Frust über Grundsteuer: Hausärztin erhebt Widerspruch gegen „unfaire Hebesätze“ in Porta Westfalica

Minden/Porta Westfalica. &bdquo;Das könnte der letzte Tropfen auf dem heißen Stein gewesen sein“, sagt Antje van der Meij. Sie ist seit 20 Jahren Hausärztin und Diabetologin in Porta Westfalica und seit 2018 mit ihrer Praxis an der Feldstraße ansässig. Die Grundsteuer dafür hat sich in diesem Jahr um knapp das Doppelte erhöht. Die Eigentümerin muss nun ab dem 1. Februar 2025 jährlich 1.382,74 Euro für 500 Quadratmeter Grund und das Erdgeschoss des Zwei-Praxen-Hauses zahlen. Schuld daran sei der von der Stadt Porta festgelegte differenzierte Hebesatz zur Grundsteuer B, der in ihrem Fall von 530 Prozent auf 1.125 Prozent gestiegen ist, sagt Van der Meij. Das sei eine Frechheit, findet die Ärztin. Sie hat bei der Kommune Widerspruch gegen den Hebesatz eingelegt. Wenn das nicht hilft, dann würde sie im nächsten Schritt eine Klage in Erwägung ziehen. Auch andere Immobilienbesitzer im Kreis Minden-Lübbecke haben in den vergangenen Tagen Post bekommen. Der Grundsteuerbescheid hat bei einigen für Freude, bei anderen für Frust gesorgt. Denn seit Jahresbeginn wird der Betrag dafür neu berechnet, sodass einige Grundstücksbesitzer weniger, andere mehr und wiederum andere genauso viel bezahlen, wie das Jahr davor. Das hat auch eine nicht repräsentative Umfrage über die MT-Instagram-Plattform bestätigt. Freiberufler jedoch, die in Minden oder Porta Westfalica arbeiten - wie beispielsweise Dr. van der Meij, müssen jetzt generell tiefer in die Taschen greifen. Jede Gemeinde legt ihren eigenen Hebesatz für die Grundsteuer fest Vorausgegangen ist dem Ganzen eine Neuberechnung des Grundstücks für die Steuer in 2023. Landesweit mussten alle Eigentümer einen Grundsteuerwertbescheid und einen Grundsteuermessbescheid abgeben. Die neuen ausgewerteten Daten lieferte das Finanzamt an die jeweiligen Kommunen. Jede Kommune musste bis Ende 2024 eigene Hebesätze festlegen. Der Hebesatz ist ein Begriff aus dem Steuerrecht, der den Prozentsatz bezeichnet, mit dem die Steuerschuld berechnet wird. Damit bestimmt die Gemeinde die Höhe der Steuer für ihr Gebiet selbst. Das, was der einzelne Grundstückseigentümer letztendlich in 2025 zahlt, errechnet sich dann aus dem neuen Grundsteuermessbescheid und dem Hebesatz. Lesen Sie auch: Neue Grundsteuerbescheide werfen auch im Lübbecker Land Fragen auf Hinzu kommt, dass den Gemeinden bei den Hebesätzen, die Wahl gelassen wurde, ob sie einheitliche oder differenzierte Hebesätze veranschlagen wollen. Das heißt, ob sie bei der Grundsteuer B verschiedene Hebesätze bei Wohneigentum und Nicht-Wohneigentum ansetzen. Im MT-Gebiet haben sich die Kommunen Hille und Petershagen für einheitliche Hebesätze entschieden. In Hille liegt dieser bei 767 Prozent, in Petershagen bei 774 Prozent. In Minden und Porta Westfalica hat sich der Rat für differenzierte Hebesätze ausgesprochen. Hier gilt in Minden: Wohngrundstücke werden künftig mit 586 Prozent und Nicht-Wohngrundstücke mit 1172 Prozent belastet. In Porta liegen Wohngrundstücke bei 680 Prozent und Nicht-Wohngrundstücke bei 1125 Prozent. Arztpraxen würden von den differenzierten Hebesätzen mehr belastet Aber was versteht man unter Nicht-Wohngrundstücke? Einmal könnten das die gehorteten, nicht bebauten Grundstücke sein, aber auf der anderen Seite könnten das auch Kanzleien oder Arztpraxen sein. Denn Freiberufler, wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Chiropraktiker oder auch Ärzte zahlen keine Gewerbesteuer. Sie haben ihre Immobilien, in denen sie arbeiten, bislang über den Hebesatz der Grundsteuer B belastet. Deshalb trifft die Differenzierung der Hebesätze diese Berufsgruppe besonders stark. &bdquo;Das führt zu einer unverhältnismäßig hohen Belastung und wirft verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes des Grundgesetzes auf“, kritisiert Dr. Van der Meij. Sie wünscht sich von der Stadt eine erneute Überprüfung des &bdquo;schwindelerregenden Hebesatzes für Nicht-Wohngrundstücke“, die eine faire Belastung aller Grundstückseigentümer sicherstelle - insbesondere für Arztpraxen und andere essenzielle Einrichtungen der Daseinsvorsorge. &bdquo;Hausärzte sind in unserer Stadt ohnehin