Am 11. April 2019 wurde eine neue Gemeinschaft aller Dörfer und Vereine des Kirchspiels zunächst unter Federführung der Ortsheimatpflege Pr. Oldendorf gegründet. Ihr Name lautet entsprechend: „Gemeinsam im Kirchspiel Preußisch Oldendorf".
MARKTPLATZ
Die erste urkundliche Erwähnung des Oldendorfer Marktes datiert aus dem Jahr 1745. Dieser Markt fand Ende Oktober auf dem Kirchhof /Kirchplatz statt. Nach 1808 wurde die Marktfläche um die alte Friedhofsfläche unter Protest erweitert. Nach 1815 entwickelte sich der Oldendorfer Markt zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Vieh in der Umgebung. Auf dem Oktobermarkt im Jahre 1824 wurde Vieh im Wert von 15.000 Talern verkauft. 1859 wurde zwischen der Stadt und der Kirchengemeinde vereinbart, dass die Stadt ab 1865 auf den Kirchhof als Markt- und Veranstaltungsplatz verzichtet.
STERNENZAUBER
Der aktuelle Weihnachtsmarkt in Pr. Oldendorf („Sternenzauber") findet immer am dritten Adventswochenende rund um die St.-Dionysius-Kirche statt. Der Gewerbeverein, die Ortsheimatpflege, Vereine und ehrenamtliche Helfer organisieren gemeinsam den Markt mit etwa 40 Ständen und einer Bühne für Aufführungen der Schulen, Kindergärten und Vereine.
GEMEINSAMER TREFFPUNKT
Die Gehwege des Kirchplatzes wurden wie berichtet jüngst mit einer glatten und besser begehbaren Pflasterung aufgewertet. Die Tafeln mit den Namen und Daten der 24 jüdischen Pr. Oldendorfer Bürger, die vom Nazi-Regime ermordet worden sind, blieben dabei erhalten. In diesem Zusammenhang wurde von der Ortsheimatpflege ein Stadtplan mit einem „Geschichtlichen Stadtrundgang" zusammen mit einer Info-Box mit dem „Geschichtlichen Stadtführer" und einem etwas größeren Preußen aus Stahl neu herausgegeben.
Alljährlich wird vom Gewerbeverein und der Ortsheimatpflege auch ein Maibaum auf dem Kirchplatz aufgestellt. An ihm wurden in den vergangenen Jahren Wappen der einzelnen Stadtteile angebracht. Das diesjährige Schild weist auf die neue Vereinsgemeinschaft „Gemeinsam im Kirchspiel Preußisch Oldendorf" hin. Der Preuße „Fritz" ist auf der Silhouette der markanten Bauwerke der einzelnen Stadtteile mit abgebildet.
Preuße "Fritz" ist auch dabei
Die Pr. Oldendorfer Geschichte mit ihren fast 1.250 Jahren, die gemeinschaftliche Feier aus Anlass der Verleihung der Stadtrechte im Jahre 2019, der alte Kirchhof mit den umliegenden Häusern und dem „Go-Gerichtsplatz", dem alten Oldendorfer Marktplatz, dem heutigen Weihnachtsmarkt und dem Maibaum, die neuen Stadt-Informationen am Bürgerhaus und die vielen gemeinschaftlichen Jubiläumsaktionen der Vereine und Stadtteile 2019 hätten letztlich den Ausschlag für die Anerkennung dieses Versammlungsplatzes als Kulturdenkmal des Jahres 2021 und hier als „Historischer Ort der Gemeinschaft" gegeben, heißt es.