Minden-Lübbecker Chorleiter veröffentlicht Roman - und kommt zur Frankfurter Buchmesse

Porta Westfalica-Eisbergen. &bdquo;Als Sehbehinderter hat man gerne Strukturen, an denen man sich orientiert“, sagt Harald Kleine Kracht. Das sei vermutlich der Grund für seine schon lange bestehende Begeisterung für das Mittelalter. Das ist in seiner Vorstellung eine klare, einfache Welt, auch wenn das sicherlich eine romantisierte Sichtweise sei. Der als Chorleiter der Blauen Jungs bekannte Eisberger veröffentlicht zur Frankfurter Buchmesse seinen ersten historischen Roman &bdquo;Sieh doch, Blinder“. Wie seine Hauptfigur, der 14-jährige Simon, war auch Kleine Kracht in seiner Jugend darauf bedacht, nicht aufzufallen. &bdquo;Ich wollte so sein wie die anderen“, erinnert er sich an seine Gefühlslage in jungen Jahren. Das eigene Unvermögen sei einem ja bewusst. Bei der Schuleingangsuntersuchung habe er beim Farbtest geschummelt, indem er bei seinem Vorgänger genau beobachtet habe, wohin gezeigt wurde, und sich dessen Antworten gemerkt habe. Lesung einer lokalen Autorin: Lübbeckerin outet sich nach Umzug - und schreibt ein Buch Worum es in &bdquo;Sieh doch, Blinder“ geht Simon ist in dem Roman der Sohn des Reichsgrafen von Hainburg. Wie Kleine Kracht selbst ist der Junge sehbehindert. Als einziges überlebendes Kind soll er einmal seinem Vater als Herrscher über die Grafschaft nachfolgen und wird darum als Knappe auf die Burg Stolzheim geschickt. Das Training für den Kampf mit Schwert, Pfeil und Bogen und anderen Techniken gehört dazu. Für Simon sind das Aufgaben, die er nur mit viel Kreativität und Hilfe seiner anderen Sinne lösen kann. Im Reiten ist er allerdings ein As und kann seinen Lehrmeister locker überbieten. Kleine Kracht begleitet den Wechsel des Jungen von seiner Familie in eine fremde Umgebung und lässt ihn dazu einige Abenteuer bestehen. Nach Stolzheim wird er zwar von dem Burgvogt und zwei Waffenknechten begleitet. Unterwegs werden der kleinen Reisegruppe beinahe die Pferde gestohlen. Simon kann einen der Diebe erwischen und niederstrecken. Er erlebt unbekannte Gefühlsregungen, als er dem Novizen Winandus im Kloster Marienfeld begegnet und auch auf der Burg Stolzheim, wo ihn die Tochter des Grafen durcheinanderbringt. Als vier Pagen des Grafen an den Blattern erkranken, wählt der Arzt ausgerechnet Simon aus, die benötigten Kräuter zu besorgen. Auch das werden zwei abenteuerliche Tage im Sattel, in denen der Junge sein Orientierungsvermögen beweist, ohne wichtige Wegmarken erkennen zu können. Für Fantasy-Fans: Zwischen Meeresbiologie und Magie - Espelkamper Autorin veröffentlicht Fantasy-Buch Chorleiter brauchte für Roman viel Detailwissen Kleine Kracht gelingt es, die vergangene Welt sehr lebendig und lebensnah zu beschreiben. Das reicht von den hierarchischen Strukturen in Adelskreisen über die Bauweise von Burgen bis zu medizinischem Wissen. Die Abenteuer, die Simon erlebt, sorgen für die nötige Spannung. Allenfalls das Ende kommt ein wenig abrupt, wirkt beinahe wie der berühmte Cliffhanger in TV-Serien. Hätte ich mit meinem Handicap in der Zeit überhaupt eine Chance gehabt, zu überleben? Das ist für Harald Kleine Kracht die Ausgangsfrage für seinen Roman gewesen. Er leidet seit seiner Geburt an einem Nystagmus, einem Augenzittern mit einer Sehfähigkeit von etwa zehn Prozent, dazu kann er kaum Farben erkennen und seine Augen sind gleichzeitig sehr lichtempfindlich. &bdquo;Ich wollte in die Geschichte einbauen, was mich selber geprägt hat“, offenbart der Autor. Dazu zählt die Erfahrung, dass es Menschen gibt, die es ausnutzen, wenn sie bei anderen Schwächen erkennen. &bdquo;Der Sportunterricht war der Horror für mich. Die Ballsportarten besonders.