Große Polizeirazzia in Minden-Lübbecke: Frau aus Porta (39) im Fokus der Ermittlungen

Porta Westfalica-Kleinenbremen. Es ist noch dunkel, als am Mittwochmorgen gegen 6 Uhr drei Mannschaftswagen der Polizei, ein weißer Transporter sowie mehrere Zivilwagen vor einem Haus in der Alten Straße in Kleinenbremen halten. Die Polizisten haben einen Durchsuchungsbefehl dabei, dazu eine menge Umzugskartons. Sie gehen davon aus, in dem Objekt in Kleinenbremen fündig zu werden. Denn in dem Haus soll mindestens ein Mitglied der wenige Stunden zuvor von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verbotenen Artgemeinschaft wohnen - nach Informationen des Mindener Tageblatts (MT) und laut Medienberichten, die sich auf Auszüge des Vereinsregisters berufen, ein Vorstandsmitglied, nach einigen Berichten sogar die stellvertretende Leiterin. Die Berichte widersprechen sich aber in der Frage, ob die Portanerin derzeit noch auf diesem Posten aktiv ist oder nicht. Die Jalousien sind teilweise zugezogen. Durch die Schlitze sind Spezialkräfte der Beweissicherung der Polizei zu sehen, die beide Etagen des Wohnhauses durchsuchen. Stimmen dringen nach außen - vermutlich von Polizisten. Denn die Frau (39) hat zu diesem Zeitpunkt das Haus mit ihren Kindern verlassen, kehrt erst am Vormittag allein wieder zurück. Immer wieder tragen Polizisten, mal in zivil, mal in Uniform und vermummt, volle Kartons aus dem Haus in den weißen Transporter. Mehrere Medienvertreter haben sich mittlerweile vor dem Haus versammelt und dokumentieren die Durchsuchung. Nicht nur das Haus in Kleinenbremen, sondern auch 25 weitere Wohnungen sowie Räume des Vereins &bdquo;Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ durchsuchen die Einsatzkräfte der Polizei an diesem Morgen in zwölf Bundesländern, wie das Innenministerium in Berlin mitteilt. Das Gebäude in Porta Westfalica sei aber das einzige, das in ganz Ostwestfalen-Lippe in diesem Zusammenhang durchsucht worden sei, bestätigt ein Sprecher des Landesinnenministeriums auf MT-Anfrage. Die anderen Durchsuchungen in NRW hätten im Ruhrgebiet stattgefunden. Zu Details aus Kleinenbremen konnte der Sprecher hingegen noch nichts sagen. Auch nicht, welche Objkete sichergestellt wurden und ob nun Ermittlungsverfahren gegen die Bewohner eingeleitet werden. "Dazu muss alles gesichtet werden. Das wird später entschieden." Im Einsatz war auch das Ordnungsamt der Stadt Porta Westfalica. Der Mitarbeiter, der vor Ort war, arbeitete als sogenannter Durchsuchungszeuge im Rahmen der Amtshilfe, heißt es von der Stadt. Das geschehe regelmäßig, und in der Regel würden Mitarbeietr vorher auch nicht über den konkreten Vorgang informiert. Das Bild aufgereihter Polizeibullis kennen die Kleinenbremer bereits Kleinenbremen als Teil der völkischen und rechtsextremen Struktur - das ist in dem Ort längst kein Geheimnis mehr. Auch das Bild aufgereihter Polizeibullis kennen die Kleinenbremer bereits. Zum Beispiel, als Ermittler vor wenigen Jahren ebenfalls in den Ortsteil ausrücken, um den mutmaßlichen Rechtsterroristen Ulf R. festzunehmen. Er soll Teil der mutmaßlichen rechten Terrorzelle "Gruppe S." gewesen sein, nahm sich während des noch laufenden Prozesses in der Haftzelle aber das Leben. Doch zurück in die Alte Straße. Nach einigen Kartons tragen die Polizisten später auch mindestens vier mit dunklen Decken verhüllte Objekte aus dem Wohnhaus. Sie sind zum Teil so groß und schwer, dass mehrere Beamte mit anpacken müssen. In einem Fall blitzen Stahlträger durch die Hülle, die zu sehenden Teile des Objekts deuten auf eine Figur hin. Worum es sich genau bei den beschlagnahmten Objekten handelt, bleibt aber unklar. 