selten und mit Belastung des deutlich höheren Hebesatzes entsteht für mich der Eindruck, dass auf meine Tätigkeit und die medizinische Versorgung vor Ort kein besonderer Wert gelegt wird“, sagt sie. Obwohl händeringend Hausärzte gesucht würden, mache man es ihr immer schwerer in ihrer Selbstständigkeit, so die Medizinerin. Besonders was das Finanzielle angehe. &bdquo;Ich frage mich, warum ich noch 70 bis 80 Stunden die Woche arbeiten soll und nicht besser dran wäre als angestellte Ärztin“, so Dr. Van der Meij. Etwa 100 Personen haben sich bei der Stadt Porta gemeldet Die Stadt Porta könne sich aus Datenschutzgründen nicht zu konkreten einzelnen Widersprüchen äußern, gibt die Pressesprecherin Babette Lissner auf MT-Nachfrage bekannt. Es hätten sich aber etwa 100 Personen zu dem Grundsteuerbescheid bei der Gemeinde gemeldet, teilt sie weiter mit. Wann die Bürger eine Antwort darauf bekommen, ist ungewiss: &bdquo;Durch die Anzahl der Widersprüche kann dies im Einzelnen jedoch einen gewissen Zeitraum erfordern.“ Lesen Sie auch: Grundsteuer: Nicht alle Anliegen kann die Stadt Lübbecke klären Der Eingang der Widersprüche/Anfragen werde mit einem Erläuterungsschreiben bestätigt. Im Erläuterungsschreiben wird auf die Zuständigkeit der Stadt (Grundsteuerbescheid, Hebesatz) und auf die des Finanzamtes (Einordnung des Grundstücks) hingewiesen. In Porta lagen die Hebesätze der Grundsteuer B von 2017 bis 2019 bei 590 Prozent, von 2020 bis 2024 bei 530 Prozent, ab 2025 aufgrund des differenzierten Hebesatzes bei 649 Prozent und 1125 Prozent. In Minden könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts zu der Anzahl an Widersprüchen sagen, teilt Pressesprecherin Susann Lewerenz mit. Die Grundsteuerbescheide in Minden wurden erst in der vergangenen Woche versendet (das MT berichtete). Steuerberater spricht sich für differenzierten Hebesatz aus Der Steuerberater Jörg Schwenker, gebürtiger Hiller, fällt ebenso in die Berufsgruppe der Freiberufler. Im Gegensatz zu der Ärztin aus Porta empfindet er den differenzierten Hebesatz in Minden und in Porta richtig gewählt und gerechter. Der einheitliche Grundsteuer B-Hebesatz in Hille (767 Prozent) jedoch sei zu hoch angesetzt. Er bezweifelt hier die Aufkommensneutralität. Die Kommunen sollten die Hebesätze so berechnen, dass sie in 2025 in etwa die gleichen Einnahmen durch die Grundsteuern von den Bürgern erhalten, wie das Jahr davor. Schwenker, der jetzt in Münster wohnt, 2009 parteiloser Bürgermeisterkandidat in Hille war und sich immer noch für die Politik dort interessiert, zieht den Vergleich zu seinem Heimatort: &bdquo;Bis 2024 war der Hebesatz für Grundsteuer B (in Münster) 510 Prozent. Ab 2025 für Wohngrundstücke 410 Prozent und für Nichtwohngrundstücke 620 Prozent. Hier sieht man, dass die Hebesätze für viele sogar gesenkt wurden, weil sich die Bemessungsgrundlagen für die Wohngrundstücke in Münster deutlich erhöht haben.“ Münster habe sich also wirklich sich für Aufkommensneutralität entschieden, sagt er. Differenzierte Hebesätze würden regionale Besonderheiten besser ausgleichen als eine einheitliche Senkung des Steuermessbetrags. Ein renommiertes Gutachten der Landesregierung NRW würde die Behauptungen der kommunalen Spitzenverbände in NRW widerlegen, dass differenzierte Hebesätze besonders rechtlich unsicher sind. Und der Landtag NRW hat auch in einem Gutachten auf Anfrage der SPD-Opposition die Zulässigkeit von differenzierten Hebesätzen bestätigt. &bdquo;Fakt sei auch, dass alle Gerichtsurteile bisher die Bewertungsmethoden der neuen Grundsteuer bestätigt haben und die Klagen erstinstanzlich abgewiesen haben“, erklärt Schwenker, der auch im Vorstand der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe (Münster) ist. Seine Empfehlung an alle, die sich nicht mit dem neuen Grundsteuerbetrag abfinden wollen: Die Rechtsprechung erlaubt bei einer Abweichung von 40 Prozent, dass man mittels Gegengutachten einen niedrigeren Wert bei der Grundsteuer ansetzen lassen kann. Hierzu sollte sich der Steuerpflichtige im Einzelfall von einem Steuerberater beraten und über die damit verbundenen Kosten aufklären lassen. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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