“ Er sei allerdings größer gewesen als die meisten seiner Mitschüler. &bdquo;Das hat mich vor manchem bewahrt.“ Tipps für Leseratten: Von Krimi bis Sachbuch - das sind die Buchempfehlungen unserer Redaktion Debütroman spielt in Ostwestfalen Sein Roman spielt im Jahr 1250 in Ostwestfalen. Er hat bewusst darauf verzichtet, die Hainburg mit einem konkreten Ort zu verbinden. &bdquo;Sie liegt irgendwo zwischen Eisbergen und Bünde“, darum habe er sich nicht wirklich Gedanken gemacht. Auf Karten aus der Zeit habe er allerdings recherchiert, welche Klöster damals bereits existierten. Den Zeithorizont habe er so ausgewählt, dass keine bahnbrechenden äußeren Ereignisse wie Kriege stattfanden. Für seinen Debütroman hat Kleine Kracht eine Lektorin engagiert. Von ihr habe er wertvolle Tipps bekommen, die dem Buch und ihm als Autor viel gebracht hätten. &bdquo;Erzähl nicht, was passiert, lass es passieren“, war so ein Rat. Außerdem habe sie Wert auf historische Genauigkeit in der Sprache gelegt. &bdquo;Das Wort Kamerad gab es damals noch nicht. Und aus dem Tablett wurde ein Tragbrett und aus dem Frühstück ein Frühmahl“, hat der Neuling gelernt. Kleine Kracht, 1967 in Sassendorf geboren, hatte in Warendorf Abitur gemacht und öffentliche Verwaltung in Köln und Dieburg studiert. Er war bis zu seiner Frühpensionierung Betriebsrat und Schwerbehindertenvertreter und hat 2009 eine Prüfung als Heilpraktiker für Psychotherapie abgelegt. Lesen Sie auch: So locken Tiktok-Trends junge Menschen in Buchhandlungen Minden-Lübbecker hat eigenen Verlag gegründet Das Singen ist seit seiner Jugend ein Hobby. Mit acht hat er erst Heimorgel, später Akkordeon gelernt und angefangen, dazu zu singen. &bdquo;Ich wollte auf die klassische Art singen“, darum habe seine Mutter einen Gesangslehrer für ihn gesucht und sei in Paul Grohs in Bielefeld fündig geworden. Seitdem tritt Kleine Kracht mit Soloprogrammen auf, für die er auch eigene Lieder schreibt. Mit seiner Frau war er 1998 nach Eisbergen gezogen und hat dort einen Resthof renoviert. Als das abgeschlossen war, suchte er einen Chor und landete beim Gemischten Chor Porta Westfalica in Möllbergen. Der Shantychor &bdquo;Die Blauen Jungs“ ist ein Ableger davon, die brauchten kurz darauf einen neuen Chorleiter. &bdquo;Ich habe seitdem eine Menge gelernt“, sagt Kleine Kracht. Seit etwa zwei Jahren betreut er auch den Shantychor Kalletal und Singkreise in Seniorenheimen in Bielefeld und im Münsterland. Um sein Buch herauszubringen, hat er einen eigenen Verlag &bdquo;Freibeuter-Klangwelten“ gegründet, mit dem er sich auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren will. &bdquo;Sieh doch, Blinder“, gibt es als Hard- und Softcover, als E-Book und als Hörbuch, das er selbst eingesprochen hat, zu kaufen. &bdquo;Die Kosten werden durch den Verkauf nicht zu decken sein“, macht sich der Autor keine Illusionen. &bdquo;Das war einfach ein Herzensprojekt.“ Dessen Umsetzung hatte er im Corona-Lockdown in Angriff genommen. Ob er eine Fortsetzung schreiben wird, das macht er von der Resonanz auf sein Debüt abhängig. &bdquo;Die schreibe ich, wenn ich das Gefühl habe, dass es eine Leserschaft gibt.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

Meistgelesen