Geldautomaten im Kreis Minden-Lübbecke gesprengt - Täter noch immer auf der Flucht

Petershagen. Die Glasscheiben zerspringen, die Scherben fliegen mehrere Meter weit bis zur Straße, während sich im Inneren der Volksbank-Hauptgeschäftsstelle Lahde das Chaos zeigt: Von den beiden Geldautomaten ist hier nicht mehr viel übrig, die Explosion zerlegt die Geräte in Einzelteile. Eine nach Angaben der Polizei bislang unbekannte vierköpfige Gruppe sprengt hier am Dienstag, 17. Oktober, gegen 3 Uhr in der Nacht die Automaten und flüchtet dann. Ob und wie viel Geld sie erbeutet hat, bleibt offen. Am Dienstagmorgen sperrt die Polizei den Abschnitt an der Bahnhofstraße. Nach und nach trudeln Mitarbeiter der Kriminalpolizei Bielefeld ein und sichern Spuren. Ein Beamter lässt eine Drohne steigen und macht 3D-Aufnahmen mit einem speziellen Gerät, was offenbar Vorgabe des Landeskriminalamts (LKA) ist. Dann setzen sich zwei Polizisten Helme auf, ziehen einen weißen Schutzanzug an und inspizieren das Innere des Gebäudes. Derweilen fragen sich Passanten, was sich hier ereignet hat. Eine Frau kommentiert aufgebracht: "Das ist doch eine Schande, jetzt kommt es bei uns an." Ausgerechnet heute will auch ein Volksbank-Kunde sein Hartgeld einzahlen und muss seinen Termin verschieben. "Früher hat es so etwas nicht gegeben", sagt er und zieht weiter. Ungewöhnliche Sprengung Einer der ersten am Tatort ist nach der Explosion Michael Brügger. Der Lahder ist eigentlich auf Weltreise, steht aber aktuell wegen Arbeiten an seinem &bdquo;Lebensmobil“ genannten Camper keine 30 Meter entfernt von der betroffenen Volksbank. "Das war eine Druckwelle“, schreibt er auf seinem Blog. Gegenüber dem MT-Reporter erzählt er, dass er zuerst an einen Schuss geglaubt habe. "Das war ein dumpfer Knall." Während er seine Hunde beruhigt, hört er noch, wie die Täter mit quietschenden Reifen wegfahren. Schließlich geht er die paar Meter herüber und macht Fotos von der zerstörten Filiale. Die Kriminalpolizei befragt ihn am nächsten Morgen als Zeugen. Vor Ort ist auch Andreas Kelch, Sprecher der Volksbank Herford-Mindener Land. Er bezeichnet die Sprengung als ungewöhnlich. Denn: Häufig nutzen die Kriminellen hinter diesen Taten Autobahnen für ihre Fluchtrouten. Die A2 ist rund 20 Kilometer von Lahde entfernt und eigentlich zu weit weg. Bei ähnlich gelagerten Delikten steuern die Täter die niederländische Grenze an und holen aus ihren hochmotorisierten Autos auf der Autobahn alles heraus. Dann nehmen sie ein Tempo auf, bei dem selbst die Polizei nicht mithalten kann. Aufs Gaspedal drückt der Fahrer wohl auch in Lahde: In der Facebook-Gruppe "Du kommst aus Lahde" will ein Zeuge beobachtet haben, dass das Auto "mit 200 Sachen Richtung Schnellstraße" fuhr. Experten sahen für die Filiale nur eine geringe Gefahr Von der Sprengung in Lahde zeigt sich aber auch Andreas Kelch überrascht. Er berichtet, dass die Volksbank eng mit der Minden-Lübbecker Polizei und dem LKA zusammenarbeite. "Für die Filiale in Lahde sahen die Experten eher eine niedrige Gefahr", so der Sprecher. Wie viel Geld abhandengekommen ist, kann er nicht mitteilen, da die Mitarbeiter der Bank das Gebäude am Dienstag nicht betreten dürfen. Kelch will sich auch nicht dazu äußern, ob in den Automaten bereits Farbpatronen installiert sind. Bei dieser Technik wird das Bargeld bei einer Sprengung eingefärbt und damit unbrauchbar gemacht. Die Sparkasse Minden-Lübbecke hat sämtliche Automaten schon damit ausgerüstet. Ohnehin verschließen viele Banken - wie die Volksbank in Lahde - nachts den Bereich der SB-Automaten und wollen sich dadurch schützen. Das ist in der Praxis kein großes Hindernis für Menschen, die mit Sprengstoff hantieren. Zuletzt hatten Unbekannte im Januar 2023 die Geschäftsstelle der Volksbank an der Mindener Königsstraße zerstört. Sie sorgten für einen Schaden in Höhe von 500.000 Euro. Nach wie vor ist die Filiale geschlossen, im Dezember will die Volksbank sie wieder öffnen. Damals konnte die Polizei die Täter nicht ermitteln. Ob es ihr diesmal gelingt? Ein Statiker muss das Gebäude prüfen Nun kommt es auf die Zeugen, die Aufnahmen in der Bank und die Arbeit der Ermittler an. Und selbst, wenn die Täter geschnappt werden, am Ende kommt selten heraus, wer der eigentliche Drahtzieher hinter den Explosionen ist. Reporter des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" sprachen dazu mit mehreren Staatsanwälten, Strafverteidigern und Ermittlungsbehörden. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Täter sehr jung seien, marokkanische Wurzeln hätten und lediglich der ausführende Teil der Geldautomatensprenger-Maschinerie. Im Hintergrund ziehe meist die Organisierte Kriminalität die Fäden, heißt es in der Recherche. Die Beute werde im Anschluss in andere Geschäfte gesteckt. In Lahde hatte die Sprengung ebenso Folgen für das Jobcenter, das am Dienstag geschlossen geblieben ist. Die Räume liegen über dem Gebäude der Bank, ihr gehört auch die Immobilie. Ein Statiker sollte die Bausubstanz überprüfen, währenddessen lief der Betrieb der benachbarten Hirschapotheke weiter. Täter noch immer auf der Flucht Die Kriminalpolizei aus Bielefeld hat die Ermittlungen übernommen und bittet um Zeugenhinweise unter (0521) 5450. Am Donnerstag, 19. Oktober, veröffentlicht sie in einer Pressemitteilung weitere Erkenntnisse zur Geldautomatensprengung. Die unbekannte Tätergruppe sei weiterhin auf der Flucht. Nach den derzeitigen Erkenntnissen flüchteten die Täter vom Tatort zunächst in Richtung Bierde. Ob sie diese Richtung beibehielten ist nicht bekannt. Bei dem Fahrzeug soll es sich um einen dunklen Pkw mit der Kennung "SHG" für den Landkreis Schaumburg handeln.

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