2021 brannte ein Auto Das Grundstück in der Alten Straße gerät nicht zum ersten Mal in den Fokus der Behörden. Im Juli 2021 brennt der Bulli der Familie. Ein Jahr später steht für den Staatsschutz fest: Es war ein Brandanschlag, der mutmaßlich aus der linken Szene kam und dem Engagement des dort lebenden Paares in der rechten Szene galt. Dabei beziehen sich die Behörden auf ein Bekennerschreiben, wollen aber keine Inhalte daraus preisgeben. Die Adresse des Paares wird mehrfach in Internetforen der linken Szene geteilt. Gegenüber dem MT beteuert der Mann, der 2005 für die NPD im Landtag kandidierte, dass weder er noch seine Frau mittlerweile noch irgendetwas mit dem rechten Spektrum zu tun hätten: Ihre Aktivitäten &bdquo;sind Vergangenheit, nicht mehr aktuell und vorbei“, lässt sich der Mann zitieren. Davon scheinen die Behörden allerdings nicht überzeugt, sonst hätten sie die Durchsuchung nicht so groß angelegt. Die lockt am Mittwochmorgen auch einige Kleinenbremer an. Immer wieder passieren Fußgänger die Einsatzstelle und fragen: "Was ist denn hier los?" Manche bleiben mit ein wenig Abstand auch etwas länger stehen und schauen zu. Einige kennen den Mann und die Frau. Mit den weitreichenden rechten Strukturen, von denen die beiden Teil sein sollen, hat sich aber kaum jemand beschäftigt. Verbot wegen Gefahr für die Verfassung Das übernehmen jetzt die Behörden. Das Verbot gegen die Artgemeinschaft, die dem Milieu der völkischen Siedler zugerechnet wird, sei mehr als ein Jahr vorbereitet worden. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen. Faeser beschreibt in einer Mitteilung &bdquo;Die Artgemeinschaft“ als &bdquo;sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung“. Die Ministerin begründet ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl. Sie sagt: &bdquo;Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.“ Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte &bdquo;Gefährtschaften“, &bdquo;Gilden“, &bdquo;Freundeskreise“ und ein Verein namens &bdquo;Familienwerk“. Durchsucht werden den Angaben zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Begründung des Verbots Zur Begründung des Verbots führt Faesers Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen &bdquo;Art“, was mit dem nationalsozialistischen Begriff der &bdquo;Rasse“ gleichzusetzen sein. Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der &bdquo;Erhalt der Deutschen“. &bdquo;Deutschsein“ werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen &bdquo;Blut-und-Boden“-Ideologie definiert. Im Mühlenkreis reichen die Strukturen über die Stadtgrenzen von Porta Westfalica hinaus. So weist auch die umstrittene &bdquo;Ahnenstätte Seelenfeld" in Petershagen nach Erkenntnissen zweier Historiker aus dem Jahr 2019 Verbindungen zu der als rechtsextremistisch eingestuften Vereinigung &bdquo;Artgemeinschaft" auf. Eine in dem Jahr erschienene Zeitschrift der neuheidnisch ausgerichteten Gruppierung rate ihrer Klientel zu einer Bestattung auf dem Privatfriedhof, berichteten die Forscher Karsten Wilke und Thomas Lange. Die Wissenschaftler legten seinerzeit ihren von der Stadt Petershagen in Auftrag gegebenen Forschungsbericht zu Geschichte und Gegenwart der &bdquo;Ahnenstätte" vor. Bereits die Entstehungsgeschichte der sogenannten Ahnenstätte um 1930 sei klar von einem antisemitisch-rassistisch dominierten Weltbild ihrer Gründer geprägt gewesen, heißt es in der Untersuchung. Die Razzia in Kleinenbremen hat am Mittwoch bereits einige Reaktionen ausgelöst. Die heimische Bundestagsabgeordnete Schahina Gambir (Grüne) spricht von einem richtigen Schritt, dass die Gruppierung verboten worden sei. Dass die Strukturen laut Ermittlungsbehörden bis in den Kreis Minden-Lübbecke reichen, findet sie "erschreckend". Das zeige, dass "der Kampf gegen Rechtsextremismus bei uns vor der Haustür" stattfinde.

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